VwGH Ra 2016/08/0096

VwGHRa 2016/08/009623.5.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revisionen der H GmbH in G, vertreten durch Dr. Roland Grilc, Mag. Rudolf Vouk und Dr. Maria Škof, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14/III, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26. April 2016,

  1. 1.) G312 2012407-1/3E und 2.) G312 2008688-1/3E, betreffend
  2. 1.) Teilversicherung in der Unfallversicherung und Beitragsnachverrechnung nach dem ASVG und 2.) Beitragszuschlag nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

    Kärntner Gebietskrankenkasse; weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz; mitbeteiligte Parteien:

    1. M R in K, 2. A P in K, 3. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §113 Abs1 Z1;
ASVG §113 Abs2;
ASVG §5 Abs1 Z2;
ASVG §7 Z3 lita;
MRK Art6;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §24;

 

Spruch:

Die angefochtenen Erkenntnisse werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Kärntner Gebietskrankenkasse hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 1.697,04 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem zu Ra 2016/08/0096 in Revision gezogenen Erkenntnis stellte das Bundesverwaltungsgericht in Bestätigung der Beschwerdevorentscheidung der Kärntner Gebietskrankenkasse (KGKK) vom 18. September 2014 fest, dass der Erstmitbeteiligte und der Zweitmitbeteiligte aufgrund ihrer Beschäftigung bei der revisionswerbenden Partei am 12. April 2014 der Teilversicherung in der Unfallversicherung gemäß § 7 Z 3 lit. a iVm § 5 Abs. 1 Z 2 ASVG unterlegen seien, und verpflichtete die revisionswerbende Partei,Beiträge in Höhe von EUR 11,06 nachzuentrichten.

2 Mit dem zu Ra 2016/08/0097 in Revision gezogenen Erkenntnis schrieb das Bundesverwaltungsgericht in Bestätigung des Bescheides der KGKK vom 23. Mai 2014 der revisionswerbenden Partei gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG einen Beitragszuschlag von EUR 1.800,-- vor.

3 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht jeweils aus, bei einer Überprüfung durch Prüforgane der Abgabenbehörden des Bundes am 12. April 2014 seien der Erstmitbeteiligte und der Zweitmitbeteiligte als Dienstnehmer für die revisionswerbende Partei arbeitend angetroffen worden, ohne beim Krankenversicherungsträger angemeldet gewesen zu sein. Es sei nicht glaubhaft, dass es sich - wie von der revisionswerbenden Partei behauptet - bei der vom Erstmitbeteiligten und Zweitmitbeteiligten durchgeführten Tätigkeit des Anbringens von Werbeplakaten um einen bloßen Freundschaftsdienst zu Gunsten der bei der revisionswerbenden Partei tätigen Schwester des Zweitmitbeteiligten gehandelt habe. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe unterbleiben können, weil der maßgebliche Sachverhalt bereits durch die Aktenlage hinreichend geklärt sei und keine komplexen Rechtsfragen zu lösen seien.

4 Gegen diese Erkenntnisse richten sich die vorliegenden außerordentlichen Revisionen. Die KGKK hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die Abweisung der Revisionen beantragt.

 

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

6 Die revisionswerbende Partei bringt zur Zulässigkeit ihrer Revisionen vor, das Bundesverwaltungsgericht habe seine schon nach Art. 6 EMRK bestehende Verpflichtung, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, verletzt. Im angefochtenen Erkenntnis seien Feststellungen getroffen worden, die dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei zum Vorliegen von Freundschaftsbzw. Gefälligkeitsdiensten widersprächen. Es sei daher nicht zulässig, auf eine unmittelbare Beweisaufnahme zu verzichten.

7 Die Revisionen sind zulässig und berechtigt. 8 Es gehört gerade im Fall widersprechender prozessrelevanter

Behauptungen zu den grundlegenden Pflichten des Verwaltungsgerichtes, dem auch im § 24 VwGVG verankerten Unmittelbarkeitsprinzip Rechnung zu tragen und sich als Gericht im Rahmen einer (bei Geltendmachung von "civil rights" in der Regel auch von Amts wegen durchzuführenden) mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit von Zeugen bzw. Parteien zu verschaffen und insbesondere darauf seine Beweiswürdigung zu gründen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 02. Februar 2017, Ra 2016/08/0148, mwN).

9 Da die Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf einer Verkennung der Vorgaben des § 24 VwGVG beruhte, war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

10 Der Ausspruch über den Aufwandersatz im Ausmaß des Begehrens gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014; insbesondere auf § 52 Abs. 1 VwGG.

Wien, am 23. Mai 2017

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte