VwGH Ro 2017/07/0004

VwGHRo 2017/07/000430.3.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie die Hofrätin Dr. Hinterwirth und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revision 1. des P M in S und

2. des A L in D, beide vertreten durch die Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in 8010 Graz, Hilmgasse 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21. November 2016, Zl. W113 2138636-1/2E, betreffend Begehren auf Mitteilung nach dem Umweltinformationsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), den Beschluss gefasst:

Normen

32003L0004 Umweltinformationen-RL Art2 Z1 litc;
32003L0004 Umweltinformationen-RL Art2 Z1;
32003L0004 Umweltinformationen-RL;
AVG §8;
EURallg;
UIG 1993 §2 Z1;
UIG 1993 §2 Z2;
UIG 1993 §2 Z3;
UIG 1993 §2;
UVPG 2000 §19 Abs7;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerber haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 21. November 2016 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht durch Abweisung einer Beschwerde der Revisionswerber den Bescheid der belangten Behörde vom 13. September 2016, mit dem ein auf § 4 Abs. 1 Umweltinformationsgesetz - UIG gestützter Antrag der Revisionswerber auf Übermittlung und Bekanntgabe der Bescheide betreffend die Anerkennung der beiden Organisationen "Umweltverband W" und "Ö" als Umweltorganisationen nach § 19 Abs. 7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 - UVP-G 2000 abgewiesen worden war.

2 Im Kern begründete das Bundesverwaltungsgericht diese Entscheidung damit, dass es sich bei den vom Mitteilungsbegehren der Revisionswerber betroffenen Anerkennungsbescheiden nach § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 nicht um Umweltinformationen im Sinn des § 2 UIG handle. Mit der Anerkennung als Umweltorganisation gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 könne diese ihre Parteienrechte in Verfahren nach dem UVP-G 2000 wahrnehmen. Die von den Revisionswerbern begehrte Information betreffe somit eine rein verfahrensrechtliche Frage, der im jeweiligen konkreten Verfahren Bedeutung zukomme.

3 Die Anerkennungsbescheide seien auch nicht etwa Maßnahmen, die sich auf Umweltbestandteile oder -faktoren auswirkten oder wahrscheinlich auswirkten, oder Maßnahmen oder Tätigkeiten zu deren Schutz im Sinn des § 2 Z. 3 UIG, wie die Revisionswerber meinten; die gegenständlich sehr abstrakte Möglichkeit einer Auswirkung - etwa, wenn die Umweltorganisation in einem künftigen UVP-Verfahren ihre Parteistellung wahrnehme und auf die Vorschreibung von Auflagen hinwirke oder die Abweisung eines Genehmigungsantrags erwirke - reiche als "Maßnahme" nicht aus, um die Einordnung als "Umweltinformation" zu erlangen. Daher habe die belangte Behörde die von den Revisionswerbern begehrte Auskunft zu Recht verweigert.

4 Die Revision gegen dieses Erkenntnis ließ das Bundesverwaltungsgericht mit der Begründung zu, dass es zwar Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des EuGH zu der Frage gebe, was vom Begriff der "Umweltinformation" erfasst sei; Rechtsprechung zu der "konkreten Frage, ob es sich bei den Anerkennungsbescheiden von Umweltorganisationen nach dem UVP-G 2000 um Umweltinformationen handelt", fehle jedoch.

5 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

8 3. Nach der gefestigten hg. Rechtsprechung hat der Revisionswerber auch in der ordentlichen Revision von sich aus die im Lichte des Art. 133 Abs. 4 B-VG maßgeblichen Gründe für die Zulässigkeit der Revision darzulegen, sofern er der Auffassung ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. etwa die zahlreichen Nachweise bei Eder/Martschin/Schmid, Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, E 178 zu § 28 VwGG).

9 4. Weder in der Zulassungsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts noch in den Zulassungsausführungen der Revision wird eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG dargelegt:

10 4.1. So führt das Bundesverwaltungsgericht in seiner Zulassungsbegründung zutreffend aus, dass es Rechtsprechung zu der Frage gibt, was vom Begriff der "Umweltinformation" umfasst ist. Entgegen der vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Auffassung wirft die Anwendung dieser Rechtsprechung auf die im konkreten Fall zu entscheidende Frage, ob Anerkennungsbescheide im Sinn des § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 Umweltinformationen im Sinn des § 2 UIG darstellen, - wie im Folgenden zu zeigen ist - keine grundsätzliche Rechtsfrage auf.

11 4.2. Die von den Revisionswerbern erstatteten Zulässigkeitsausführungen behaupten (unter Hinweisen auf näher genannte Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs) ein "deutliches Abgehen" des Bundesverwaltungsgerichtes von der "konsistenten Judikaturlinie", nach der der Begriff der Umweltinformationen generell weit zu interpretieren sei und die Erteilung von Informationen die Regel und die Verweigerung die Ausnahme darzustellen habe, wobei bereits die "Möglichkeit einer Auswirkung auf die Umwelt" ausreiche, um von einer Umweltinformation auszugehen.

12 4.3. Zur Beurteilung, ob es sich bei den genannten Anerkennungsbescheiden um Umweltinformationen handelt oder nicht, ist § 2 Z. 3 UIG in den Blick zu nehmen.

13 Danach sind Umweltinformationen (u.a.) sämtliche Informationen über Maßnahmen (einschließlich Verwaltungsmaßnahmen), wie z.B. Verwaltungsakte, die sich auf die in § 2 Z. 1 und 2 UIG genannten Umweltbestandteile und Umweltfaktoren auswirken oder wahrscheinlich auswirken, sowie Maßnahmen oder Tätigkeiten zu deren Schutz.

