VwGH Ra 2017/01/0024

VwGHRa 2017/01/002416.2.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie den Hofrat Dr. Kleiser und die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision des H K in S, vertreten durch MMag. Salih Sunar, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Salurnerstraße 14/1. Stock, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Dezember 2016, Zl. W192 2140014- 1/2E, betreffend § 5 AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §61;
MRK Art8;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017010024.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen der Türkei, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27. Oktober 2016, mit dem der Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zurückgewiesen (§ 5 Abs. 1 AsylG 2005) und ausgesprochen wurde, dass Finnland zuständig sei (Art. 12 Abs. 4 der Dublin III-Verordnung), seine Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt wurde, dass seine Abschiebung nach Finnland zulässig sei (§ 61 Abs. 1 und 2 FPG), abgewiesen.

2 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

3 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 In der Revision wird zur Zulässigkeit vorgebracht, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Erforderlichkeit einer Beschwerdeverhandlung abgewichen.

Dem ist zu entgegen, dass das BVwG am Maßstab der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verhandlungspflicht in Dublin-Verfahren (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2016, Ra 2016/19/0072) zu Recht von einer Verhandlung abgesehen hat.

5 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit weiter vor, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Selbsteintrittsrecht abgewichen, weil ein Familienleben iSd Art. 8 EMRK mit dem Onkel bestehe.

Zu diesem Vorbringen ist darauf hinzuweisen, dass familiäre Beziehungen unter Erwachsenen nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK fallen, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. den hg. Beschluss vom 2. August 2016, Ra 2016/20/0152, mwN). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen, wenn sie - was hier gegeben ist - auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wird, nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. den hg. Beschluss vom 11. Oktober 2016, Ra 2016/01/0025, mwN).

Mit dem Revisionsvorbringen wird nicht aufgezeigt, dass die im Einzelfall vorgenommene Abwägung des BVwG unvertretbar erfolgt wäre.

6 Das Vorbringen, der Revisionswerber lebe seit Mitte November 2016 in einer Lebensgemeinschaft (Anm.: mit einer bulgarischen Staatsangehörigen) ist als gemäß § 41 VwGG unzulässige Neuerung zu werten. Darüber hinaus ist anzumerken, dass es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem sich der Revisionswerber seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. den hg. Beschluss vom 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0076).

7 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 16. Februar 2017

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