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Spruch:
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheiden vom 28. Mai 2014 zog das Finanzamt die Revisionswerberin für den Zeitraum 2008 bis 2012 zur Haftung für Lohnsteuer heran und schrieb ihr für denselben Zeitraum Dienstgeberbeiträge und Zuschläge dazu vor.
2 Gegen diese Bescheide erhob die Revisionswerberin am 25. Juni 2014 Beschwerde. Das Finanzamt legte die Beschwerde - ohne zuvor eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen - dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
3 Mit dem angefochtenen Beschluss vom 12. April 2016 sprach das Bundesfinanzgericht aus, dass es zur Entscheidung über die Beschwerde der Revisionswerberin vom 25. Juni 2014 nicht zuständig sei. Begründend führte das Bundesfinanzgericht aus, in der Beschwerde vom 25. Juni 2014 sei weder das Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung beantragt noch lediglich die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen behauptet worden. Das Finanzamt hätte daher nach § 262 Abs. 1 BAO eine Beschwerdevorentscheidung erlassen müssen. Da das Finanzamt nach § 265 Abs. 1 (gemeint: erster Fall) BAO nur eine solche Bescheidbeschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen habe, über die keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen sei, sei das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung über die Beschwerde der Revisionswerberin vom 25. Juni 2014 nicht zuständig. Ausführungen darüber, dass das Bundesfinanzgericht zur Erledigung dieser Beschwerde nach Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung und allfälliger Einbringung eines Vorlageantrages zuständig sein werde, enthielt die Begründung des im vorliegenden Fall angefochtenen Beschlusses nicht.
4 Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liege nicht vor, weil sich die Verpflichtung des Finanzamtes zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung unmittelbar aus dem Gesetz ergebe.
5 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision, in der zur Zulässigkeit vorgebracht wird, das Bundesfinanzgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen (Hinweis auf VwGH 18.2.2015, Ko 2015/03/0001, VwSlg 19.052/A, und 24.6.2015, Ra 2015/04/0035, VwSlg 19.148/A). Danach habe ein Verwaltungsgericht, dessen Unzuständigkeit zweifelhaft und nicht offenkundig sei, eine Entscheidung über die Zuständigkeit in der in den Verfahrensgesetzen vorgesehenen Form (Beschluss über die Zurückweisung wegen Unzuständigkeit oder Erkenntnis in der Sache bzw. Zurückweisung aus anderen Gründen oder Einstellung unter Bejahung der Zuständigkeit) zu treffen. Ein Verwaltungsgericht sei nicht befugt, seine Unzuständigkeit durch Beschluss festzustellen (Hinweis auf VwGH 14.5.1959, 187/57, VwSlg 4.974/A, 14.9.1970, 1297/69, und 23.6.2009, 2009/06/0085, 0086). Abgesehen davon liege zu der im gegenständlichen Fall konkreten Rechtsfrage, ob das Bundesfinanzgericht - welches im Gegensatz zu den übrigen Verwaltungsgerichten nicht die Verfahrensbestimmungen des VwGVG, sondern jene der BAO anzuwenden habe - befugt sei, seine Unzuständigkeit durch Beschluss festzustellen, noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.
6 Der Verwaltungsgerichtshof leitete gemäß § 36 Abs. 1 VwGG das Vorverfahren über diese Revision ein, in dessen Rahmen die vor dem Bundesfinanzgericht belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung erstattete.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 Die Revision ist zulässig und begründet.
8 Der vorliegende Revisionsfall gleicht hinsichtlich des rechtserheblichen Sachverhalts (Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch das Finanzamt) und der zu beantwortenden Rechtsfrage (Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes zur Feststellung seiner Unzuständigkeit mit Beschluss) jenem, über den der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Ra 2017/13/0010, u.a. entschieden hat.
9 Aus den in diesem Erkenntnis dargelegten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, war auch der hier angefochtene Beschluss gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes aufzuheben.
10 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 22. November 2017
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