Normen
AVG §7;
JagdG Slbg 1993 §138;
JagdG Slbg 1993 §158 Abs1 Z13a;
JagdG Slbg 1993 §65 Abs3;
MRKZP 07te Art4;
VwGVG 2014 §6;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017030020.L00
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg vom 28. Oktober 2015 wurde dem Revisionswerber eine Übertretung von
§ 65 Abs 3 des Salzburger Jagdgesetzes 1993 (JG) in Verbindung mit
§ 5 der Salzburger Wildfütterungsverordnung zur Last gelegt und
über ihn gemäß § 158 Abs 1 Z 13a JG eine Geldstrafe von EUR 600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 200 Stunden) verhängt.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab; eine Revision erklärte das LVwG für nicht zulässig.
3 Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, das Verwaltungsgericht gehe - aus näher dargestellten Gründen - davon aus, dass der Revisionswerber am 23. Dezember 2013 in einem näher umschriebenen Jagdgebiet einen Futtertrog mit Kraftfutter (Pellets) beschickt habe, um Wild anzulocken und es in der Folge zu erlegen. Es stehe für das LVwG auch fest, dass die vom Revisionswerber durchgeführte Fütterung klar zum Zwecke der Abschusserfüllung erfolgt sei. Dadurch habe der Revisionswerber gegen das Fütterungsverbot nach § 5 der Salzburger Wildfütterungsverordnung verstoßen.
4 Eine vom Revisionswerber monierte Doppelbestrafung liege nicht vor. Zwar sei der Revisionswerber wegen des gegenständlichen Vorfalls auch vom Ehrengericht der Salzburger Jägerschaft wegen Verletzung der Jägerehre bestraft worden. Mit dem gegenständlichen Straferkenntnis sei dem Revisionswerber hingegen eine verbotene Fütterung von Rotwild in einer Rotwildrandzone angelastet worden. Dieses Fütterungsverbot sei nicht vor dem Hintergrund der Verletzung der Jägerehre, sondern vor dem Hintergrund zu sehen, dass damit eine ungewollte Wildlenkung und der Eintritt von Wildschäden verhindert werden solle.
5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung mit Beschluss vom 23. Oktober 2016, E 943/2016-8, abgelehnt und die dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten wurde.
6 In der nun vorliegenden außerordentlichen Revision wird im Wesentlichen geltend gemacht, die angefochtene Entscheidung weiche vom Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zur Zl 2007/03/0139 ab, wonach nicht jedes Füttern von Rotwild außerhalb der genehmigten Fütterungsanlagen das Betreiben einer Lockfütterung darstelle. Auch liege eine unzulässige Doppelbestrafung vor. Die Sachverhaltselemente in dem vorangegangenen jagdrechtlichen Disziplinarverfahren und dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren seien ident gewesen und es sei jeweils auf dieselbe Norm, nämlich auf § 5 Salzburger Wildfütterungsverordnung, Bezug genommen worden. Auch müsse der Richter, der in beiden Verfahren entschieden habe, als befangen angesehen werden, weil eine unterschiedliche Beweiswürdigung und Beurteilung des Sachverhaltes in den beiden Verfahren aufgrund der Personenidentität des entscheidenden Richters nicht habe erwartet werden können.
7 Die Bezirkshauptmannschaft Tamsweg hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage in Bezug auf den behaupteten Befangenheitsgrund und die Doppelbestrafung zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
10 Vorweg ist festzuhalten, dass das Vorbringen der Revision, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Strafbarkeit einer Kirrfütterung ab, nicht zutrifft. Der Revision ist zwar zuzustimmen, dass § 5 der Salzburger Wildfütterungsverordnung Fütterungen außerhalb von Futterplätzen (§ 66 JG) oder Wildwintergatter (§ 67 JG) zum Zweck der Abschusserfüllung untersagt. Allerdings übersieht die Revision, dass das LVwG dem Revisionswerber eben diesen Vorwurf gemacht hat, also insbesondere davon ausgegangen ist, dass die vom Revisionswerber vorgenommene Fütterung dem Zweck der Abschusserfüllung gedient hat.
11 Soweit die Revision die Befangenheit des Richters geltend macht und von einer unzulässigen Doppelbestrafung des Revisionswerbers ausgeht, ist ihr Folgendes zu erwidern:
12 Im vorliegenden Fall hat derselbe Richter im Zusammenhang mit dem umstrittenen Vorfall die Rechtsmittelentscheidungen in zwei Verfahren getroffen.
Er hat zunächst mit Erkenntnis vom 9. Juni 2015, LVwG-1/268/9- 2015, die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Ehrengerichts der Salzburger Jägerschaft vom 10. Juni 2014 als unbegründet abgewiesen. In diesem Verfahren war dem Revisionswerber wegen der verbotenen Kirrfütterung vom 23. Dezember 2013 eine Verletzung der Jägerehre nach § 138 JG vorgeworfen und mit einer Geldbuße von EUR 1.000,-- geahndet worden.
Mit dem nun angefochtenen Erkenntnis bestätigte der Richter das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg vom 28. Oktober 2015, mit dem der Revisionswerber - aus demselben Vorfall - eines Verstoßes gegen das Verbot von Kirrfütterung nach § 65 Abs 3 JG in Verbindung mit § 5 der Salzburger Wildfütterungsverordnung schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe von EUR 600,-- verhängt worden ist.
