VwGH Ra 2017/01/0127

VwGHRa 2017/01/012720.6.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Fasching, und Mag. Brandl sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision der D U in W, vertreten durch Dr. Thomas Neugschwendtner, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 6. Februar 2017, Zl. VGW-151/080/7934/2016, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §293 Abs1;
ASVG §293;
StbG 1985 §10 Abs5 idF 2013/I/136;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017010127.L00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen (im Säumniswege) ergangenen Erkenntnis wurde der Antrag der Revisionswerberin, einer Staatsangehörigen der Philippinen, vom 31. März 2015 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 und Abs. 5 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) abgewiesen (I.). Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt (II.).

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die 1983 geborene Revisionswerberin halte sich zumindest seit 15. Juli 2007 rechtmäßig in Österreich auf. Ihr Ehegatte - ebenfalls ein philippinischer Staatsangehöriger - sei "im Jahr 2011" nach Österreich gekommen. Die Revisionswerberin lebe seither mit ihrem Ehemann sowie der im Jahr 2003 geborenen gemeinsamen Tochter im gemeinsamen Haushalt; 2014 sei die zweite gemeinsame Tochter zur Welt gekommen, die ebenfalls im Familienhaushalt wohne. Der Lebensunterhalt der Revisionswerberin im Sinne des § 10 Abs. 5 StbG sei nicht hinreichend gesichert, weil das (näher festgestellte) relevante Einkommen - knapp - unter den maßgeblichen Richtsätzen des § 293 ASVG gelegen sei. Im Falle der Revisionswerberin sei im Hinblick auf ihre aufrechte Ehe sowie den gemeinsamen Haushalt der Ehegatten und ihrer beiden Kinder der "Haushaltsrichtsatz" nach § 293 ASVG der letzten drei Jahre vor dem Antragszeitpunkt maßgeblich. Dieser werde durch das Einkommen der Revisionswerberin nicht erreicht. Dass die Revisionswerberin in den Jahren 2009 und 2010 (in aufrechter Ehe) als Einzelperson im Haushalt gelebt habe, stehe der Anwendung des "Haushaltsrichtsatzes" nicht entgegen.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die gegenständliche außerordentliche Revision.

4 Die Revision bestreitet die Feststellungen zur Einkommenshöhe der Revisionswerberin nicht. Sie bringt in den Zulässigkeitsgründen aber vor, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts seien gemäß § 10 Abs. 5 StbG die letzten drei Jahre vor dem Antragszeitpunkt nur in Bezug auf die Höhe des maßgeblichen Einkommens von Bedeutung, nicht aber für die Frage, ob der Richtsatz für eine Einzelperson, ein Ehepaar oder eine mehrköpfige Familie heranzuziehen sei. Die Revisionswerberin habe in den Jahren 2009 und 2010 weder mit ihrem Ehemann noch den gemeinsamen Kindern im gemeinsamen Haushalt gelebt und an diese in diesem Zeitraum auch keine Unterhaltszahlungen geleistet. Für die Jahre 2009 und 2010 sei in Bezug auf die Revisionswerberin daher der (niedrigere) Richtsatz für Alleinstehende maßgeblich. Bei Berücksichtigung dieses Richtsatzes hätte das durchschnittliche Einkommen den Durchschnitt der Richtsätze überschritten.

5 Als Revisionspunkt macht die Revisionswerberin die Verletzung in ihrem Recht auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft geltend.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 § 10 Abs. 1 Z 7 und Abs. 5 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. 311/1985, in der maßgeblichen Fassung BGBl. I. Nr. 136/2013 (StbG), lauten:

"Verleihung

§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn

...

7. sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist oder der

Fremde seinen Lebensunterhalt aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen dauerhaft nicht oder nicht in ausreichendem Maße sichern kann und

...

