Normen
KFG 1967 §20 Abs5 lite;
KFG 1967 §20 Abs5;
KFG 1967 §20 Abs6;
KFG 1967 §22 Abs4;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RO2016110021.J00
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Revisionswerbers vom 26. November 2015 wurde der Antrag des Mitbeteiligten auf Erteilung einer Bewilligung zur Anbringung von Warnleuchten mit blauem Licht und eines Tonfolgehorns an einem näher bezeichneten Pkw mit näher bezeichnetem Kennzeichen gemäß § 22 Abs. 4 iVm. § 20 Abs. 5 lit. e KFG 1967 abgewiesen.
2 Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit Erkenntnis vom 23. August 2016 Folge und änderte den Bescheid des Revisionswerbers vom 26. November 2015 dahin ab, dass dem Mitbeteiligten die beantragte Bewilligung unter näher ausgeführten "Bedingungen und Auflagen" erteilt wurde. Die erste dieser "Bedingungen und Auflagen" lautet:
"Die Bewilligung gilt unter der Bedingung, dass Herr (Mitbeteiligter) sich als ‚Ärztlicher First Responder' zu Verfügung stellt."
Unter einem wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sei.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art. 133 Abs. 6 Z. 2 B-VG gestützte, vom Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens und einer Revisionsbeantwortung des Mitbeteiligten vorgelegte Revision.
4 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:
5 1.1. Das KFG 1967, BGBl. Nr. 267 idF. BGBl. I Nr. 67/2016, lautet (auszugsweise):
"§ 20. Scheinwerfer, Leuchten, Rückstrahler und Lichtfarben für besondere Zwecke
(1) Außer den im § 14 Abs. 1 bis 7 und in den §§ 15 und 17 bis 19 angeführten Scheinwerfern, Leuchten und Rückstrahlern dürfen ohne Bewilligung gemäß Abs. 4 an Kraftfahrzeugen und Anhängern nur angebracht werden:
...
1. Scheinwerfer und Warnleuchten mit blauem Licht bei
...
(5) Scheinwerfer und Warnleuchten mit blauem Licht dürfen bei nicht unter Abs. 1 Z 4 fallenden Fahrzeugen nur bewilligt werden, wenn ihre Verwendung im öffentlichen Interesse gelegen ist und dagegen vom Standpunkt der Verkehrs- und Betriebssicherheit keine Bedenken bestehen und nur für Fahrzeuge, die zur Verwendung bestimmt sind:
...
d) für den ärztlichen Bereitschaftsdienst von
Gebietskörperschaften, Ärztekammern oder Sozialversicherungsträgern,
e) für die Leistung dringender ärztlicher Hilfe durch Ärzte
in verkehrsreichen Gebieten, in denen kein mit einem Arzt
besetzter Rettungsdienst und kein ärztlicher Bereitschaftsdienst
gemäß lit. d zur Verfügung stehen; vor der Entscheidung über einen
Antrag auf Erteilung der Bewilligung ist eine Stellungnahme der
Ärztekammer zur Frage der Notwendigkeit der Erteilung dieser
Bewilligung einzuholen oder
...
(6) Bewilligungen nach Abs. 5 sind unter den entsprechenden Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen der Gültigkeit zu erteilen. Durch Verordnung können die näheren Bestimmungen hinsichtlich der Bewilligungen nach Abs. 5 festgelegt werden. Dabei sind insbesondere die Antragslegitimation, die Erteilungsvoraussetzungen, spezielle Einsatzbedingungen sowie die Führung entsprechender Aufzeichnungen über die Verwendung des Blaulichtes zu regeln.
...
§ 22. Warnvorrichtungen
...
(4) Vorrichtungen zum Abgeben von Warnzeichen mit aufeinanderfolgenden, verschieden hohen Tönen dürfen, außer in den in den Abs. 5 und 6 angeführten Fällen, nur mit Bewilligung des Landeshauptmannes angebracht werden. Die Bewilligung darf nur erteilt werden, wenn diese Vorrichtungen sonst den Bestimmungen des Abs. 1 dritter und vierter Satz entsprechen. Für die Erteilung der Bewilligung gilt § 20 Abs. 5 sinngemäß."