14 § 2 Z. 1 UIG nennt den "Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Land, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Berggebiete, Feuchtgebiete, Küsten und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich genetisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen".

15 § 2 Z. 2 UIG nennt "Faktoren wie Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung oder Abfall einschließlich radioaktiven Abfalls, Emissionen, Ableitungen oder sonstiges Freisetzen von Stoffen oder Organismen in die Umwelt, die sich auf die in Z. 1 genannten Umweltbestandteile auswirken oder wahrscheinlich auswirken".

16 4.4. Mit dem in § 2 UIG normierten Begriff der "Umweltinformationen" wurde die unionsrechtliche Vorgabe durch Art. 2 Z. 1 der Richtlinie 2003/4/EG vom 28. Jänner 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen nahezu wörtlich übernommen. In diesem Zusammenhang weisen die Revisionswerber zutreffend daraufhin, dass dem Begriff der "Umweltinformationen" das weite Verständnis sowie die Zielrichtung der Umweltinformationsrichtlinie, wonach die Bekanntgabe von Informationen der Regelfall sein sollte, zugrunde zu legen sind (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 29. Mai 2008, Zl. 2006/07/0083 = VwSlg. 17.469A, sowie vom 26. November 2015, Zl. Ra 2015/07/0123).

17 Dessen ungeachtet sind die vorliegenden Anerkennungsbescheide gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 als "Verwaltungsmaßnahmen" anhand der Begriffsbestimmung des § 2 Z. 3 UIG (in Umsetzung von Art. 2 Z. 1 lit. c der Richtlinie 2003/4/EG ) zu beurteilen, sodass für ihre mögliche Qualifikation als Umweltinformationen entscheidend ist, ob sich diese Verwaltungsakte auf die in § 2 Z. 1 UIG genannten Umweltbestandteile oder die in § 2 Z. 2 UIG genannten Umweltfaktoren auswirken oder wahrscheinlich auswirken oder dem Schutz dieser Umweltbestandteile und Umweltfaktoren dienen.

18 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits - gestützt auf Rechtsprechung des EuGH - ausgesprochen, dass die in Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben erlassenen Bestimmungen des UIG nicht bezwecken, ein allgemeines und unbegrenztes Zugangsrecht zu allen bei den Behörden verfügbaren Informationen zu gewähren, die "auch nur den geringsten Bezug zu einem Umweltgut aufweisen". Informationen sind allerdings dann zugänglich zu machen, wenn sie - bezogen auf § 2 Z. 3 UIG - Tätigkeiten oder Maßnahmen betreffen, die sich auf die maßgeblichen Umweltgüter auswirken oder wahrscheinlich auswirken, also diesbezüglich "zumindest beeinträchtigend wirken können" (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Mai 2014, Zl. 2010/03/0035 = VwSlg. 18.421A, sowie vom 16. März 2016, Zl. Ra 2015/10/0113).

19 Die vorliegend angefochtene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes steht mit dieser Rechtsprechung im Einklang, weil die hier zu beurteilenden Anerkennungsbescheide gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 tatsächlich keine Verwaltungsmaßnahmen darstellen, welche sich auf die maßgeblichen Umweltgüter im Sinn des § 2 Z. 1 und 2 UIG beeinträchtigend auswirken können, vermitteln diese Anerkennungsbescheide doch lediglich einer Umweltorganisation - mit konstitutiver Wirkung - die Stellung als Formalpartei in Genehmigungsverfahren nach dem UVP-G 2000, wobei dies von der UVP-Behörde mit Blick auf die Voraussetzungen für eine Umweltorganisation gemäß § 19 Abs. 6 UVP-G 2000 zu begründen ist (vgl. dazu etwa N.Raschauer in Ennöckl/N.Raschauer/Bergthaler, UVP-G3, Rz 114 ff zu § 19).

20 4.5. Dem entsprechend sind auch die in den Zulässigkeitsausführungen der Revision genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht geeignet, eine Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses von der hg. Rechtsprechung darzulegen, weil die in jenen Fällen behandelten Begehren auf Mitteilung von Umweltinformationen jeweils Unterlagen betrafen, die mit den hier gegenständlichen Anerkennungsbescheiden nach § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 nicht vergleichbar sind.

21 So behandelte etwa das bereits erwähnte Erkenntnis zur Zl. 2006/07/0083 einen verschiedene Teilexpertisen zusammenfassenden Arbeitsbericht, der die Grundlage für die weitere Beurteilung ökonomischer, sozialer und ökologischer Auswirkungen verschiedener, von einer Wasserkraftgesellschaft vorgeschlagener Optionen für den Wasserkraftausbau in Tirol bildete. Das auch ins Treffen geführte, bereits angeführte Erkenntnis zur Zl. Ra 2015/07/0123 betraf einen Antrag auf Herausgabe und Übermittlung einer bestimmten Stellungnahme eines Unternehmens in einem Verwaltungsstrafverfahren, in der sich dieses umfangreich und mit Fotos und Urkunden belegt zu dem Vorwurf äußerte, es habe unberechtigterweise in einem Moor die Umwelt beeinträchtigende Maßnahmen gesetzt.

22 Somit weist die belangte Behörde in ihrer Revisionsbeantwortung durchaus zutreffend darauf hin, dass die von den Revisionswerbern genannten Judikate überwiegend Unterlagen von - vor allem anlagenbezogenen - Verwaltungsverfahren betreffen, die "nachvollziehbarerweise Umweltinformationen darstellen können".

23 5. Die Revision war daher zurückzuweisen.

24 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 30. März 2017

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