VwGH Ra 2016/06/0150

VwGHRa 2016/06/015029.6.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Hofrätin Dr. Bayjones und Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, über die Revision der BürgerInneninitiative gemäß § 19 Abs. 4 UVP-G 2000 "A", vertreten durch die Rechtsanwaltspartnerschaft Venus & Lienhart in 8280 Fürstenfeld, Augustinerplatz 7, gegen das mit Beschluss vom 27. Oktober 2016 berichtigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Oktober 2016, Zl. W225 2106319-1/67E, betreffend Bewilligung für eine Schnellstraße u.a. nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie; mitbeteiligte Partei: ASFINAG, vertreten durch die ASFINAG Bau Management GmbH in Wien, diese vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19), und den Beschluss des Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2016, Zl. 2106319-1/71Z, betreffend Zurückweisung von Anträgen, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §52;
AVG §53;
AVG §7 Abs1 Z3;
AVG §7;
B-VG Art133 Abs4;
RDG §57 Abs1;
VwGG §28 Abs1 Z5;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §6;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016060150.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. Februar 2015 wurde der mitbeteiligten Partei die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb des Vorhabens "S X F Schnellstraße, Abschnitt W, R (A 2) - D "nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000) und dem Forstgesetz 1975 sowie den Bestimmungen des Straßenverlaufes gemäß Bundesstraßengesetz 1971 und die Genehmigung der Tunnel-Vorentwürfe gemäß Straßentunnel-Sicherheitsgesetz" erteilt.

2 Gegen diesen Bescheid erhoben die revisionswerbende Bürgerinitiative und weitere Personen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Dieses wies mit Erkenntnis vom 20. Oktober 2016, berichtigt mit Beschluss vom 27. Oktober 2016, unter anderem die Beschwerde der Revisionswerberin in näher genannten Punkten ab (Spruchpunkt A.) und in weiteren Punkten mangels Zuständigkeit zurück (Spruchpunkt B.II.). Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für nicht zulässig erklärt.

3 Bereits mit Beschluss des Präsidenten des BVwG vom 18. Oktober 2016 waren im Zusammenhang mit dem damals beim BVwG anhängigen UVP-Verfahren Anträge der Revisionswerberin auf Ausschließung der vorsitzenden Richterin des BVwG wegen Befangenheit sowie auf Enthebung näher genannter Amtssachverständiger und nichtamtlicher Sachverständiger zurückgewiesen worden. Gegen diesen Beschluss war gemäß § 25a Abs. 3 VwGG eine abgesonderte Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig erklärt worden.

4 Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 24. Februar 2017, E 3087-3088/2016-8, die Behandlung der von der Revisionswerberin gegen das Erkenntnis des BVwG vom 20. Oktober 2016 und gegen den Beschluss des BVwG vom 18. Oktober 2016 erhobenen Beschwerde abgelehnt.

5 In der vorliegenden gegen das mit Beschluss vom 27. Oktober 2016 berichtigte Erkenntnis des BVwG vom 20. Oktober 2016 und den Beschluss des Präsidenten des BVwG vom 18. Oktober 2016 erhobenen außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof wird die Aufhebung der genannten Entscheidungen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.

6 Anknüpfend an die erfolgte Bekämpfung des Erkenntnisses des BVwG in Verbindung mit dem Beschluss des BVwG vom 18. Oktober 2016 deutet der Verwaltungsgerichtshof den Sachverhalt dahingehend, dass das BVwG durch den nach der Geschäftseinteilung zuständigen Senat unter Zugrundelegung der Annahme, dass keine Befangenheit der Vorsitzenden vorliege, entschieden hat. Das gegen die Annahme des Nichtvorliegens der Befangenheit gerichtete Vorbringen ist als Vorwurf eines diesbezüglich gegebenen Verfahrensmangels zu werten und bei der Prüfung der Revision ins Kalkül zu ziehen.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Zu ihrer Zulässigkeit wird in der vorliegenden Revision zunächst ausgeführt, das angefochtene Erkenntnis in Verbindung mit dem Beschluss des BVwG vom 18. Oktober 2016 werfe die bisher von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht behandelte Rechtsfrage auf, inwieweit für die Beurteilung des Vorliegens von Befangenheitsgründen nach §§ 6 und 17 VwGVG iVm § 7 Abs. 1 Z 3 AVG die nach dem Bundesgesetz über das Dienstverhältnis der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und Richteramtsanwärterinnen und Richteramtsanwärter (Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz - RStDG) maßgeblichen Bestimmungen über die Dienstpflichten, insbesondere der unparteiischen Verfahrensführung (§ 57 Abs. 1 RStDG) zu berücksichtigen seien.