6 1.2. § 20 Abs.5 lit. e KFG 1967 geht zurück auf die Kraftfahrgesetz-Novelle 1971, BGBl. Nr. 285. Die Materialien hiezu (205 Blg NR 12. GP, 16) lauten:
"31.) Zu Abs. 5: Auch die Fahrzeuge des ärztlichen Notdienstes von Gebietskörperschaften, Ärztekammern und Sozialversicherungsträgern sowie die Fahrzeuge praktischer Arzte, die für Fahrten zur Leistung dringender ärztlicher Hilfe in verkehrsreichen Gebieten, in denen kein mit einem Arzt besetzter Rettungsdienst und kein ärztlicher Notdienst zur Verfügung steht, sollen als Fahrzeuge für dringende Einsätze gekennzeichnet und mit Vorrechten ausgestattet sein, um ihren Zweck zu erfüllen.
..."
7 2. Die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulassung der Revision trägt der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht Rechnung. Nach dieser hätte das Verwaltungsgericht zumindest in wenigen Worten darzulegen gehabt, welcher Rechtsfrage aus welchen Gründen grundsätzliche Bedeutung iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG beigemessen wird (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 27. Febraur 2015, Zl. Ro 2014/17/0135). Eine derartige Darlegung fehlt vorliegendenfalls.
8 Die vorliegende Revision erweist sich ungeachtet dessen jedoch schon deshalb als zulässig, weil sie zutreffend ausführt, dass es keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dazu gebe, ob eine Bewilligung zur Anbringung von Warnleuchten mit blauem Licht und eines Tonfolgehorns nach § 22 Abs. 4 iVm. § 20 Abs. 5 lit. e KFG 1967 unter einer Auflage wie der oben wiedergegebenen - Zurverfügungstellung des Bewilligungsinhabers als sog. Ärztlicher First Responder - erteilt werden darf.
9 3. Die Revision ist jedoch unbegründet.
10 3.1.1. Das Verwaltungsgericht stellt im angefochtenen Erkenntnis - nach Wiedergabe des Verfahrensganges - folgenden unbestrittenen Sachverhalt fest:
11 Der Mitbeteiligte sei Arzt für Allgemeinmedizin, besitze eine Notarztausbildung und betreibe eine Kassenordination am Standort S. Sein Dienstsprengel umfasse die Gemeinden S, W, O, L, Ö, K und A. Dabei handle es sich um ein verkehrsreiches Gebiet, das von der A1 und der B1 durchzogen werde. Mit Bescheid des Revisionswerbers vom 10. März 2003 sei dem Mitbeteiligten die Bewilligung zur Anbringung eines Tonfolgehorns sowie jeweils für die Zeit der dringenden ärztlichen Hilfe einer Warnleuchte mit blauem Licht an einem näher bezeichneten Pkw erteilt worden.
12 Seitens der Abteilung Gesundheitswesen/Sanitätsdirektion des Amtes der Landesregierung sei mit Stellungnahme vom 7. Juli 2015 zum Antrag des Mitbeteiligten vom 1. Juli 2015 auf "Umschreibung" der Bewilligung wegen eines Fahrzeugwechsels ausgeführt worden, dass im Einsatzgebiet des Mitbeteiligten ein mit einem Arzt besetzter Rettungsdienst zur Verfügung stehe (Notarzt LKH Amstetten) und die Fahrtzeit nach Strengberg im Normalfall knapp unter 20 Minuten betrage, weshalb die Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung nicht erfüllt seien. In einer Stellungnahme der Ärztekammer von Niederösterreich vom 7. Juli 2015 sei ausgeführt worden, dass die Sachlage in Ansehung des Bescheids aus 2003 unverändert sei. Mit Schreiben vom 25. Februar 2003 habe die Ärztekammer für Niederösterreich das Ansuchen des Mitbeteiligten befürwortet, weil dieser einen Sprengel betreue, der am Rand des "NAW-Bereiches" im Bezirk Amstetten läge und dieses Gebiet, was die Erreichbarkeit durch ein "Einsatzmittel" betreffe, ein sog. "weißer Fleck" wäre. Der nächstgelegene NAW (gemeint: Notarztwagen) benötige mehr als 20 Minuten nach Strengberg, weshalb zwar ein ärztlich besetzter Rettungsdienst zur Verfügung stünde, die Eintreffzeit aber indiskutabel wäre.
13 Verstreut unter den rechtlichen Erwägungen finden sich weiters folgende sachverhaltsbezogene Annahmen des Verwaltungsgerichtes:
14 Die vom Verwaltungsgericht um eine Stellungnahme ersuchte Notruf NÖ GmbH, eine Organisation, die Notarzt- und Rettungseinsätze sowie Krankentransporte in Niederösterreich koordiniere, habe ausgeführt, dass der Einsatzwagen des Notarztstützpunktes Amstetten das genannte Gebiet nur bei normalen Verkehrsbedingungen und unter optimalen sonstigen Bedingungen knapp in 20 Minuten aus Amstetten erreichen könnte, sich bei ungünstigen Verkehrs- und anderen Bedingungen die Anfahrtszeit aber entsprechend erhöhen könnte. Da es das Ziel wäre, die notärztliche Hilfsfrist zu verkürzen, wäre die Alarmierung eines "Ärztlichen First Responders" sinnvoll. Der Mitbeteiligte habe angegeben, dass er in zahlreichen Fällen 10 bis 15 Minuten vor anderen Rettern am Ort des Geschehens gewesen wäre, was nachvollziehbar erscheine, weil jener seinen Dienstsprengel und Ordinationsstandort in einem Randgebiet habe, das vom Notarztstützpunkt Amstetten aus nur unter Optimalbedingungen in 20 Minuten erreicht werden könne. Es stehe eben entgegen der Annahme des Revisionswerbers kein mit einem Arzt besetzter Rettungsdienst bzw. ärztlicher Bereitschaftsdienst innerhalb von 20 Minuten zur Verfügung. Weiters habe der Mitbeteilige ausgeführt, dass es bereits jetzt für die zentrale Leitstelle üblich wäre, ihn auch ohne Ernennung zum "First Responder" bei medizinischen Notfällen im betreffenden Gebiet zu alarmieren. Der Mitbeteiligte habe auch dargetan, dass sich in der Vergangenheit eine große Anzahl von schweren Notfällen ereignet hätte, die ohne seine sofortige Hilfe nicht gut ausgegangen wären. Bedenken vom Standpunkt der Verkehrs- und Betriebssicherheit seien nicht zu Tage getreten.
15 3.1.2. In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, das öffentliche Interesse iSd. § 20 Abs. 5 KFG 1967 für die Erteilung der beantragten Bewilligung sei gegeben. Auch die Voraussetzungen des § 20 Abs. 5 lit. e KFG 1967 lägen vor, weil in dem genannten verkehrsreichen Gebiet weder ein ärztlich besetzter Rettungsdienst noch ein ärztlicher Bereitschaftsdienst zur Verfügung stehe. Schließlich bestünden keine Bedenken vom Standpunkt der Verkehrs- und Betriebssicherheit. Damit lägen die Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung vor. Diese sei jedoch an die Bedingung zu knüpfen, dass sich der Mitbeteiligte als "Ärztlicher First Responder" zur Verfügung stelle, weil es im öffentlichen Interesse liege, dass er nicht ausschließlich für seine eigenen Patienten notfallmedizinisch tätig werde, sondern im Sinne einer optimalen Patientenversorgung in seinem gesamten Dienstsprengel.
16 3.2. Die Revision führt, auf das Wesentliche zusammengefasst, aus, auch das Verwaltungsgericht gehe offenkundig davon aus, dass vom Vorliegen eines mit einem Arzt besetzten Rettungsdienstes und eines ärztlichen Bereitschaftsdienstes auszugehen sei, wenn diese innerhalb von 20 Minuten nach Alarmierung zur Verfügung stünden. Der Revisionswerber vertrete allerdings die Auffassung, dass nur der "Normalfall" zu berücksichtigen sei, weil ungünstige Verkehrs- oder andere Bedingungen nie ausgeschlossen werden könnten und deren Berücksichtigung stets zu einer Erteilung der angestrebten Bewilligung zu führen hätte, was den Intentionen des Gesetzgebers zuwiderliefe. Das Verwaltungsgericht habe im Übrigen auch keine Feststellungen zu den anderen vermeintlich zu berücksichtigenden Bedingungen und zur Häufigkeit der "Ausnahmefälle" getroffen.
17 Für die Nebenbestimmung der erteilten Bewilligung, der Mitbeteiligte habe sich als "Ärztlicher First Responder" zur Verfügung zu stellen, fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Das KFG 1967 spreche nur von Auflagen und Beschränkungen der Gültigkeit.
