Normen
AVG §63 Abs1;
AVG §8;
AVG §9;
B-VG Art130;
B-VG Art133;
FlVfGG §15;
FlVfGG §36 Abs1;
FlVfGG §36;
FlVfLG Bgld 1970 §91;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AVG §63 Abs1;
AVG §8;
AVG §9;
B-VG Art130;
B-VG Art133;
FlVfGG §15;
FlVfGG §36 Abs1;
FlVfGG §36;
FlVfLG Bgld 1970 §91;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die revisionswerbende Urbarialgemeinde fasste in ihrer Vollversammlung vom 24. September 2015 unter Tagesordnungspunkt 2 den Beschluss, auf zwei näher genannten Grundstücken eine Waldfläche im Ausmaß von 4,06 ha auszupflanzen.
2 Diesen Beschluss beeinspruchten der Obmann und zwei weitere überstimmte Mitglieder der Urbarialgemeinde.
3 Die belangte Behörde holte Gutachten ein und hob mit Bescheid vom 21. März 2016 den genannten Tagesordnungspunkt der Vollversammlung der Urbarialgemeinde auf.
4 Dagegen erhob die Urbarialgemeinde, vertreten durch den Obmannstellvertreter, unter Berufung auf einen Beschluss des Verwaltungsausschusses Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht.
Sie berief sich darauf, dass der Verwaltungsausschuss das nach § 17 Abs. 2 lit. a der Satzungen für Agrargemeinschaften (Urbarialgemeinden) für den Beschluss zur Beschwerdeerhebung zuständige Organ sei. Es wurde die Aufhebung des in Beschwerde gezogenen Bescheides beantragt.
5 Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Burgenland (LVwG) vom 11. Juli 2016 wurde die Beschwerde "des Verwaltungsausschusses der Urbarialgemeinde" gemäß § 28 Abs. 1 in Verbindung mit § 31 VwGVG "mangels Parteistellung" als unzulässig zurückgewiesen.
Die ordentliche Revision wurde nicht als zulässig erklärt. 6 Dies wurde damit begründet, dass nach § 17 Abs. 2 der Satzungen für Agrargemeinschaften (Urbarialgemeinden) dem Verwaltungsausschuss insbesondere die Einleitung gerichtlicher Schritte zur Wahrung der Gemeinschaftsinteressen obliege, sofern die Vollversammlung hiezu nicht fristgerecht beschließen könne. Diese Satzungen seien im Jahr 1971 erlassen worden, also zu einer Zeit, als es noch keine Verwaltungsgerichte gegeben habe. Mit den in § 17 Abs. 2 der Satzung angesprochenen "Schritten" seien offensichtlich Schritte bei Zivil- und Strafgerichten gemeint gewesen. Die gesetzliche Ermächtigung umfasse jedoch nicht das Ergreifen eines Rechtsmittels in einem Verwaltungsverfahren. Um ein solches Verfahren gehe es hier.
Diesbezüglich gälten die Verfahrensbestimmungen des Burgenländischen Flurverfassungs-Landesgesetzes (FLG) und es sei im Übrigen das AVG anzuwenden. Aus § 91 des FLG und § 8 AVG ergebe sich, wer die Parteien eines Verfahrens seien und wem Beschwerderechte zukämen. Parteien des gegenständlichen Verfahrens seien demnach einerseits die überstimmten Mitglieder gewesen, welche gemäß § 14 Abs. 1 der Satzungen für Agrargemeinschaften die Aufhebung des Beschlusses der Vollversammlung beantragt hätten, und andererseits die Urbarialgemeinde, deren Vollversammlungsbeschluss von der Agrarbehörde aufgehoben worden sei. Keine Parteistellung hätte der Verwaltungsausschuss, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.
7 In ihrer gegen diesen Beschluss erhobenen außerordentlichen Revision macht die Urbarialgemeinde geltend, es liege eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor, weil in Bezug auf die Frage, was unter der Einleitung "gerichtlicher Schritte" nach § 17 Abs. 2 der Verwaltungssatzungen zu verstehen sei, das LVwG die Rechtslage verkannt habe.
Der Verwaltungsausschuss handle nicht in der Wahrung eigener Interessen, sondern in der Wahrung der Interessen der Gemeinschaft und sei ein vertretungsbefugtes Außenorgan. Wenn es heiße, er sei zur Einleitung gerichtlicher Schritte berechtigt, um Interessen der Gemeinschaft zu wahren, so gebe es keinerlei Anhaltspunkte dahingehend, dass damit lediglich Schritte bei Zivil- und Strafgerichten gemeint seien. Es ergebe sich kein sachlicher Grund, weshalb die im Text der Bestimmung des § 17 genannten gerichtlichen Schritte jene bei Verwaltungsgerichten nicht umfassen sollten. Im Jahr 1971 habe es sehr wohl den Verwaltungsgerichtshof und den Verfassungsgerichtshof gegeben und es gebe keine Entscheidungen dahingehend, dass diese Gerichte Zweifel an der Legitimation des Verwaltungsausschusses gehabt hätten, gerichtliche Schritte zu veranlassen und einzuleiten. Entgegen der Ansicht des LVwG sei vom Begriff "gerichtliche Schritte" auch die Einleitung von Verfahren beim Landesverwaltungsgericht umfasst.
8 Dazu erstattete die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung vom 10. November 2016, in der sie unter Hinweis auf die Begründung des LVwG beantragte, der außerordentlichen Revision keine Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, denen der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegensteht, ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
11 2. Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen der Satzungen für Agrargemeinschaften (Urbarialgemeinden), erlassen mit Verordnung des Amtes der Burgenländischen Landesregierung als Agrarbehörde vom 29. Mai 1971, Zl V/1-7069/49-71, idgF, haben folgenden Wortlaut:
"§ 7. (1) ...
(2) Die Organe der Agrargemeinschaft sind:
a) die Vollversammlung;
b) der Verwaltungsausschuss;
c) der Obmann.
§ 17. (1) Der Verwaltungsausschuss ist zur Beschlussfassung in jenen Angelegenheiten berufen, die nicht der Vollversammlung vorbehalten sind und über die der Obmann nicht selbständig verfügen kann oder will.
(2) Dem Verwaltungsausschuss obliegt insbesondere:
a) die Einleitung gerichtlicher Schritte zur Wahrung der
Gemeinschaftsinteressen, sofern die Vollversammlung hiezu nicht
fristgerecht beschließen kann;
b) ...
§ 19. (1) Der Obmann hat die laufenden ordentlichen
Verwaltungsgeschäfte zu besorgen, insoweit sie nicht nach den
Satzungen der Beschlussfassung des Verwaltungsausschusses
vorbehalten sind. Ihm obliegt insbesondere
a) die Vertretung der Agrargemeinschaft nach außen;
b) ..."
12 Die revisionswerbende Urbarialgemeinde ist eine Agrargemeinschaft (im Sinne des FLG) und eine Körperschaft öffentlichen Rechts; sie handelt durch ihre Organe (vgl. dazu ua die hg. Erkenntnisse vom 26. März 2015, Ra 2014/07/0021, und vom 24. Oktober 2013, 2013/07/0084, sowie den hg. Beschluss vom 20. Februar 2014, 2011/07/0141).
13 Die Organe der Urbarialgemeinde sind nach § 7 der Satzungen der Obmann, der Verwaltungsausschuss oder die Vollversammlung. Je nach dem Inhalt der konkreten Tätigkeit ergibt sich die Zuständigkeit eines dieser Organe; § 8 regelt den Wirkungsbereich der Vollversammlung, § 17 den Wirkungsbereich des Verwaltungsausschusses und § 19 den des Obmannes. Der Obmann, im Verhinderungsfall dessen Stellvertreter, vertritt nach § 19 Abs. 1 lit a) der Satzungen die Agrargemeinschaft nach außen (schlechthin).
Der - hier in Rede stehende - Verwaltungsausschuss handelt als Organ stets für die Urbarialgemeinde, ihm kommt keine eigene Rechtspersönlichkeit zu.
14 3. Vor diesem Hintergrund ist das vorliegende Verwaltungsgeschehen folgendermaßen zu beurteilen:
15 3.1. Der Bescheid der belangten Behörde vom 21. März 2016 erging (ua) gegenüber der Urbarialgemeinde.
Die dagegen erhobene Beschwerde vom 13. April 2016 nennt als Beschwerdeführerin im Kopf des Schreibens die Urbarialgemeinde, vertreten durch das nach außen vertretungsbefugte Organ, im vorliegenden Fall den Obmannstellvertreter. Dieser unterfertigte auch die Beschwerde.
Inhaltlich wurde in der Beschwerde auf den beiliegenden Beschluss des Verwaltungsausschusses verwiesen (Beilage). Diese Beilage (datiert mit 11. April 2016) nennt als Beschwerdeführerin neuerlich die "Urbarialgemeinde - Verwaltungsausschuss"; gezeichnet ist die Beilage "Für den Verwaltungsausschuss - der Obmann, in Vertretung: der Obmannstellvertreter".
16 Aus dem Gesamteindruck der Beschwerde vom 13. April 2016 ergibt sich daher, dass die Urbarialgemeinde - unter Berufung auf die Willensbildung des Verwaltungsausschusses - Beschwerde an das LVwG erheben wollte. Davon, dass der Verwaltungsausschuss selbst als Beschwerdeführer auftreten wollte, ist hingegen nicht auszugehen.
17 3.2. Mit dem in Revision gezogenen Beschluss des LVwG wurde nicht über die Beschwerde der Urbarialgemeinde, sondern über die Beschwerde des "Verwaltungsausschusses der Urbarialgemeinde" mangels Parteistellung zurückweisend entschieden.
