Normen
ASVG §293;
B-VG Art133 Abs4;
StbG 1985 §10 Abs5 idF 2012/I/087;
StbG 1985 §10 Abs5 idF 2013/I/136;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RO2015010014.J00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
Angefochtenes Erkenntnis
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde der Revisionswerberin, einer Staatsangehörigen der russischen Föderation und von Israel, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 17. Jänner 2014, mit dem ihr Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 iVm § 10 Abs. 5 StbG abgewiesen wurde, als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt (I.).
Die Revision gegen dieses Erkenntnis wurde gemäß § 25a VwGG für zulässig erklärt (II.).
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht zu den heranzuziehenden Richtsätzen des § 293 ASVG aus, es sei gemäß § 10 Abs. 5 StbG nicht eindeutig, auf welchen Zeitraum der "letzten drei Jahre" im zweiten Satz dieser Bestimmung hinsichtlich der zu erreichenden Richtsätze abgestellt werde. Eine Auslegung dahingehend, dass auf die letzten drei Jahre vor der Entscheidung abzustellen sei, bedeute mit fortlaufender Verfahrensdauer und jährlicher Valorisierung der Richtsätze eine zunehmende Differenz zwischen den geltend zu machenden Einkünften vor Antragstellung.
Eine solche Auslegung widerspreche dem Vertrauensschutz und einer teleologischen Interpretation des Staatsbürgerschaftsgesetzes, wonach es im Interesse eines nachhaltig gesicherten Lebensunterhaltes geboten sei, die geltend gemachten Einkünfte den zum Antragszeitpunkt aktuellen und zeitnahen, gesetzlichen Richtsätzen gegenüberzustellen.
Daher sei § 10 Abs. 5 StbG dahingehend auszulegen, dass die geltend gemachten Einkünfte dem Durchschnitt der Richtsätze des § 293 ASVG der letzten drei Jahre vor Antragstellung entsprechen müssten.
3 Fallbezogen würden die geltend gemachten durchschnittlichen Nettoeinkünfte der Revisionswerberin (das Haushaltseinkommen ihrer Eltern) die Richtsätze gemäß § 293 ASVG im Zeitraum von drei Jahren vor Antragstellung erheblich unterschreiten. Der Lebensunterhalt der Revisionswerberin sei somit gemäß § 10 Abs. 5 StbG nicht gesichert.
4 Zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision führte das Verwaltungsgericht aus, es fehle an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wie § 10 Abs. 5 StbG idF BGBl. I Nr. 136/2013 zu verstehen sei, insbesondere im Hinblick auf die für die Berechnung des gesicherten Lebensunterhaltes heranzuziehenden Richtsätze nach § 293 ASVG.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende
ordentliche Revision.
Rechtslage
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
Zur Zulässigkeit
Zu den Richtsätzen "der letzten drei Jahre"
9 Das Verwaltungsgericht wirft als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, wie die Wortfolge "der letzten drei Jahre" in § 10 Abs. 5 zweiter Satz Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 auszulegen ist.
10 § 10 Abs. 5 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311/1985 idF der Novelle BGBl. I Nr. 136/2013 (StbG), lautet (Unterstreichungen durch den Verwaltungsgerichtshof):
"Verleihung
§ 10. ...
(5) Der Lebensunterhalt (Abs. 1 Z 7) ist dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt im Durchschnitt von 36 Monaten aus den letzten sechs Jahren vor dem Antragszeitpunkt vom Fremden nachgewiesen werden, wobei jedenfalls die letzten geltend gemachten sechs Monate unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt liegen müssen. Im geltend gemachten Zeitraum müssen die eigenen Einkünfte des Fremden ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach dem Durchschnitt der Richtsätze des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, der letzten drei Jahre entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und durch Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. Wird in den letzten geltend gemachten sechs Monaten unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt Kinderbetreuungsgeld gemäß den Bestimmungen des Kinderbetreuungsgeldgesetzes - KBGG, BGBl. I Nr. 103/2001, bezogen, so gilt in dem Zeitraum in dem Kinderbetreuungsgeld bezogen wird, der Lebensunterhalt jedenfalls als hinreichend gesichert."
11 Diese Bestimmungen wurden nach Aufhebung der Vorgängerbestimmungen durch den Verfassungsgerichtshof (vgl. das Erkenntnis des VfGH vom 1. März 2013, G 106/12, G 17/13, VfSlg. 19.732) mit der Novelle BGBl. I Nr. 136/2013 neu gefasst. Die Erläuterungen (in RV 2303 BlgNR 24. GP , 7f) führen zu dem hier wesentlichen § 10 Abs. 5 StbG wie folgt aus:
"Der bisherige Durchrechnungszeitraum in Abs. 5 wird dahingehend adaptiert, dass zukünftig Staatsbürgerschaftswerber den hinreichend gesicherten Lebensunterhalt im Durchschnitt von 36 Monaten aus den letzten sechs Jahren vor dem Antragszeitpunkt nachweisen müssen. Dies stellt eine Erleichterung dar und werden durch die Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes mehr Möglichkeiten für den Nachweis des gesicherten Lebensunterhaltes als bisher geschaffen. Damit soll ein Beitrag dazu geleistet werden, Härtefälle im Rahmen der Voraussetzung des gesicherten Lebensunterhaltes in sachgerechter Weise zu vermeiden. Mit dieser Adaptierung des Abs. 5 soll klargestellt werden, dass die geltend gemachten Monate aus den letzten sechs Jahren beliebig vom Fremden in diesem Durchrechnungszeitraum gewählt werden können, wobei die letzten sechs Monate des sechsjährigen Zeitraumes, also die sechs Monate unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt, jedenfalls vom Fremden geltend zu machen sind. Darüber hinaus wird verdeutlicht, dass die eigenen Einkünfte des Fremden ihm lediglich in den 36 geltend gemachten Monaten eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen zu ermöglichen haben. Dies bedeutet, dass ein vorübergehender Sozialhilfebezug in der nicht geltend gemachten Zeit der letzten sechs Jahre der Erfüllung der Voraussetzung des hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 nicht entgegensteht.