18 3.3.1. § 20 Abs. 1 Z. 4 KFG 1967 erlaubt - ohne dass es dazu einer behördlichen Bewilligung bedürfte - die Anbringung von Scheinwerfern und Warnleuchten mit blauem Licht bei (im Folgenden unter lit. a bis j) näher angegebenen Fahrzeugen. Die Anbringung von Blaulichtanlagen ist allerdings auch bei anderen Fahrzeugen als den in § 20 Abs. 1 Z. 4 KFG 1967 genannten zulässig, sofern dafür eine Bewilligung vorliegt. Eine solche Bewilligung darf gemäß § 20 Abs. 5 erster Satz KFG 1967 nur erteilt werden, wenn die Verwendung des Blaulichts im öffentlichen Interesse gelegen ist, dagegen vom Standpunkt der Verkehrs- und Betriebssicherheit keine Bedenken bestehen und es sich um ein Fahrzeug handelt, welches für Aufgaben bestimmt ist, die im Folgenden unter lit. a bis j taxativ aufgezählt sind. Lit. e erwähnt Fahrzeuge, die bestimmt sind für die Leistung dringender ärztlicher Hilfe durch Ärzte in verkehrsreichen Gebieten, sofern weitere Voraussetzungen erfüllt sind.
19 Gemäß § 22 Abs. 4 KFG 1967 gelten für die Anbringung von Tonfolgeanlagen die Bestimmungen des § 20 Abs. 5 sinngemäß. Was im Folgenden zur Anbringung von Blaulicht ausgeführt wird, gilt demnach sinngemäß auch für die Anbringung von Tonfolgeanlagen.
20 Da das in Rede stehende Fahrzeug des Mitbeteiligten nicht zu den in § 20 Abs. 1 Z. 4 KFG 1967 genannten zählt, bedarf es für die Anbringung einer Blaulichtanlage einer Bewilligung des zuständigen Landeshauptmannes, vorliegendenfalls des Landeshauptmannes von Niederösterreich (des Revisionswerbers). Diese Auffassung wird auch von den Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof geteilt.
21 3.3.2. Sind die drei erwähnten Voraussetzungen (öffentliches Interesse an der Verwendung von Blaulicht, Fehlen von Bedenken vom Standpunkt der Verkehrs- und Betriebssicherheit, Verwendung des Fahrzeugs für die Leistung dringender ärztlicher Hilfe durch Ärzte in verkehrsreichen Gebieten unter den näher umschriebenen Voraussetzungen) erfüllt, so ist die angestrebte Bewilligung zu erteilen. Das KFG 1967 bietet, auch im Zusammenhang mit den Gesetzesmaterialien, keinen Hinweis darauf, dass die Erteilung der Bewilligung im Ermessen der Behörde läge (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 21. August 2014, Zl. Ro 2014/11/0068).
22 Das KFG 1967 sieht allerdings in § 20 Abs. 6 vor, dass Bewilligungen nach Abs. 5 unter den entsprechenden Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen der Gültigkeit zu erteilen sind. Durch Verordnung können die näheren Bestimmungen hinsichtlich der Bewilligungen nach Abs. 5 festgelegt werden, wobei insbesondere die Antragslegitimation, die Erteilungsvoraussetzungen, spezielle Einsatzbedingungen sowie die Führung entsprechender Aufzeichnungen über die Verwendung des Blaulichts zu regeln sind. Diese Ermächtigung geht zurück auf die 17. KFG-Novelle, BGBl. Nr. 654/1994, sie wird in den Gesetzesmaterialien (RV 1655 Blg NR 18. GP., 11) jedoch nicht näher erläutert. Eine Durchführungsverordnung ist nicht erlassen worden. Vor dem Hintergrund des Fehlens einer Verordnung nach § 20 Abs. 6 KFG 1967 bestehen nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes keine Bedenken dagegen, die Ermächtigung zur Erteilung der Bewilligung unter örtlichen Beschränkungen der Gültigkeit dahin zu verstehen, dass eine Bewilligung auch nur für Teile des Bundesgebietes erteilt wird, falls die Erteilungsvoraussetzungen im Einzelfall nur für diese Teile erfüllt sind (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis Zl. Ro 2014/11/0068).
23 Daraus folgt freilich, dass die uneingeschränkte Erteilung für ein bestimmtes Gebiet nur in Betracht kommt, wenn sämtliche Erteilungsvoraussetzungen für dieses Gebiet erfüllt sind.
24 3.3.3. Im Revisionsfall steht außer Streit, dass gegen die vom Mitbeteiligten beantragte Verwendung der Warnleuchte mit blauem Licht und des Tonfolgehorns vom Standpunkt der Verkehrs- und Betriebssicherheit keine Bedenken bestehen. Die Revision zieht auch nicht in Zweifel, dass die Verwendung im öffentlichen Interesse gelegen wäre, wenn das Fahrzeug des Mitbeteiligten ein solches iSd. § 20 Abs. 5 lit. e KFG 1967 wäre.