11 Die Zulässigkeit einer Revision bei Behauptung einer Befangenheit setzt aus dem Grunde des Art. 133 Abs. 4 B-VG jedenfalls voraus, dass im Zuge dieser Rüge eine grundsätzliche Rechtsfrage (des Verfahrensrechtes) aufgeworfen wird. Rechtsfragen des Verfahrensrechtes (insbesondere auch solche der Befangenheit) sind nur dann von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt ist und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hat (vgl. die hg. Entscheidung vom 19. Oktober 2016, Ra 2015/12/0081, mwN).

12 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bestehen gegen die Heranziehung (auch) von Amtssachverständigen durch das Verwaltungsgericht keine grundsätzlichen Bedenken. Die Unbefangenheit der oder des Amtssachverständigen muss vielmehr jeweils gesondert geprüft werden (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 27. Juli 2016, Ra 2016/06/0074, mwN). Ferner vermag der Umstand allein, dass sich ein Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung auf die gutachterlichen Ausführungen eines im verwaltungsbehördlichen Verfahren beigezogenen (Amts‑)Sachverständigen gestützt hat, noch keine Bedenken gegen dessen volle Unbefangenheit zu begründen (vgl. dazu die hg. Beschlüsse vom 23. November 2016, Ra 2016/04/0113, mwN, und vom 20. Juni 2016, Ra 2016/09/0046; zur Frage der Beiziehung von Sachverständigen in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten in Angelegenheiten des UVP-G 2000 vgl. den hg. Beschluss vom 19. März 2015, Ra 2015/06/0024).

13 Allein der Umstand, dass die Revisionswerberin im Verfahren vor der erstinstanzlichen Behörde Sachverständige abgelehnt habe, ist ungenügend. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vermag der Verweis der Revision auf das Vorbringen im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht und im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde die erforderliche gesonderte Darlegung der Zulässigkeit der Revision (schon deshalb) nicht zu ersetzen, weil nach § 28 Abs. 3 VwGG die Revision selbst jene Gründe zu enthalten hat, aus denen die Revision entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts für zulässig erachtet wird (vgl. den Beschluss vom 27. November 2014, Ra 2014/03/0041, mwN).

14 Der vorliegenden Revision mangelt es an der Darstellung von Gründen für die behauptete Untauglichkeit der vom BVwG beigezogenen Sachverständigen. Demnach fehlt es auch an einer nachvollziehbaren Begründung des gegenüber der vorsitzenden Richterin des BVwG erhobenen Vorwurfs einer parteiischen Ausübung des richterlichen Amtes.

15 Ferner wird zur Zulässigkeit der Revision vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis des BVwG weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich des Vorhabensbegriffes gemäß § 2 Abs. 2 UVP-G 2000 ab, weil es die ausschließlich für die Errichtung des Vorhabens F Schnellstraße S X behördlich genehmigten und unmittelbar an das Baufeld dieses Vorhabens angrenzenden Kies- und Schottergewinnungsanlagen nicht dem Vorhaben F Schnellstraße S X zugerechnet habe. Der Verwaltungsgerichtshof habe bereits mehrfach festgehalten, dass der Begriff des Vorhabens im Sinne des § 2 Abs. 2 UVP-G 2000 weit zu verstehen sei. Dieser weite Vorhabensbegriff erfordere es, ein oder mehrere Projekt(e) in seiner (ihrer) Gesamtheit und unter Einbeziehung jener Anlagen und Anlagenteile, die für sich nicht UVP-pflichtig wären, zu beurteilen. Es sei auf den räumlichen und sachlichen Zusammenhang der einzubeziehenden Anlagen oder Eingriffe abzustellen. Liege ein solcher Zusammenhang - wie im vorliegenden Fall - vor, sei von einem Vorhaben auszugehen und es seien daher die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen des gegenständlichen Vorhabens unter Einschluss der angesprochenen Kies- und Schottergewinnungsanlagen zu prüfen.