In beiden Verfahren hatte der Revisionswerber die verbotene Kirrfütterung bestritten, ihm war jedoch vom Richter kein Glauben geschenkt worden. Dabei stützte sich der Richter im vorliegenden Verfahren insbesondere auf die Einvernahmen von den Revisionswerber belastenden Zeugen im vorangegangenen Beschwerdeverfahren LVwG-1/268/9-2015, die ihn schon in der früheren Entscheidung dazu veranlasst hatten, die Beteuerungen des Revisionswerbers als "bloße Schutzbehauptungen" zu werten.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EGMR und die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes wiederholt darauf hingewiesen, dass es sich bei Disziplinarverfahren nicht um Verfahren über eine "strafrechtliche Anklage" im Sinne der EMRK handelt. Insbesondere die Ahndung der Verletzung von jagdrechtlichen Standespflichten hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung - mit näherer Begründung, auf die gemäß § 43 Abs 2 VwGG verwiesen wird - neben einer verwaltungsbehördlichen Bestrafung als zulässig erachtet und darin keinen Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot nach Art 4 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK gesehen (vgl zum Ganzen VwGH vom 24. September 2014, Ra 2014/03/0001, mwN).
14 Aber selbst wenn entgegen dieser Rechtsprechung auch in der Bestrafung durch das Ehrengericht der Salzburger Jägerschaft eine "strafrechtliche Anklage" im Sinne der EMRK gesehen würde, läge ein Verstoß gegen Art 4 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK nicht vor:
Der EGMR hat in seiner Rechtsprechung zu Art 4 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK Kriterien entwickelt, nach denen die Frage der Doppelbestrafung zu prüfen und zu beurteilen ist. Jüngst (EGMR vom 15. November 2016 (Große Kammer), A und B/Norwegen, 24130/11, RNr 131 bis 134) hat er seine Judikatur wie folgt zusammengefasst: Werden gegen eine Person aus ein- und demselben Vorfall von verschiedenen Behörden in verschiedenen Verfahren mehrere Sanktionen verhängt, die als Strafen im Sinne der EMRK angesehen werden können, so liegt kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot vor, wenn ein ausreichend enger Zusammenhang zwischen den Verfahren gegeben war, und zwar sowohl inhaltlich ("in substance") als auch zeitlich ("in time"). Bei einem solchen engen Zusammenhang kann nämlich nicht davon gesprochen werden, dass der Betroffene nach einer endgültigen Entscheidung wegen derselben Sache nochmals bestraft worden ist. Die Verfahren werden vielmehr als Einheit betrachtet.
15 Um von einem ausreichend engen inhaltlichen Zusammenhang ausgehen zu können, sind nach der Rechtsprechung des EGMR mehrere Faktoren entscheidend: Zum einen ist maßgeblich, ob die verschiedenen Verfahren auch verschiedene Zwecke verfolgen und damit, nicht bloß abstrakt, sondern auch konkret, verschiedene Aspekte des in Rede stehenden Fehlverhaltens sanktioniert werden. Zum anderen ist zu beachten, ob die unterschiedlichen Verfahren für den Beschuldigten vorhersehbar waren, ob die Verfahren so aufeinander abgestimmt sind, dass eine doppelte Beweisaufnahme und unterschiedliche Beweiswürdigung möglichst vermieden bzw Beweisergebnisse in den jeweils anderen Verfahren berücksichtigt werden, und, vor allem, ob die später auferlegte Sanktion auf die bereits erfolgten vorangegangen Sanktionen Bedacht nimmt, sodass die Gesamtstrafe als verhältnismäßig anzusehen ist. Selbst wenn diese inhaltlichen Kriterien erfüllt sind, ist zusätzlich erforderlich, dass zwischen den in Rede stehenden Verfahren ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht, also die Verfahren möglichst gleichzeitig geführt und abgeschlossen werden.
16 Fallbezogen verfolgten die Bestrafungen des Revisionswerbers im jagdrechtlichen Disziplinarverfahren durch das Ehrengericht der Salzburger Jägerschaft und im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren unterschiedliche Zwecke, die vom LVwG zutreffend aufgezeigt wurden. Die beiden Verfahren waren für den Revisionswerber aufgrund ihrer gesetzlichen Determinierung auch vorhersehbar und es wurde insgesamt für die erhobenen Vorwürfe keine Strafe verhängt, die unverhältnismäßig wäre. Auch zeitlich lagen die beiden Verfahren nicht allzu weit auseinander. All das spricht dafür, in der Ahndung des Disziplinarverstoßes und der Verwaltungsübertretung ein einheitliches Verfahren zu sehen.
17 Für ein einheitliches Verfahren im Sinne des bisher Gesagten spricht nach dem bisher Gesagten auch, wenn die Beweisergebnisse der - formal getrennten - Verfahren wechselseitig verwendet werden und eine unterschiedliche Beweiswürdigung möglichst vermieden wird. Eben das ist im gegenständlichen Verfahren durch die Entscheidung ein- und desselben Richters und die Verwertung der im jagdrechtlichen Disziplinarverfahren gewonnenen Beweise im Verwaltungsstrafverfahren geschehen. Wird daher von einem einheitlichen Verfahren im Sinne der Rechtsprechung des EGMR ausgegangen, kann dem Einwand des Revisionswerbers, es liege aufgrund der Personenidentität des Richters im jagdrechtlichen Disziplinarverfahren und im Verwaltungsstrafverfahren der Anschein der Befangenheit vor, keine Berechtigung zukommen und erweist sich die Rechtsprechung des EGMR zur (objektiven) Befangenheit eines Richters, der in zwei unterschiedlichen Funktionen ein und dieselbe Causa beurteilt (vgl etwa EGMR vom 27. Februar 2013, GoluboviC/Kroatien, 43947/10; und vom 7. Jänner 2016, Gerovska Pop?evska/Mazedonien, 48783/07) in einer Konstellation wie der vorliegenden als nicht einschlägig.
18 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs 2 VwGG gebildeten Senat als unbegründet abzuweisen.
19 Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 11. Oktober 2017
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