25 3.3.4. Die Erteilung der vom Mitbeteiligten angestrebten Bewilligung wäre nach § 20 Abs. 5 lit. e KFG 1967 nur zulässig, wenn das Fahrzeug des Mitbeteiligten bestimmt wäre "für die Leistung dringender ärztlicher Hilfe durch Ärzte in verkehrsreichen Gebieten, in denen kein mit einem Arzt besetzter Rettungsdienst und kein ärztlicher Bereitschaftsdienst gemäß lit. d zur Verfügung stehen".
26 3.3.4.1. Dass der Mitbeteiligte Arzt mit Ausbildung zum Notarzt ist, ist ebenso unstrittig wie der Umstand, dass es sich bei dem Kassenvertragssprengel des Mitbeteiligten in der Umgebung von Strengberg um ein verkehrsreiches Gebiet handelt. Die Revision zieht auch nicht in Zweifel, dass einerseits das in Rede stehende Fahrzeug des Mitbeteiligten für die Leistung dringender ärztlicher Hilfe durch ihn bestimmt ist und andererseits in dem Gebiet, für das die Bewilligung angestrebt wird, kein ärztlicher Bereitschaftsdienst gemäß § 20 Abs. 5 lit. d KFG 1967 zur Verfügung steht. Die Parteien des Verfahrens sind unterschiedlicher Auffassung nur hinsichtlich der weiteren (negativen) Voraussetzung, nämlich des Bestehens eines mit einem Arzt besetzten Rettungsdienstes. Während der Mitbeteiligte (wie das Verwaltungsgericht) der Auffassung ist, dass ein solcher mit einem Arzt besetzter Rettungsdienst im in Rede stehenden Gebiet nicht zur Verfügung stehe, vertritt der Revisionswerber die Auffassung, wegen des zur Verfügung stehenden Einsatzwagens des Notarztstützpunktes Amstetten bestehe sehr wohl ein solcher mit einem Arzt besetzter Rettungsdienst iSd. § 20 Abs. 5 lit. e KFG 1967.
27 3.3.4.2. § 20 Abs. 5 lit. e KFG 1967 stellt darauf ab, ob in einem verkehrsreichen Gebiet "ein mit einem Arzt besetzter
Rettungsdienst ... zur Verfügung steht". Bei verständiger
Auslegung dieser Voraussetzung kann es nicht darauf ankommen, ob ein verkehrsreiches Gebiet, wie es in § 20 Abs. 5 lit. e KFG 1967 genannt wird, "überhaupt" - unabhängig von der Anfahrtszeit - von einem entsprechend besetzten Rettungsdienst erreicht werden kann, weil es ansonsten praktisch keinen Anwendungsbereich für die Ausnahmebewilligung gäbe. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Gesetzgeber, wenn er an ein Zurverfügungstehen anknüpft, damit zum Ausdruck bringt, dass das zu beurteilende Gebiet ein solches ist, in dem keine ausreichende Versorgung mit einem entsprechend besetzten Rettungsdienst existiert.
28 Da sich weder aus dem Wortlaut noch aus den Materialien ausdrücklich ergibt, wann von einer ausreichenden Versorgung mit einem entsprechend besetzten Rettungsdienst gesprochen werden kann und auch eine konkretisierende Verordnung nach § 20 Abs. 6 KFG 1967 nicht erlassen worden ist, wird davon auszugehen sein, dass von einem Gebiet, in dem kein entsprechend besetzter Rettungsdienst zur Verfügung steht, dann zu sprechen ist, wenn in diesem Gebiet nicht gewährleistet ist, dass - von ganz außergewöhnlichen Verhältnissen abgesehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1996, Zl. 95/11/0263) - im Bedarfsfall innerhalb einer zumutbaren, dem Stand des Rettungswesens entsprechenden Hilfsfrist ein mit einem Arzt besetzter Rettungswagen eintrifft. Ein anderes Verständnis kann dem Gesetzgeber des KFG 1967, der hier der Art nach eine Bedarfsprüfungsregelung geschaffen hat, nicht zugesonnen werden.
