Normen
32013R0604 Dublin-III;
AsylG 2005 §5 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die revisionswerbenden Parteien sind Staatsangehörige von Afghanistan. Sie stellten am 6. Juni 2016 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind verheiratet, der Drittrevisionswerber und die Viertrevisionswerberin sind ihre minderjährigen Kinder.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies die Anträge jeweils mit Bescheid vom 27. Oktober 2016 gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurück und sprach aus, dass für die Prüfung des Antrags gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. 25 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) Ungarn zuständig sei. Unter einem ordnete es gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) die Außerlandesbringung an und stellte fest, dass gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung nach Ungarn zulässig sei.
3 Das Bundesverwaltungsgericht wies die dagegen erhobene Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig. In seiner Begründung stützte es die Zuständigkeit Ungarns sowohl auf Art. 18 Abs. 1 lit. b und Art. 25 Abs. 2 als auch auf Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
5 Die revisionswerbenden Parteien bringen zur Zulässigkeit ihrer Revision vor, der Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) habe im Urteil vom 4. November 2014, Nr. 29217/12, Tarakhel/Schweiz, festgestellt, dass eine Rückführung von Familien mit minderjährigen Kindern nur dann zulässig sei, wenn sich der Mitgliedstaat, aus welchem die Familie rücküberstellt werden soll, gegenüber den Behörden des Zielstaates vergewissert habe, dass eine altersgerechte Beherbergung der Kinder und die Wahrung der Einheit der Familie im Zielstaat garantiert werde. Es stelle eine bedeutende Rechtsfrage dar, ob die genannte Entscheidung auf den gegenständlichen Fall anwendbar sei und ob die Ausweisung unter Berücksichtigung dieser Judikatur hätte ausgesprochen werden dürfen.
6 Das von den revisionswerbenden Parteien angeführte Urteil des EGMR betraf die Rückführung einer Familie mit minderjährigen Kindern nach Italien und nahm ausschließlich Bezug auf die dort zum für die Entscheidung wesentlichen Zeitpunkt vorherrschende Unterbringungs- und Versorgungssituation. Dass vor einer Rückführung in einen anderen Dublin-Staat in jedem Fall Garantien über die Unterbringung von Familien einzuholen sind, lässt sich diesem Urteil nicht entnehmen (vgl. den hg. Beschluss vom 8. September 2015, Ra 2014/18/0157). Die revisionswerbenden Parteien machen mit ihren allgemeinen Ausführungen auch nicht geltend, dass sie die Lage für Familien in Ungarn mit jener, die der angeführten Entscheidung zugrunde lag, als vergleichbar erachten.
7 Die revisionswerbenden Parteien begründen die Zulässigkeit ihrer Revision zudem mit der Frage, ob bezogen auf die Situation von Asylsuchenden in Ungarn eine generelle Anführung von standardisierten Länderfeststellungen ausreichend sei oder ob fallbezogene Recherchen im Sinn einer Einzelfallprüfung vorgenommen werden müssten.
8 Damit zeigen die revisionswerbenden Parteien weder auf, welche weiteren konkreten Ermittlungen sie für notwendig erachtet hätten, noch legen sie die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels dar, sodass auch dieses Vorbringen nicht zur Zulässigkeit der Revision führt (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 14. Dezember 2016, Ra 2016/19/0300, mwN).
9 Schließlich machen die revisionswerbenden Parteien geltend, dass sie in einem Zeitraum nach Österreich eingereist seien, in welchem die Behörden der involvierten Staaten den Asylsuchenden die Einreise in ihr Hoheitsgebiet faktisch gewährt hätten. Die Entscheidung hänge daher auch von der Lösung der dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Dezember 2016, Ra 2016/19/0303 und 0304 (EU 2016/0007 und 0008), zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen ab.
10 Soweit die revisionswerbenden Parteien damit bestreiten möchten, dass ihre Einreise nach Ungarn illegal erfolgt sei, ist ihnen entgegenzuhalten, dass das Vorbringen betreffend eine faktische Gewährung der Einreise erstmals in der gegenständlichen Revision erstattet wurde und somit gegen das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof aus § 41 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot verstößt. Mit einem dem Neuerungsverbot unterliegenden Vorbringen kann eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht begründet werden (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 18. Jänner 2017, Ra 2016/18/0258 und 0259, mwN).
11 Es werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 26. April 2017
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