VwGH Ra 2016/06/0024

VwGHRa 2016/06/002422.11.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Bayjones und MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, über die Revision der H K in L, vertreten durch Dr. Christof Joham und Mag. Andreas Voggenberger, Rechtsanwälte in 5301 Eugendorf, Gewerbestraße 13, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 24. November 2015, LVwG 50.25-2458/2015-14, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Gemeinderat der Marktgemeinde St. Nikolai im Sausal; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung, Hofgasse 15, 8010 Graz; mitbeteiligte Parteien: 1. I G, 2. J G, beide in S, beide vertreten durch Bruckner & Ullrich-Pansi Rechtsanwälte OG, in 8430 Leibnitz, Kadagasse 19), zu Recht erkannt:

Normen

BauG Stmk 1995 §13 Abs2;
BauG Stmk 1995 §13 Abs4;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Marktgemeinde St. Nikolai im Sausal hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2014, 2011/06/0077, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde der Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 11. März 2011 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof führte in diesem Erkenntnis betreffend die Ermittlung des gemäß § 13 Steiermärkisches Baugesetz 1995 (Stmk BauG 1995) einzuhaltenden Grenzabstandes Folgendes aus:

"Die Nichtanrechenbarkeit des Dachgeschosses im Sinne des § 13 Abs. 5 leg. cit. stützten die Behörden darauf, dass die Kniestockhöhe des Dachgeschosses 1,25 m und die Dachneigung nicht mehr als 70 Grad beträgt. Wie die Behörden zu dieser Feststellung gelangten, ist vor dem Hintergrund der Begriffsbestimmung in § 4 Z. 40 BauG 1995 in Verbindung mit den vorliegenden Planunterlagen nicht nachvollziehbar und wird auch nicht begründet. Da der einzuhaltende Grenzabstand gemäß § 13 Abs. 2 leg. cit. von der Anrechenbarkeit des Dachgeschosses abhängt, diese Frage aber auf Grund des aufgezeigten Begründungsmangels nicht abschließend beurteilt werden kann, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Bemerkt wird, dass auch bei einem Grenzabstand von 3 m das Kellergeschoss diesen Abstand einzuhalten hat."

2 Mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 18. August 2014 wurde der als Beschwerde zu qualifizierenden Vorstellung der Revisionswerberin vom 23. Mai 2010 stattgegeben, der Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde St. Nikolai im Sausal vom 17. Mai 2010 gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Gemeinderat zurückverwiesen.

3 Im fortgesetzten Verfahren wies der Gemeinderat der Marktgemeinde St. Nikolai im Sausal mit Bescheid vom 24. Juni 2015 die Berufung der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde St. Nikolai im Sausal vom 8. April 2010 als unbegründet ab und sprach aus, dass der von den mitbeteiligten Parteien (Bauwerbern) vorgelegte Einreichplan vom 30. September 2009 "idF der Revision vom 23.12.2014, verfasst von BM Ing. F." einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides bilde.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde der Revisionswerberin gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass der Spruch des vor dem Verwaltungsgericht bekämpften Bescheides in Bezug auf die beantragte Projektänderung im Rahmen der Baubeschreibung wie folgt ergänzt werde:

"Im Dachgeschoß im Bereich der Widerkehr wird die Gebäudefront des Dacherkers parallel zur Grundgrenze ausgeführt und ist die Gebäudefront des Dacherkers auch im Einreichplan vom 30.09.2009, überarbeitet am 23.12.2014, im Plan "Dachgeschoß" parallel mit der westseitigen Grundgrenze dargestellt und weist einen Abstand von 3.03 m zu dieser auf. Die Auskragung gegenüber dem darunterliegenden Erdgeschoß beträgt südwestseitig 0 cm und laut planlicher Darstellung nordwestseitig 29 cm. Hingegen war die Gebäudefront des Dacherkers im ursprünglichen, nicht mehr maßgebenden Einreichplan vom 30.09.2009 (Eingangsstempel der Marktgemeinde St. Nikolai im Sausal vom 05.02.2010) parallel mit der Gebäudefront des Hauptbaukörpers dargestellt und kragte über die gesamte Länge maßstäblich dargestellt 30 cm über das darunterliegende Erdgeschoß aus. Die ursprünglich auf der gesamten Länge der Widerkehr 30 cm tiefe Auskragung soll nunmehr auf eine dreieckige Auskragung von 0 bis 29 cm verringert werden, wodurch sich, insbesondere an der Südwestecke der Widerkehr, ein größerer Grenzabstand ergibt (nunmehr über die gesamte Gebäudefront des Dacherkers 3,03 m)" und dass die Baubewilligung für den "Zu- und Umbau" dieses Gebäudes erteilt wird".

Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

5 Das Verwaltungsgericht stellte hinsichtlich der zur (dem Grundstück der Revisionswerberin zugewandten) westlichen Nachbargrundgrenze unter anderem fest, dass im Kellergeschoß "in Massivbauweise" infolge der verschränkten Lage ein geringster Grenzabstand an der südwestlichen Gebäudeecke von 2,75 m bestehe und der Grenzabstand Richtung Norden zunehme.

6 In rechtlicher Hinsicht ging das Verwaltungsgericht (soweit für den vorliegenden Revisionsfall wesentlich) davon aus, dass der erforderliche Grenzabstand im Sinn der Bestimmung des § 13 Abs. 2 Stmk BauG 1995 3 m betrage und das Kellergeschoß als ein im Sinn von § 13 Abs. 4 Stmk BauG 1995 nicht anrechenbares Geschoß zu qualifizieren sei. Das Verwaltungsgericht führte weiters aus, dass entgegen der Ansicht der Revisionswerberin der Grenzabstand nicht von der Außenwand des nicht anrechenbaren Kellergeschoßes zu berechnen sei. Wenn ein Kellergeschoß - wie im vorliegenden Fall - die Ausmaße des § 13 Abs. 4 Stmk BauG 1995 einhalte, sei es auf die Gebäudefront nicht anzurechnen. Es sei somit hinsichtlich des Kellergeschoßes jedenfalls von einem ausreichenden Grenzabstand auszugehen.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der die Revisionswerberin die Entscheidung in der Sache durch den Verwaltungsgerichtshof, hilfsweise die Behebung des angefochtenen Erkenntnisses, sowie Kostenersatz beantragt.

8 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde sowie die mitbeteiligten Parteien erstatteten Revisionsbeantwortungen, in denen die kostenpflichtige Zurückweisung der Revision, hilfsweise deren Abweisung beantragt wird.

9 Zur Zulässigkeit führt die Revision unter anderem aus, dass das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insofern abweiche, als das Verwaltungsgericht unzutreffender Weise davon ausgegangen sei, dass im Hinblick auf das Kellergeschoß der erforderliche Grenzabstand nicht einzuhalten sei.

10 Die Revision erweist sich aus dem von der Revisionswerberin aufgezeigten Grund als zulässig. Sie ist auch berechtigt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

11 Die maßgeblichen Bestimmungen des Stmk BauG 1995, LGBl. Nr. 59/1995 in der Fassung LGBl. Nr. 13/2010, lauteten auszugsweise:

"§ 4

Begriffsbestimmungen

...

Z. 28. Gebäude: eine bauliche Anlage, die mindestens einen oberirdischen überdeckten Raum bildet, der an den Seitenflächen allseits oder überwiegend geschlossen ist. Als Gebäude gelten jedoch auch offene Garagen;

Z. 29. Gebäudefront: Außenwandfläche eines Gebäudes ohne vorspringende Bauteile, wie z.B. Balkone, Erker, Vordächer jeweils in gewöhnlichen Ausmaßen; an Gebäudeseiten ohne Außenwände gilt die Vertikalebene entlang des Dachrandes als Gebäudefront;

...

40. Kniestockhöhe: das Maß des vertikalen Abstandes zwischen Oberkante der obersten Rohdecke und der Unterkante der tragenden Dachkonstruktion (Sparren), gemessen in der äußeren Außenwandebene;

...

§ 13

Abstände

(1) Gebäude sind entweder unmittelbar aneinander zu bauen oder müssen voneinander einen ausreichenden Abstand haben. Werden zwei Gebäude nicht unmittelbar aneinandergebaut, muß ihr Abstand mindestens so viele Meter betragen, wie die Summe der beiderseitigen Geschoßanzahl, vermehrt um 4, ergibt (Gebäudeabstand).

(2) Jede Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrenze errichtet wird, muß von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, wie die Anzahl der Geschosse, vermehrt um 2, ergibt (Grenzabstand).

(3) Steht ein Gebäude an der Grundgrenze, so hat der Nachbar, soferne durch einen Bebauungsplan oder durch Bebauungsrichtlinien nichts anderes bestimmt ist oder Gründe des Straßen-, Orts- und Landschaftsbildes nicht entgegenstehen, die Wahlmöglichkeit, entweder an die Grundgrenze anzubauen oder den erforderlichen Gebäudeabstand einzuhalten. Weist das Gebäude an der Grenze Öffnungen (Fenster, Türen und dgl.) auf, so ist der erforderliche Gebäudeabstand einzuhalten.

(4) Als Geschosse in der jeweiligen Gebäudefront sind jene anzurechnen,

(5) Nicht als Geschosse anzurechnen sind an der

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