16 Die Revisionswerberin selbst betont unter Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes das Erfordernis eines "gemeinsamen Betriebszweckes" "durch bewusstes und gewolltes Zusammenwirken" von Projekten verschiedener Projektwerber (vgl. dazu auch Schmelz/Schwarzer, Kommentar zum Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (2011), Rz 27 und 33 zu § 2 UVP-G 2000, und die dort zitierte Judikatur).

17 Sie bekämpft aber nicht die Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses, dass die mitbeteiligte Partei mit den genannten Projekten der Schotter- und Kiesgewinnungen bzw. dessen Betreibern in keinerlei Geschäftsbeziehungen stehe und auch nicht beeinflussen könne, welchen Zweck die entsprechenden Betreiber der Anlagen in ihren jeweiligen Einreichunterlagen angeben bzw. welche wirtschaftlichen Interessen diese Betreiber verfolgten, und dass die Beschaffung von Baumaterialien den Unternehmen obliege, die im Wege der Ausschreibung von der mitbeteiligten Partei beauftragt würden.

18 Auch den Ausführungen des BVwG, nur deshalb, weil die wirtschaftlichen Absichten der Betreiber der Schotter- und Kiesgewinnungen offenbar darauf gerichtet seien, Material im Zusammenhang mit der Errichtung des gegenständlichen Bundesstraßenbauvorhabens liefern zu wollen, bedeute dies nicht, dass die für den Bau erforderlichen Materialien tatsächlich aus diesen Anlagen stammten bzw. die Betreiber diesbezüglich automatisch zum Zug kämen, tritt die Revisionswerberin nicht konkret entgegen.

19 Auf dem Boden der wiedergegebenen, von der Revisionswerberin nicht bekämpften Feststellungen des BVwG ist vorliegend ein gemeinsamer Betriebszweck im genannten Sinn nicht erkennbar.

20 Im Übrigen ist anzumerken, dass die Revisionswerberin auch den mit den begründenden Ausführungen des erstinstanzlichen Bescheides übereinstimmenden Erwägungen des BVwG, wonach im Rahmen des gegenständlichen UVP-Verfahrens die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen des Bundesstraßenbauvorhabens - insbesondere auch die Auswirkungen der Anlieferung der für die Errichtung des gegenständlichen Bundesstraßenbauvorhabens erforderlichen Materialien - geprüft worden seien, nicht entgegentritt.

21 Schließlich wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision ausgeführt, das angefochtene Erkenntnis beurteile "in aktenwidriger Weise" die von der mitbeteiligten Partei vor Abschluss des UVP-Verfahrens vor der belangten Behörde in den Jahren 2009 bis 2011 veranlassten Schlägerungen im Ewald, im Swald, im Cwald und östlich von Rdorf und die dadurch erfolgte "Unterdrückung von Beweismitteln" im UVP-Verfahren als irrelevant und tatsachenwidrig.

22 Zu den in diesem Zusammenhang erhobenen Vorwürfen von Verfahrensmängeln ist auf die Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis zu verweisen, dass eine eingehende Befassung mit dem neuen Sachverhalt durch die Sachverständigen erfolgt sei. Diese gutachterliche Beurteilung der Sachverständigen habe ergeben, dass durch die Schlägerungen keine Änderung des Sachverhalts gegeben sei, die zu einer Änderung der Beurteilung des Vorhabens als umweltverträglich führen würde. Dem tritt die Revisionswerberin nicht konkret entgegen.

23 Angesichts dessen erweist sich - worauf auch das BVwG im angefochtenen Erkenntnis zutreffend hinwies - die Frage, wer die in Rede stehenden Schlägerungen letztlich "veranlasst" hat, für die vorliegende Beurteilung als irrelevant.

24 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nicht öffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 29. Juni 2017

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