Mit dem neuen letzten Satz des Abs. 5 wird festgelegt, dass der Lebensunterhalt in den letzten geltend gemachten sechs Monaten unmittelbar vor dem Entscheidungszeitpunkt jedenfalls als hinreichend gesichert gilt, wenn in diesem Zeitraum Kinderbetreuungsgeld gemäß den Bestimmungen des Kinderbetreuungsgeldgesetzes bezogen wird."
12 Die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, bei der Auslegung der Wortfolge "der letzten drei Jahre" in § 10 Abs. 5 zweiter Satz StbG sei auf die Richtsätze der letzten drei Jahre vor dem Antragszeitpunkt abzustellen, ist aus folgenden Gründen zutreffend:
13 Wie auch die oben angeführten Erläuterungen deutlich zeigen, wurde in § 10 Abs. 5 StbG der bisherige Durchrechnungszeitraum adaptiert. Dieser stellte vor der Aufhebung durch den VfGH auf den Entscheidungszeitpunkt ab (vgl. § 10 Abs. 5 StbG idF BGBl. I Nr. 87/2012; vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2012, 2011/01/0217). § 10 Abs. 5 StbG nach der Novelle BGBl. I Nr. 136/2013 stellt nunmehr auf den Antragszeitpunkt ab.
14 Inhaltlich wurde vom Gesetzgeber lediglich der erste Satz des § 10 Abs. 5 StbG geändert. Der zweite Satz dieser Bestimmung und damit auch die Wortfolge "der letzten drei Jahre" wurde in seinem Wortlaut unverändert gelassen. Dennoch ergibt sich aus dem Abstellen auf den Antragszeitpunkt (als entscheidenden Zeitpunkt für den Nachweis des Lebensunterhaltes) in systematischer Auslegung auch für den zweiten Satz die inhaltliche Änderung, dass die Wortfolge "der letzten drei Jahre" von diesem nunmehr maßgeblichen Zeitpunkt, also dem Antragszeitpunkt, zu berechnen ist.
15 Für eine solche Auslegung sprechen auch die Erläuterungen, wonach - wie dargestellt - durch die Neufassung des § 10 Abs. 5 StbG eine Erleichterung für die Verleihungswerber geschaffen werden sollte, und - aus den vom Verwaltungsgericht Wien dargestellten Überlegungen - ein Vergleich von Einkommen vor Antragstellung mit Richtsätzen zum Entscheidungszeitpunkt für den Verleihungswerber nachteilig sein würde. Ein solches Verständnis kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden.
16 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass § 10 Abs. 5 StbG dahingehend auszulegen ist, dass die Richtsätze des § 293 ASVG der letzten drei Jahre vor dem Antragszeitpunkt heranzuziehen sind. Fehlende Relevanz dieser Rechtsfrage
17 Die Revision verweist auf die vom Verwaltungsgericht aufgezeigte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung und bringt gegen das angefochtene Erkenntnis vor, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass der Vater der Revisionswerberin bei einer näher bezeichneten Privatbank über ein angespartes Vermögen in beträchtlicher Höhe verfügt habe.
18 Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage "abhängt". Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2015, Ra 2014/09/0037, mit Verweis auf den hg. Beschluss vom 22. Juli 2014, Ro 2014/04/0055; vgl. im Zusammenhang mit dem StbG den hg. Beschluss vom 28. November 2014, Ra 2014/01/0161, mwN).
19 In der vorliegenden Rechtssache hat das Verwaltungsgericht die für den Standpunkt der Revisionswerberin vorteilhafteren Richtsätze zum Zeitpunkt der Antragstellung herangezogen und ist auf Basis dieser Berechnungsgrundlage zum Ergebnis gekommen, dass der Lebensunterhalt der Revisionswerberin gemäß § 10 Abs. 5 StbG nicht gesichert ist.
20 Weder aus den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses noch aus dem Vorbringen der Revision ergibt sich, dass die Heranziehung der höheren Richtsätze (vgl. § 293 Abs. 2 ASVG) zum Zeitpunkt der Entscheidung zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Somit wird die Relevanz der aufgeworfenen Rechtsfrage weder vom Verwaltungsgericht noch von der Revision aufgezeigt.
21 Festzuhalten ist daher, dass das rechtliche Schicksal der Revision von der Lösung der grundsätzlichen Rechtsfrage, welche Richtsätze des § 293 ASVG gemäß § 10 Abs. 5 StbG für die Berechnung des gesicherten Lebensunterhaltes heranzuziehen sind, nicht abhängt. Diese Rechtsfrage ist daher vorliegend nicht relevant. Ergebnis
22 Die Revision erweist sich daher wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig. Sie war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.
Wien, am 15. März 2016
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