VwGH Ro 2017/16/0011

VwGHRo 2017/16/001119.12.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, LL.M., über die Revision des M M in H, vertreten durch Dr. Herbert Pflanzl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Fürstenallee 17/1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 17. Jänner 2017, Zl. LVwG- 13/583/5-2016, betreffend Festsetzung und Nachsicht nach § 236 BAO des Beitrags für die Errichtung eines Hauptkanals nach dem Salzburger Anliegerleistungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §250;
BAO §85 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Salzburg hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis setzte das Landesverwaltungsgericht Salzburg im Instanzenzug gegenüber dem Revisionswerber einen Beitrag der Kosten der Errichtung eines Hauptkanals nach § 12 des Salzburger Anliegerleistungsgesetzes (im Folgenden: S-ALG) fest und wies einen Antrag auf Nachsicht dieses Kostenbeitrages nach § 236 BAO ab. Das Landesverwaltungsgericht sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

2 Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg habe am 2. November 1954 im Zusammenhang mit der Teilung des Grundstückes 567/1 KG G über die Grundfläche des nach Teilung vom Grundstück 567/1 abgeschriebenen Grundstückes 567/52 hinaus einen Bauplatz mit einem Flächenausmaß von 640 m2 festgelegt. Auf diesem Bauplatz sei in den Jahren 1954/1955 ein Wohnhaus errichtet worden und das Gebäude sei an den Hauptkanal in der R-Straße angeschlossen worden. Da das Grundstück 567/52 nicht an die R-Straße, in welcher der Hauptkanal verlaufen sei, angrenze, sei nach den damals bestehenden Rechtsvorschriften kein Herstellungsbeitrag geleistet worden. Der Hauptkanal in der P-Straße sei auf Grund eines Beschlusses des Bau- und Liegenschaftsausschusses der Landeshauptstadt Salzburg vom 10. Oktober 1984 errichtet worden. Dies habe zu keiner Verpflichtung zur Leistung eines Herstellungsbeitrages geführt, weil das Grundstück 567/52 auch nicht an die P-Straße angrenze, in welcher dieser Hauptkanal errichtet worden sei.

3 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 19. August 2009 sei dem Revisionswerber auf Grund seines Ansuchens die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Gartenhauses auf dem Grundstück 567/52 erteilt worden.

4 Der Revisionswerber habe in weiterer Folge einen (Anmerkung des VwGH: in den vorgelegten Akten des Verfahrens nicht enthaltenen) Antrag zur Anpassung an die Grundgrenzen gestellt, worauf der Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg mit Bescheid vom 9. Mai 2012 den bestehenden Bauplatz an die Grundgrenzen angepasst und einen "Bauplatz im Ausmaß von 562 m2, umfassend das Grundstück 567/52, Liegenschaft P-Straße 7, baubehördlich bewilligt" habe.

5 Auf Grund dieser "nachträglichen Bauplatzerklärung" für den nicht am Hauptkanal in der P-Straße liegenden Bauplatz habe der Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg dem Revisionswerber mit Bescheid vom 11. Oktober 2013 einen Herstellungsbeitrag nach dem S-ALG in näher angeführter Höhe vorgeschrieben.

6 Der Revisionswerber habe mit Schriftsatz vom 5. November 2013 gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 11. Oktober 2013 Berufung erhoben und in diesem Schriftsatz den Eventualantrag, den Kanalanschlussbeitrag gemäß § 236 BAO nachzusehen.

7 Mit Bescheid vom 9. November 2015 habe die Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg die Berufung als unbegründet abgewiesen. "Der Antrag gemäß § 236 BAO" sei abgewiesen worden.

8 Zum weiteren Verfahrensgang führt das angefochtene Erkenntnis lediglich an, der Revisionswerber habe dagegen Beschwerde erhoben.

