European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016180253.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die revisionswerbenden Parteien stellten am 12. November 2015 bei der Österreichischen Botschaft Addis Abeba gestützt auf § 35 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) Anträge auf Erteilung eines Visums. Sie sind Staatsangehörige Somalias und machten geltend, dass ihr Sohn in Österreich den Status des Asylberechtigten erhalten habe.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) im Beschwerdeverfahren den Anträgen gemäß § 35 AsylG 2005 keine Folge und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
3 Begründend führte es zusammengefasst aus, aufgrund des Geburtsdatums 1. Jänner 1998 habe der Sohn am 1. Jänner 2016 das achtzehnte Lebensjahr vollendet und sei seither volljährig. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Jänner 2016, Ra 2015/21/0230-0231, komme es in der vorliegenden Konstellation für die Familienangehörigeneigenschaft nach § 35 Abs. 5 AsylG 2005 auf das Vorliegen der Minderjährigkeit der Bezugsperson in Österreich im Entscheidungszeitpunkt an. Die revisionswerbenden Parteien seien, weil ihr asylberechtigter Sohn schon vor Erlassung des verwaltungsbehördlichen Bescheides die Volljährigkeit erlangt habe, nicht als Familienangehörige gemäß § 35 AsylG 2005 anzusehen.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Sie macht zu ihrer Zulässigkeit geltend, der vorliegende Fall unterscheide sich insofern von demjenigen, der dem hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2016, Ra 2015/21/0230-0231, zugrunde lag, als die Bezugsperson hier Asylberechtigte und nicht subsidiär Schutzberechtigte sei. Es bestehe daher ein Recht auf Familienzusammenführung nach der Familienzusammenführungsrichtlinie 2003/86/EG. Überdies werde in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur Novelle des AsylG 2005, BGBl. I Nr. 24/2016, § 35 Abs. 2a AsylG 2005 dahingehend konkretisiert, dass die Minderjährigkeit der Bezugsperson im Antragszeitpunkt vorzuliegen habe. Damit sei der Wille des Gesetzgebers klar auch in Bezug auf die hier anzuwendende Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 24/2016 zu erkennen und die Gesetzesauslegung des Verwaltungsgerichtshofes "nicht mehr zulässig". Dazu fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
5 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Entscheidung des Verwaltungsgerichtes oder selbst nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, ist eine Revision wegen fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (mehr) zulässig (vgl. VwGH vom 29. Juli 2016, Ro 2016/18/0004, mwN).
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mittlerweile in seinem Beschluss vom 26. Jänner 2017, Ra 2016/20/0231-0234, auf den gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, mit der - durch die Novelle BGBl. I Nr. 24/2016 unveränderten - Bestimmung des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 unter Einbeziehung der in der Revision zitierten Erläuterungen zu § 35 Abs. 2a AsylG 2005 (RV 996 BlgNR 25. GP , 5) beschäftigt.
11 Ergänzend bleibt anzumerken, dass die Ausstellung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 nur eine von mehreren im nationalen österreichischen Recht vorgesehenen Möglichkeiten der Familienzusammenführung darstellt, und zwar mit dem asylspezifischen Zweck, für die nachziehenden Personen nach Einreise in das Bundesgebiet ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 zu eröffnen und ihnen denselben Schutz wie dem bereits in Österreich aufhältigen Angehörigen zu gewähren. Diesem Zweck wird aber nicht entsprochen, wenn den Eltern eines im Laufe des Verfahrens nach § 35 AsylG 2005 volljährig gewordenen Asylberechtigten die Einreise nach Österreich gestattet wird, weil sie bei Beantragung des internationalen Schutzes nach Einreise in das Bundesgebiet nicht mehr dem Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 unterliegen. Der Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 erweist sich daher von vornherein als ungeeignetes Mittel, um dem Anliegen der Revisionswerber auf Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich befindlichen (bereits volljährig gewordenen) Sohn zu entsprechen; sie sind vielmehr auf die anderen - im NAG und FPG eröffneten - Möglichkeiten der Familienzusammenführung und der Ausstellung von entsprechenden Einreisetitel zu verweisen.
12 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 21. Februar 2017
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