(5) Der Lebensunterhalt (Abs. 1 Z 7) ist dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt im Durchschnitt von 36 Monaten aus den letzten sechs Jahren vor dem Antragszeitpunkt vom Fremden nachgewiesen werden, wobei jedenfalls die letzten geltend gemachten sechs Monate unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt liegen müssen. Im geltend gemachten Zeitraum müssen die eigenen Einkünfte des Fremden ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach dem Durchschnitt der Richtsätze des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, der letzten drei Jahre entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und durch Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1986, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. Wird in den letzten geltend gemachten sechs Monaten unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt Kinderbetreuungsgeld gemäß den Bestimmungen des Kinderbetreuungsgeldgesetzes - KBGG, BGBl. I. Nr. 103/2001 bezogen, so gilt in dem Zeitraum in dem Kinderbetreuungsgeld bezogen wird, der Lebensunterhalt jedenfalls als hinreichend gesichert.

..."

7 Die Revision spricht in den Zulässigkeitsgründen die Frage an, ob nach § 10 Abs. 5 StbG (wie beim Einkommen) auch hinsichtlich der heranzuziehenden Richtsätze auf einen - aus unterschiedlichen Richtsätzen bestehenden und sohin für den Verleihungswerber gegebenenfalls günstigeren - Durchschnittswert von 36 Monaten aus den letzten sechs Jahren abzustellen ist.

8 Die Revision ist zulässig, weil damit eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 133 Abs. 4 B-VG aufzeigt wird. Sie ist aber nicht begründet.

9 Durch die Novelle BGBl. I Nr. 136/2013 wurde in § 10 Abs. 5 StbG der Durchrechnungszeitraum dahingehend adaptiert, dass der Verleihungswerber den hinreichend gesicherten Lebensunterhalt im Durchschnitt der letzten 36 Monate aus den letzten sechs Jahren vor dem Antragszeitpunkt - und nicht mehr: vor dem Entscheidungszeitpunkt - nachweisen muss. Mit dieser Adaptierung sollte - ausweislich der Gesetzesmaterialien - klargestellt werden, dass die geltend gemachten Monate aus den letzten sechs Jahren beliebig vom Fremden in diesem Durchrechnungszeitraum gewählt werden können, wobei die letzten sechs Monate unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt, jedenfalls vom Fremden geltend zu machen sind. Darüber hinaus wird verdeutlicht, dass die eigenen Einkünfte des Fremden ihm lediglich in den 36 geltend gemachten Monaten eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen zu ermöglichen haben (vgl. RV 2303 BlgNR 24. GP , 71).

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits klargestellt, dass mit dieser Novelle lediglich der erste Satz des § 10 Abs. 5 StbG geändert wurde. Der zweite Satz dieser Bestimmung und damit auch die Wortfolge "der letzten drei Jahre" wurde in seinem Wortlaut unverändert gelassen. Aus systematischen Erwägungen sowie mit Blick auf die Gesetzesmaterialien ergibt sich aber auch für den zweiten Satz ein Abstellen auf den Antragszeitpunkt (als entscheidenden Zeitpunkt für den Nachweis des Lebensunterhaltes in den davor liegenden drei Jahren). Zusammenfassend ist festzuhalten, dass § 10 Abs. 5 dahingehend auszulegen ist, dass die Richtsätze des § 293 ASVG der letzten drei Jahre vor dem Antragszeitpunkt heranzuziehen sind (vgl. den hg. Beschluss vom 15. März 2016, Ro 2015/01/0014).

11 Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber nach dem Wortlaut der Novelle BGBl. I Nr. 136/2013 lediglich den Nachweis der nach § 10 Abs. 5 StbG maßgeblichen ("festen und regelmäßigen eigenen") Einkünfte des Verleihungswerbers neu geregelt hat, indem er dem Verleihungswerber die Möglichkeit eröffnet hat, die "einkommensstärksten" Monate aus den letzten sechs Jahren vor Antragstellung für die Ermittlung des durchschnittlichen Einkommens geltend zu machen. Auf den Zusammenhang zwischen dem nach (nach Satz eins) "geltend gemachten Zeitraum" und den "eigenen Einkünften" stellt auch Satz zwei leg. cit. ab.