9 Der Revisionswerber erhob tatsächlich mit Schriftsatz vom 21. November 2015 Beschwerde gegen den Bescheid der Bauberufungskommission vom 9. November 2015. Darin brachte er vor, die Bauberufungskommission sei auf seine mit Schreiben vom 24. September 2015 abgegebene ausführliche Stellungnahme nicht eingegangen. Der Widerspruch sei nicht aufgeklärt worden, weshalb im Bescheid betreffend die Baubewilligung für die Errichtung eines Gartenhauses vom 19. August 2009 die gegenteilige Meinung vertreten worden sei, denn dort sei u.a. ausgeführt worden, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass die bauliche Maßnahme mit der Bauplatzerklärung im Einklang stehe. Es sei daher davon auszugehen, dass die Behörde im Jahr 2009 die Rechtslage richtig beurteilt habe, woraus geschlossen werden könne, dass der Bescheid über die Einschränkung der Bauplatzerklärung überhaupt nicht notwendig gewesen sei. Er ersuche daher, "den Akt an die zuständige Stelle des Magistrats weiterzuleiten und eine Aufhebung gem. § 68 Abs. 2 AVG zu veranlassen." Auch die Berufungsentscheidung verweise darauf, er hätte im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens geltend machen sollen, dass die nachträgliche Bauplatzerklärung nicht notwendig gewesen wäre. Er habe seinen Antrag auf Einschränkung der Bauplatzerklärung nicht freiwillig gestellt, sondern "als vom Magistrat angeordnete Notwendigkeit angesehen." Was bei der Bewilligung der Gartenhütte rechtens gewesen sei, müsse auch im Zusammenhang mit der Baubewilligung einer Garagenerweiterung gelten. Zu den Ausführungen betreffend Nachsicht verweise er darauf, dass es wohl ein Billigkeitsgrund sei, wenn er den Anlegerbeitrag zu Unrecht bezahlen müsse, obwohl das Bauplatzverfahren tatsächlich objektiv nicht notwendig gewesen sei. Im Übrigen verweise er auf eine unglückliche Verkettung der Umstände im Hinblick auf den Grunderwerb durch seinen Großvater, welcher anstelle der "mit 640 m2 bauplatzerklärten Fläche nur 562 m2" erworben habe. Im Baubewilligungsbescheid sei bereits auf das geänderte Flächenmaß hingewiesen worden. Der Revisionswerber ersuche daher "um Vorlage meiner Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht, sofern nicht der Bescheid betreffend Bauplatzerklärung wie oben gem. $ 69 AVG beantragt, von Amts wegen aufgehoben wird."

10 Nach Wiedergabe verschiedener Rechtsvorschriften erwog das Landesverwaltungsgericht, im Verfahren habe sich die Frage gestellt, ob eine Vorschreibung nach dem S-ALG auf Grundstücke zulässig sei, die bereits zum Bauplatz erklärt seien und sich in weiterer Folge eine Änderung der Bauplatzerklärung ergebe, oder ob davon nur jene Anwendungsfälle umfasst seien, bei denen hinsichtlich der betreffenden Grundstücke noch keinerlei Bauplatzerklärung ausgesprochen worden sei.

11 Auf Ansuchen des Revisionswerbers sei mit Bescheid vom 9. Mai 2012 der bestehende Bauplatz auf dem Grundstück 567/52 an die tatsächlichen Grundgrenzen angepasst und ein Bauplatz von 562 m2 baubehördlich bewilligt worden. Damit sei ein neuer Bauplatz mit neuen Ausmaßen bewilligt worden. Es ändere nichts daran, dass die Fläche des neuen Bauplatzes zuvor schon zur Gänze Bauplatzeigenschaft gehabt habe. Im Hinblick auf die Bestimmung des § 24 des Salzburger Bebauungsgrundlagengesetzes handle es sich um eine Bauplatzerklärung, wenn § 24 Abs. 3 leg.cit. bestimme, dass auf die Genehmigung die Vorschriften über die Bauplatzerklärung sinngemäß Anwendung fänden. Um diese neue Bauplatzerklärung habe der Revisionswerber selbst angesucht. Ob sie notwendig gewesen wäre oder nicht, hätte nur im Bauplatzverfahren geklärt werden können. Somit könne es auch nicht als unbillig im Sinne des § 236 BAO gesehen werden, wenn er erstmalig für das in Rede stehende Grundstück (Bauplatz) Kanalherstellungskosten vorgeschrieben erhalte.

12 Das Landesverwaltungsgericht legte die dagegen erhobene Revision unter Anschluss von Akten des Verfahrens und eine von der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht eingebrachte Revisionsbeantwortung dem Verwaltungsgericht vor.

13 Der Revisionswerber erachtet sich im Recht auf "Nichtvorschreibung eines Beitrages bei nachträglicher Änderung des bestehenden Bauplatzes nach § 11 Abs. 2 des Salzburger Anliegerleistungsgesetzes" verletzt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

14 Eingangs ist gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Gründe des hg. Erkenntnisses vom 30. März 2017, Ra 2016/16/0023, zu verweisen. Nach der dort dargestellten Rechtslage war auch im vorliegenden Revisionsfall die Bauberufungskommission gemäß § 84 Abs. 2 des Salzburger Stadtrechtes 1966 zur Entscheidung über den vor dem 31. Dezember 2013 erlassenen Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 11. Oktober 2013 zuständig.

15 Gemäß § 243 BAO ist gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, Beschwerde (Bescheidbeschwerde) an die Verwaltungsgerichte zulässig.

16 Die Bescheidbeschwerde hat gemäß § 250 Abs. 1 BAO zu enthalten:

a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich

richtet;

b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid

angefochten wird;

c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;

d) eine Begründung.

17 Entspricht eine Beschwerde nicht den im § 250 Abs. 1 BAO umschriebenen Erfordernissen, ist nach § 85 Abs. 2 BAO die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt.

18 Wird einem solchen Mängelbehebungsauftrag nicht fristgerecht nachgekommen, ist die Bescheidbeschwerde gemäß § 278 Abs. 1 lit. b BAO mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes als zurückgenommen zu erklären.

19 Das Verwaltungsgericht, welchem keine den Erfordernissen des § 250 BAO entsprechende Beschwerde vorliegt, ist zu einer Sachentscheidung nicht zuständig. Trifft es eine solche dennoch, so belastet es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes (vgl. die stRsp zur insoweit vergleichbaren Rechtslage vor dem Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz, etwa VwGH 27.6.2013, 2010/15/0213, mwN).

20 Im vorliegenden Revisionsfall lässt die Beschwerde des Revisionswerbers nicht erkennen, welche Änderungen des bekämpften Bescheides der Bauberufungskommission er begehrt. Sein vorliegend auf die rechtskräftige Bauplatzerklärung (Bescheid vom 9. Mai 2012) gerichtetes Vorbringen enthält keinen Antrag betreffend den im Instanzenzug ergangenen Abgabenbescheid und gegen den Ausspruch über die Abweisung eines Antrages auf Nachsicht nach § 236 BAO.

21 Schon deshalb war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufzuheben.

22 Im Übrigen sei Folgendes bemerkt:

23 Nach der Aktenlage wurde der im Schriftsatz der Berufung gegen den Abgabenbescheid vom 11. Oktober 2013 erhobene (Eventual‑)Antrag auf Nachsicht der vorgeschriebenen Abgabe mit dem vor dem Verwaltungsgericht bekämpften Bescheid der Bauberufungskommission abgewiesen, ohne dass die Abgabenbehörde erster Instanz (der Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg) über diesen Antrag zuvor entschieden hätte. Für die Entscheidung über diesen Antrag wäre die Bauberufungskommission als Abgabenbehörde zweiter Instanz (§ 50 des Salzburger Stadtrechtes 1966 iVm § 84 Abs. 2 leg. cit.) nicht zuständig gewesen. Diese Unzuständigkeit wäre vom Verwaltungsgericht gegebenenfalls aufzugreifen.

24 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung.

Wien, am 19. Dezember 2017

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