VwGH Ra 2016/13/0053

VwGHRa 2016/13/005331.3.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski sowie MMag. Maislinger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wimberger, BA, über die Revision des Finanzamts Baden Mödling in 2340 Mödling, DI Wilhelm Haßlingerstraße 3, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 1. September 2016, Zl. RV/7104527/2015, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2013 (mitbeteiligte Partei: T in P), den Beschluss gefasst:

Normen

EStG §34 Abs3;
EStG §34 Abs6;
EStG §34 Abs7 Z2;
EStG §34 Abs7 Z4;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte beantragte im Rahmen seiner Arbeitnehmerveranlagung 2013 die Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen in Höhe von 5.160 EUR für seine volljährige Tochter.

2 Mit Bescheid des Finanzamts vom 3. Juli 2014 wurde die Einkommensteuer des Mitbeteiligten 2013 festgesetzt. Die Unterhaltszahlungen wurden nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt. Begründend wies das Finanzamt darauf hin, die dem Mitbeteiligten aus der Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Tochter erwachsenen Kosten seien nicht abzugsfähig; es stehe aber der Unterhaltsabsetzbetrag zu (monatlich 29,20 EUR).

3 Der Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Er beantragte, die tatsächlich geleisteten Unterhaltsaufwendungen von 5.160 EUR zu berücksichtigen. Es handle sich um Kosten aus einer Behinderung des Kindes. Die Mutter des Kindes beziehe die erhöhte Familienbeihilfe.

4 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 8. Juli 2015 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Zahlungen von Leistungen für den Lebensunterhalt stellten keine speziellen Kosten aus dem Titel einer Behinderung dar.

5 Der Mitbeteiligte beantragte die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge und änderte den Bescheid betreffend Einkommensteuer 2013 ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7 Begründend führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der Mitbeteiligte habe im Jahr 2013 Zahlungen an seine Tochter in Höhe von 5.160 EUR geleistet. Er habe in diesem Jahr nicht mit seiner Tochter in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Die Tochter (geboren im Jahr 1988) sei im Streitjahr bereits volljährig gewesen. Die Mutter habe in diesem Jahr für ihre Tochter eine erhöhte Familienbeihilfe bezogen. Die Tochter sei zu 60% behindert und voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig. Die vom Mitbeteiligten an seine Tochter geleisteten Zahlungen dienten im Streitjahr ausschließlich der Bestreitung der aus der Behinderung der Tochter erwachsenden Mehraufwendungen.

8 Es sei keine sachliche Rechtfertigung erkennbar, Zahlungen allein aufgrund ihrer zivilrechtlichen Grundlage die Eignung als außergewöhnliche Belastung iSd § 34 Abs. 6 EStG 1988 abzusprechen, wenn diese - wie hier - im ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung eines Kindes stünden, mache doch der Gesetzgeber in § 34 Abs. 3 EStG 1988 hinsichtlich der Zwangsläufigkeit keinen Unterschied, ob diese aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen vorliege bzw. sich die rechtlichen Gründe unmittelbar aus dem Gesetz, einer vertraglichen Vereinbarung, einem Verwaltungsakt oder - wie hier - einem "Urteil" ergäben.

9 Anstelle des Unterhaltsabsetzbetrages seien daher im Streitjahr die tatsächlich geleisteten Zahlungen in Höhe von

5.160 EUR als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen gewesen. 10 Da im vorliegenden Fall entscheidungswesentlich die in

freier Beweiswürdigung vorgenommene Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes gewesen sei, lägen die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor.

11 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamts.

12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15 In der Revision wird zur Zulässigkeit geltend gemacht, der Mitbeteiligte sei ursprünglich aufgrund einer Vereinbarung zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 250 EUR verpflichtet gewesen. Auf Grund eines Beschlusses des Bezirksgerichtes X aus dem Jahr 2012 habe sich mit Wirkung ab 1. April 2012 ein Unterhaltsbeitrag von 430 EUR ergeben. Es gehe im vorliegenden Erkenntnis demnach nicht nur um die in freier Beweiswürdigung vorgenommene Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts, sondern vielmehr um die grundsätzliche Rechtsfrage, ob die seitens eines Zivilgerichts vorgeschriebenen Unterhaltsleistungen als behinderungsbedingte Mehraufwendungen eine außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG 1988 darstellten. Dazu gebe es - soweit ersichtlich - noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs. Im Rahmen der Revisionsbegründung führt das Finanzamt aus, das Bundesfinanzgericht bestätige ausdrücklich, dass die Zahlungen zivilrechtlich und damit auch steuerrechtlich Unterhaltszahlungen seien. Leistungen des gesetzlichen Unterhalts seien aber durch den Unterhaltsabsetzbetrag abgegolten.

16 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt.

17 Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

18 Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (§ 34 Abs. 3 EStG 1988).

19 Für das Tragen von Krankheitskosten für unterhaltsberechtigte Personen ergibt sich aus der Unterhaltspflicht eine rechtliche Verpflichtung iSd § 34 Abs. 3 EStG 1988 (vgl. das Erkenntnis vom 23. Mai 1996, 95/15/0018, VwSlg. 7099/F; Unterhaltsleistungen könnten freilich auch auf sittlichen Gründen beruhen, vgl. etwa Doralt, EStG11, § 34 Tz 56). Unterhaltszahlungen liegt regelmäßig eine zivilrechtliche Verpflichtung zu Grunde, die allenfalls - wie auch hier - in einem zivilgerichtlichen Verfahren geklärt werden kann. Daraus kann aber - entgegen der Ansicht der Revision - nicht abgeleitet werden, dass derartige Zahlungen nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden könnten.

20 Gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 können u.a. Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen, ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes (§ 34 Abs. 4 EStG 1988) abgezogen werden.

21 Nicht maßgebend ist, ob der Steuerpflichtige selbst oder etwa sein Kind (oder - wie hier - die Mutter des Kindes) die erhöhte Familienbeihilfe bezieht (vgl. das Erkenntnis vom 23. April 2014, 2012/13/0039, mwN).

22 Nach § 34 Abs. 7 Z 2 EStG 1988 sind zwar Leistungen des gesetzlichen Unterhalts bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 durch den Unterhaltsabsetzbetrag abgegolten. Nach § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 sind aber darüber hinaus Unterhaltsleistungen insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist nicht zu berücksichtigen.

23 Die Leistung laufenden Unterhalts kann sohin steuerlich als außergewöhnliche Belastung nicht berücksichtigt werden. Anderes gilt, wenn der geltend gemachte Betrag für Aufwendungen getätigt wurde, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden (vgl. das Erkenntnis vom 24. April 2014, 2011/15/0180, mwN). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn diese Zahlungen zur Deckung etwa von Krankheitskosten dienen (vgl. die Erkenntnisse vom 28. Mai 1998, 94/15/0028, und vom 31. Jänner 2002, 96/15/0261, VwSlg. 7678/F). Aufwendungen, die aus der Krankheit oder Behinderung eines Kindes erwachsen, unterliegen (auch als "Mehraufwendungen" iSd § 34 Abs. 6 EStG 1988, daher ohne Abzug eines Selbstbehalts) anders als Aufwendungen schlechthin (Unterhaltskosten) der begünstigten Behandlung als außergewöhnliche Belastung (vgl. neuerlich das Erkenntnis vom 31. Jänner 2002).

24 Da die Zahlungen des Mitbeteiligten - nach den in der Revision nicht bekämpften Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichts - ausschließlich der Bestreitung der aus der Behinderung der Tochter erwachsenden Mehraufwendungen dienten, können diese Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden.

25 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 31. März 2017

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