12 Die Frage der maßgeblichen Richtsätze des § 293 ASVG - denen das solcherart ermittelte Durchschnittseinkommen gegenüber zu stellen ist - wurde durch die genannte Novelle hingegen nicht berührt; aus dem Regelungskontext ergibt sich - wie erwähnt - lediglich, dass nunmehr auch in Bezug auf die dreijährige Durchschnittsberechnung der heranzuziehenden Richtsätze der Antragszeitpunkt ausschlaggebend ist.

13 Für die Frage, welcher Richtsatz gemäß § 293 Abs. 1 ASVG zur Berechnung des notwendigen Einkommens nach § 10 Abs. 5 StbG heranzuziehen ist, sind daher (weiterhin) die tatsächlichen Lebensumstände des Verleihungswerbers in den letzten drei Jahren (nunmehr: vor Antragstellung) maßgeblich. Für diesen Zeitraum hat die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht Feststellungen zum tatsächlichen Zusammenleben der betreffenden Personen zu treffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. März 2012, 2010/01/0065).

14 Bei Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes - in den letzten drei Jahren vor Antragstellung - ist sohin unter Berücksichtigung der zu versorgenden Personen zu prüfen, ob das Haushaltseinkommen den Durchschnitt des "Haushaltsrichtsatzes" nach § 293 Abs. 1 ASVG erreicht. Ehegatten und minderjährige Kinder, die Unterhaltsansprüche gegen einen Verleihungswerber haben, sind dabei bei der Ermittlung des hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes zu berücksichtigen, wenn sie mit ihm im gemeinsamen Haushalt leben (vgl. das erwähnte Erkenntnis 2010/01/0065, mwN). Eine vor dem dreijährigen Zeitraum vor Antragstellung gelegene längere Unterbrechung der Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft der Eheleute ist unbeachtlich.

15 Dieses Auslegungsergebnis entspricht auch der Intention des Gesetzes, wonach § 10 Abs. 5 StbG durch den Verweis auf die Richtsätze des § 293 Abs. 1 ASVG darauf abstellt, ob der Lebensunterhalt für den Verleihungswerber und die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen gesichert ist, und die Richtsätze (in pauschalierter Form) die tatsächlichen Bedürfnisse von Einzelpersonen bzw. von Ehepaaren und Familien, die in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft leben, abbilden (vgl. abermals das Erkenntnis 2010/01/0065, mwN). Die sohin ausschlaggebenden "tatsächlichen Bedürfnisse" ergeben sich nach Maßgabe des § 10 Abs. 5 StbG aber aus der Betrachtung der Lebenssituation des Verleihungswerbers "in den letzten drei Jahren" vor Antragstellung (und nicht aus weiter zurückliegenden Zeiträumen).

16 Nach dem Gesagten hat das Verwaltungsgericht im Revisionsfall die Frage, welcher Richtsatz gemäß § 293 Abs. 1 ASVG dem Einkommen der Revisionswerberin nach § 10 Abs. 5 StbG gegenüberzustellen ist, richtig beurteilt und zutreffend den (durchschnittlichen) "Haushaltsrichtsatz" zur Anwendung gebracht.

17 Soweit in den Revisionsgründen schließlich noch vorgebracht wird, bei der Ermittlung des maßgeblichen Einkommens hätte auch das vom Ehemann der Revisionswerberin in den Monaten August 2010 bis Jänner 2011 auf den Philippinen erwirtschaftete Einkommen berücksichtigt werden müssen, ist dem entgegen zu halten, dass das Verwaltungsgericht diese Einkünfte im Ergebnis zu Recht nicht in die Berechnung des maßgeblichen Einkommens einbezogen hat, weil im erwähnten Zeitraum eben kein gemeinsamer Haushalt der (bereits in Österreich lebenden) Revisionswerberin und ihres Ehegatten bestand, weshalb insofern auch nicht von einem relevanten "Haushaltseinkommen" auszugehen war.

18 Aus den erwähnten Gründen begegnet die Abweisung des Verleihungsansuchens der Revisionswerberin mangels Vorliegens der Verleihungsvoraussetzung des hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes der Revisionswerberin nach § 10 Abs. 1 Z 7 StbG keinen Bedenken.

19 Da somit bereits der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die von der Revisionswerberin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegen, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 20. Juni 2017

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