Die Begründung des LVwG führt allerdings nicht das Fehlen der Parteistellung des Verwaltungsausschusses (mangels eigener Rechtspersönlichkeit) ins Treffen, sondern befasst sich mit der Frage, ob die Beschlussfassung zur Beschwerdeerhebung in den Wirkungsbereich des Verwaltungsausschusses fällt.
Zugestellt wurde der angefochtene Beschluss des LVwG sowohl an den Verwaltungsausschuss der Urbarialgemeinde als auch an die Urbarialgemeinde selbst. Auch dieser Umstand zeigt, dass das LVwG davon ausging, dass dem Verwaltungsausschuss der Urbarialgemeinde - eine von der Urbarialgemeinde verschiedene - Rechtspersönlichkeit zukommt und dass mit dem angefochtenen Beschluss nicht über eine Beschwerde der Urbarialgemeinde sondern über eine Beschwerde des Verwaltungsausschusses abgesprochen wurde.
18 3.3. Die vorliegende Revision wurde von der "Urbarialgemeinde - Verwaltungsausschuss", vertreten durch den Obmannstellvertreter, dieser vertreten durch den einschreitenden Rechtsvertreter, erhoben.
Eingangs der Ausführung der Revision wird darauf hingewiesen, dass die Revision durch die Urbarialgemeinde erhoben wird. Die Revisionswerberin betont, dass der Verwaltungsausschuss nicht in eigenem Namen Beschwerde (und auch nicht Revision) erhoben hat, sondern dass er im Verfahren (lediglich) als Organ der Urbarialgemeinde auftrat.
19 Wie oben dargestellt, wurde mit dem in Revision gezogenen Beschluss über eine Beschwerde des Verwaltungsausschusses der Urbarialgemeinde entschieden. Über die Beschwerde der Urbarialgemeinde wurde - nach dem Ausweis der Akten - noch keine Entscheidung getroffen.
Die revisionswerbende Urbarialgemeinde kann daher durch den angefochtenen Beschluss nicht in ihren Rechten verletzt werden. Ihr fehlt es aus diesem Grund an der Berechtigung zur Erhebung einer Revision.
20 Ihre Revision war somit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
21 Für das fortgesetzte Verfahren wird zur Rechtsansicht des LVwG, wonach der Verwaltungsausschuss nicht zur Beschlussfassung über die Erhebung gerichtlicher Schritte (durch die Urbarialgemeinde) befugt wäre, auf Folgendes hingewiesen:
22 Eine Formulierung mit wortidentem Inhalt, wonach die "Einleitung gerichtlicher Schritte" dem Ausschuss obliegt, findet sich regelmäßig in Satzungen von Agrargemeinschaften.
Die Befugnis zur Beschlussfassung über die "Einleitung gerichtlicher Schritte" fällt typischerweise weder in die Kompetenz des Obmanns einer Agrargemeinschaft noch in den Aufgabenbereich der Vollversammlung, sondern liegt regelmäßig im Wirkungsbereich des Ausschusses (bzw. Vorstands) einer Agrargemeinschaft oder einer vergleichbaren Gemeinschaft im Bereich der Bodenreform (vgl. dazu zB auch die Satzungen von Güterweggemeinschaften).
23 Die Frage, ob unter der "Einleitung gerichtlicher Schritte" nur die Anrufung der Straf- oder Zivilgerichte zu verstehen sei oder ob auch die Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts unter diesen Begriff zu subsumieren sei, stellte sich bereits bei der Erhebung von Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof.
24 Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hatte sich daher in der Vergangenheit bereits mehrfach mit der Frage zu beschäftigen, ob unter "Einleitung gerichtlicher Schritte" auch die Erhebung von Beschwerden (nun: von Revisionen) an den Verwaltungsgerichtshof zu verstehen sei.
25 Dabei wurde zwischen der Erhebung einer Berufung an eine im Instanzenzug übergeordnete Verwaltungsbehörde zum einen und der Erhebung einer Beschwerde im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbarkeit zum anderen unterschieden. Während der erstgenannte Schritt nicht als "Einleitung gerichtlicher Schritte" qualifiziert wurde, wurde dies bei Anrufung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in ständiger Rechtsprechung bejaht (vgl. unter vielen die hg. Erkenntnisse vom 5. Juli 1976, 417/76, vom 28. März 1995, 94/07/0042, vom 24. Juli 2008, 2007/07/0100, und vom gleichen Tag, 2007/07/0150, sowie vom 26. April 2012, 2011/07/0245).
26 Fiel und fällt aber die Erhebung einer Beschwerde (Revision) an den Verwaltungsgerichtshof unter "Einleitung gerichtlicher Schritte", so gilt dies auch für die Erhebung einer Beschwerde an ein Verwaltungsgericht. Die Erhebung einer Beschwerde an ein Verwaltungsgericht stellt - im Gegensatz zur Einbringung einer Berufung bei einer Rechtsmittelbehörde - ebenfalls einen "gerichtlichen Schritt" im Sinne des § 17 Abs. 2 lit. a der Satzungen dar.
Wien, am 26. Jänner 2017
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