VwGH Ra 2017/12/0062

VwGHRa 2017/12/006213.9.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrat Dr. Zens und Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die außerordentliche Revision des Mag. M H in W, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27. Februar 2017, Zl. W253 2139689- 1/5E, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde

i. A. Auskunftsersuchen (vor dem Bundesverwaltungsgericht belangte Behörde: Präsidentin des Rechnungshofes), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §56;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber steht als Ministerialrat i.R. in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund.

2 Mit Eingabe vom 27. Juni 2016 richtete er an den Präsidenten des Rechnungshofes ein Auskunftsersuchen, welches Fragen seines Aktivdienstverhältnisses bzw. in diesem Zusammenhang geltend gemachter Ansprüche betraf. Für den Fall einer Auskunftsverweigerung beantragte der Revisionswerber, gestützt auf § 4 des Auskunftspflichtgesetzes, BGBl. Nr. 287/1987, die Erlassung eines Bescheides.

3 Darauf erging am 18. August 2016 an ihn folgende Erledigung:

"Sehr geehrter Herr Ministerialrat i.R.,

der Rechnungshof teilt bezüglich Ihres Schreibens vom 27. Juni 2016 betreffend Auskünfte nach dem Auskunftspflichtgesetz mit, dass Ihrem Begehren um Auskünfte aus rechtlichen Gründen (insbesondere wegen ‚anhängiger Verfahren' und Verschwiegenheitspflichten) nicht nachgekommen werden kann.

Mit freundlichen Grüßen

Für die Präsidentin:

Dr. X"

4 Die vom Revisionswerber gegen diese Erledigung erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig zurückgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Gestützt auf näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere auf das hg. Erkenntnis vom 28. April 2011, 2010/11/0224, vertrat das Bundesverwaltungsgericht die Rechtsauffassung, die angefochtene Erledigung stelle (mangels Bescheidbezeichnung, mangels bescheidförmiger Gliederung und infolge ihrer Fassung als "Mitteilung") keinen Bescheid dar.

6 Eine grundsätzliche Rechtsfrage liege insbesondere deshalb nicht vor, weil die Frage der Bescheidqualität der angefochtenen Erledigung durch die vorzitierte Rechtsprechung geklärt sei.

7 Gegen diesen Beschluss richtet sich die außerordentliche Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof, welche sich jedoch aus folgenden Gründen als unzulässig erweist:

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Hat das Verwaltungsgericht - wie im gegenständlichen Fall - ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof hingegen nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 In der abgesonderten Zulassungsbegründung wird als grundsätzliche Rechtsfrage aufgeworfen, ob das Bundesverwaltungsgericht die Bescheidqualität der mit Beschwerde angefochtenen Erledigung zu Recht verneint hat. Nach Auffassung des Revisionswerbers sei die Normativität der Erledigung zu bejahen; insbesondere stehe der angefochtene Beschluss im Widerspruch zum hg. Erkenntnis vom 30. April 2013, 2012/05/0110.

12 Dem ist zunächst zu erwidern, dass die Frage, ob eine nicht als Bescheid bezeichnete Erledigung auf Grund ihres konkreten Erscheinungsbildes, insbesondere ihres konkreten Aufbaues und ihrer konkreten sprachlichen Fassung als Bescheid zu beurteilen ist, eine einzelfallbezogene Auslegungsfrage darstellt (vgl. in diesem Zusammenhang zur inhaltlichen Interpretation von Bescheiden den hg. Beschluss vom 21. Dezember 2016, Ra 2016/12/0103, sowie zur Frage der die Bescheidqualität betreffenden Lesbarkeit der Unterschrift den hg. Beschluss vom 7. Oktober 2016, Ra 2016/08/0147).

13 Die bei der einzelfallbezogenen Prüfung der Bescheidqualität einer Erledigung zu beachtenden Leitlinien sind durch umfangreiche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt. Sie wurden etwa im hg. Beschluss vom 11. Oktober 2006, 2006/12/0055, wie folgt zusammengefasst:

"Die angefochtene Erledigung der belangten Behörde ist weder als Bescheid bezeichnet noch weist sie die Gliederung eines Bescheides nach Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung auf.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid aber nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend, eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat. Der normative Inhalt muss sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, also in diesem Sinn auch aus der Form der Erledigung, ergeben. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen u.dgl. können nicht als verbindliche Erledigung, also nicht als Spruch im Sinne des § 58 Abs. 1 AVG gewertet werden (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A, ...).

Bei Zweifeln über den Inhalt kommt auch der sonstigen Form der Erledigung entscheidende Bedeutung zu, und zwar etwa dem Gebrauch der Höflichkeitsfloskel (‚Sehr geehrte Frau ...') oder der Wendung ‚... teilt Ihnen mit ...'. Aus einer solchen Form einer Erledigung ist zu schließen, dass kein Bescheid, sondern

eine nicht normative Willenserklärung vorliegt ... .

Mangelt nun der Erledigung vom 20. Februar 2006 schon die Bezeichnung als Bescheid und die für einen Bescheid gebotene Gliederung, so sprechen überdies auch die von der belangten Behörde verwendete Anrede der Beschwerdeführerin (‚Sehr geehrte Frau Beschwerdeführerin!') sowie die weitere Wortwahl (... Bezugnehmend auf Ihren Antrag vom 6. September 2005 auf Erhöhung des Beschäftigungsausmaßes ist aus dienstrechtlicher Sicht Folgendes festzuhalten: ... Ihrem Begehren vom 6. September 2005

... stehen daher wesentliche dienstliche Interessen ... entgegen,

sodass diesem nicht entsprochen werden kann.') gegen die Annahme, dass die belangte Behörde das Ansuchen der Beschwerdeführerin mit der angefochtenen Erledigung schon in normativer Weise erledigen wollte."

14 Auf Grundlage der vorzitierten Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Bundesverwaltungsgericht die hier in Rede stehende einzelfallbezogene Rechtsfrage jedenfalls vertretbar gelöst.

15 Anders als der Revisionswerber meint, steht diese Lösung auch nicht in Widerspruch zu jener, zu welcher der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 30. April 2013, 2012/05/0110, einzelfallbezogen gelangte. Dies folgt insbesondere daraus, dass der vom Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis als entscheidend für die Normativität der dort gegenständlichen (nicht als Bescheid bezeichneten) Erledigung angesehene Satz "Dem Ersuchen ... kann daher nicht Folge geleistet werden" (vgl. zur Normativität eines ähnlich formulierten Satzes auch den hg. Beschluss vom 29. Mai 2001, 98/03/0007) in der hier vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochtenen Erledigung nicht enthalten ist. Vielmehr ist im hier gegenständlichen Fall der Umstand, dass dem Begehren des Revisionswerbers "nicht nachgekommen werden könne", in ein und demselben Satz ausdrücklich als Mitteilung bezeichnet, während in dem vom Revisionswerber ins Treffen geführten Fall der normative Teil der Erledigung offenbar als Konsequenz und nicht als Teil der dort lediglich im Vorabsatz enthaltenen "Mitteilung" qualifiziert wurde.

16 Dieser Vorabsatz enthielt darüber hinaus eine in sich schlüssige rechtliche Begründung, welche im Falle ihrer inhaltlichen Richtigkeit geeignet wäre, eine bescheidförmige Versagung des dort gestellten Auskunftsersuchens zu tragen, während die hier angefochtene Erledigung lediglich nebulose Hinweise auf "anhängige Verfahren" und "Verschwiegenheitspflichten" enthält, die nicht ansatzweise den Charakter einer Bescheidbegründung beanspruchen können.

17 Aus diesen Gründen war die Revision wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung geeignet und daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

18 Die Präsidentin des Rechnungshofes wird allerdings nachdrücklich auf die aus § 4 des Auskunftspflichtgesetzes resultierende Verpflichtung zur bescheidförmigen Entscheidung über das Auskunftsersuchen des Revisionswerbers hingewiesen.

Wien, am 13. September 2017

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