29 Für die Ermittlung der erwähnten Hilfsfrist als Beurteilungsstandard werden mangels ausdrücklicher Regelung im KFG 1967 sowohl einschlägige - soweit vorhanden - österreichische als auch außerösterreichische Rettungsdienstvorschriften entsprechend zu berücksichtigen sein. Es genügt im Revisionsfall der Hinweis, dass etwa für das Burgenland (in anderen österreichischen Bundesländern sind derartige Regelungen nicht ersichtlich) nach § 5 Z. 9 der Richtlinien für den Rettungs- und Notarztrettungsdienst (Verordnung der Burgenländischen Landesregierung LGBl. Nr. 44/2007) Rettungsorganisationen zu gewährleisten haben, dass jeder an einer Straße liegende Notfallort in der Regel (95 % der Fälle) innerhalb der vorgegebenen Hilfsfrist von 15 Minuten erreicht werden kann. Ähnliche, deutlich unter 20 Minuten liegende, Hilfsfristen finden sich auch für die deutschen Bundesländer (vgl. zB. § 3 des Baden-Württembergischen Rettungsdienstgesetzes, § 2 der Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes (AVBayRDG), § 2 der Niedersächsichen Verordnung über die Bemessung des Bedarfs an Einrichtungen des Rettungsdienstes (BedarfVO-RettD), § 8 des Rettungsdienstgesetzes von Rheinland-Pfalz, § 6 des Saarländischen Rettungsdienstgesetzes; vgl. auch den Rettungsdienstplan des Landes Hessen, S 9) und - soweit ersichtlich - für die Schweiz (vgl. die Richtlinien des Interverbands für Rettungswesen zur Anerkennung von Rettungsdiensten).
30 3.3.4.3. Für den Revisionsfall ergibt sich daraus Folgendes:
Die Revision bringt einerseits nicht vor, dass die vom Verwaltungsgericht zur Beurteilung herangezogene Hilfsfrist von 20 Minuten zu kurz wäre. Sie bringt aber auch andererseits nicht konkret vor, dass im zu beurteilenden Gebiet die dem Stand des Rettungswesens entsprechende Hilfsfrist, nach den obigen Ausführungen jedenfalls unter 20 Minuten, von den erwähnten ganz außergewöhnlichen Verhältnissen abgesehen - von dem in Rede stehenden, in Amstetten stationierten Notarztrettungsdienst bei Fahrten in das Gebiet um die Gemeinde Strengberg, für das die Bewilligung vom Mitbeteiligten angestrebt wird, eingehalten würde.
31 Wird aber die Hilfsfrist nicht eingehalten, so kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn das Verwaltungsgericht gefolgert hat, dass die in § 20 Abs. 5 lit. e KFG 1967 umschriebene Voraussetzung (Nichtzurverfügungstehen eines mit einem Arzt besetzten Rettungsdienstes) erfüllt sei.
32 Aufgrund der unbestrittenen Auffassung, dass (auch) die anderen Voraussetzungen (vgl. oben Pkt. 3.3.3.) erfüllt sind, kann es daher auch nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass das Verwaltungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Bewilligung für das in Rede stehende Gebiet bejaht hat.
33 3.3.5. Es trifft zu, dass Bewilligungen nach § 20 Abs. 5 KFG 1967 gemäß § 20 Abs. 6 leg. cit. "unter den entsprechenden Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen der Gültigkeit" zu erteilen sind. Diese Bestimmung geht zurück auf die 17. KFG-Novelle, BGBl. Nr. 654/1994. Die Materialien (RV 1655 Blg NR 18. GP,11) führen dazu nur aus, es sollten für Bewilligungen nach § 20 Abs. 5 KFG 1967 auch erforderliche Auflagen vorgeschrieben werden können, wobei durch Verordnung nähere Bestimmungen hinsichtlich der Bewilligungserteilung festgelegt werden könnten.
34 Es versteht sich aber von selbst, dass damit nur solche Auflagen oder Einschränkungen gemeint sind, die sich zur Wahrung öffentlicher Interessen als erforderlich erweisen.
Die im angefochtenen Erkenntnis ausgesprochene Erteilung der beantragten Bewilligung unter der "Bedingung" (gemeint: Auflage), dass sich der Mitbeteiligte "als ‚Ärztlicher First Responder' zur Verfügung stellt", geht über diesen Rahmen zulässiger Auflagen oder Einschränkungen nicht hinaus, soll sie doch sicherstellen, dass die Bewilligungsvoraussetzung des öffentlichen Interesses (§ 20 Abs. 5 Einleitungshalbsatz KFG 1967) an der (ausnahmsweisen) Verwendung von Blaulicht und Tonfolgehorn im in Rede stehenden Gebiet erfüllt ist.
35 3.3.6. Nach den bisherigen Darlegungen war die Revision gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
36 4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. §1 Z. 3 lit. a der VwGH-Aufwandersatzverordnung.
Wien, am 26. Jänner 2017
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