VwGH Ro 2016/05/0011

VwGHRo 2016/05/001124.1.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Revision des K R in L, vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH in 1180 Wien, Weimarer Straße 55/1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11. März 2015, Zl. W109 2102256- 1/3E, betreffend Zurückweisung eines Feststellungsantrages gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Oberösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: S KG in L, vertreten durch die Anwälte Mandl & Mitterbauer GmbH in 4950 Altheim, Wiesnerstraße 2), zu Recht erkannt:

Normen

32011L0092 UVP-RL Art1 Abs2 lite;
32011L0092 UVP-RL Art1 Abs2;
32011L0092 UVP-RL Art11 Abs3;
32011L0092 UVP-RL Art11;
32011L0092 UVP-RL;
62013CJ0570 Gruber VORAB;
AVG §8;
BauO OÖ 1994 §31 Abs1 Z2;
BauO OÖ 1994 §35 Abs1;
EURallg;
GewO 1994 §75 Abs2;
UVPG 2000 §19;
UVPG 2000 §3 Abs7;
UVPG 2000 §3 Abs7a;
32011L0092 UVP-RL Art1 Abs2 lite;
32011L0092 UVP-RL Art1 Abs2;
32011L0092 UVP-RL Art11 Abs3;
32011L0092 UVP-RL Art11;
32011L0092 UVP-RL;
62013CJ0570 Gruber VORAB;
AVG §8;
BauO OÖ 1994 §31 Abs1 Z2;
BauO OÖ 1994 §35 Abs1;
EURallg;
GewO 1994 §75 Abs2;
UVPG 2000 §19;
UVPG 2000 §3 Abs7;
UVPG 2000 §3 Abs7a;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1 Der mitbeteiligten Partei (im Folgenden: Bauwerberin) wurde auf Grund deren Antrages vom 24. Juli 2014 mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde L. (im Folgenden: Bürgermeister) vom 12. September 2014 gemäß § 35 Abs. 1 Oö. Bauordnung 1994 (im Folgenden: BauO) die Baubewilligung "für den Neubau eines Schweinestalls (Warte-, Deck- u. Ferkelstall) mit Lagerhalle" auf einem näher bezeichneten Grundstück erteilt. Eine von drei Nachbarn (im Sinne des § 31 BauO) dagegen erhobene Berufung wurde (im zweiten Rechtsgang) mit Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde vom 8. Juli 2016 als unbegründet abgewiesen, wogegen die Berufungswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erhoben haben. Keiner dieser Bescheide wurde auch gegenüber dem Revisionswerber erlassen.

2 Mit Eingabe vom 12. Jänner 2015 stellte der Revisionswerber an die Oberösterreichische Landesregierung (im Folgenden: Landesregierung) unter Bezugnahme auf § 3 Abs. 7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 - UVPG 2000 (im Folgenden: UVP-G) den Antrag, diese möge feststellen, dass das Vorhaben der Bauwerberin einem Genehmigungsverfahren nach diesem Gesetz zu unterziehen sei. Dazu brachte er (u.a.) vor, dass im Rahmen des (von der Bauwerberin) geplanten Schweinezuchtprojektes auf einer Fläche von 2.100 m2 eine Zuchtanlage für 900 Ferkel und 170 Zuchtsauen errichtet werden solle. Nach Anhang 1 Z 43 des UVP-G bestehe für das Vorhaben grundsätzlich keine Verpflichtung zur UVP (Umweltverträglichkeitsprüfung) im Sinne des § 3 leg. cit. Der Bürgermeister habe mit Bescheid vom 12. September 2014 die Baubewilligung für das gegenständliche Vorhaben erteilt, wobei der Revisionswerber im diesbezüglichen Bauverfahren auf Grund der Entfernung seines Grundstückes von mehr als 50 m zum Baugrundstück keine Parteistellung und somit auch keine Möglichkeit, seine Rechte geltend zu machen, gehabt habe. Ihm komme jedoch bei unionsrechtskonformer Auslegung der Richtlinie 2011/92/EU (gemeint: Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 26 vom 28.1. 2012, S 1-21, im Folgenden: UVP-RL) im nunmehr beantragten Feststellungsverfahren Parteistellung zu. Das Genehmigungsverfahren für das Bauvorhaben sei nicht nach der BauO, sondern nach dem UVP-G zu führen, weshalb das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt worden und eine bisher erteilte Genehmigung für nichtig zu erklären sei. Wenn die befassten Behörden im Hinblick auf die in Anhang 1 Z 43 lit. a und b des UVP-G angeführten Schwellenwerte bzw. Kriterien davon ausgingen, dass das Vorhaben nicht UVP-pflichtig sei, so übersähen sie, dass nach Auffassung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) in dessen Urteil vom 21. März 2013, C-244/12 , bei Festlegung von Schwellenwerten bzw. Kriterien durch einen Mitgliedstaat die relevanten Auswahlkriterien der UVP-RL (so u. a. die Belastbarkeit der Natur) zu berücksichtigen seien und dass gerade vom gegenständlichen Vorhaben große Auswirkungen in Bezug auf die Umwelt ausgehen könnten. Nach der (dem Feststellungsantrag des Revisionswerbers angeschlossenen) luftreinhaltetechnischen Stellungnahme des Sachverständigen DI E. (vom 10. Jänner 2015) sei eine hohe Geruchsquellstärke des geplanten Schweinestalls zu erwarten. Überdies befänden sich jeweils ca. einen Kilometer (vom Projektstandort) entfernt bereits zwei Schweineställe, die zu massiven Geruchsbelästigungen führten, und entstünden auch durch das in 300 m Entfernung gelegene Industriegebiet relevante Geruchsimmissionen. Wegen der bestehenden Geruchsbelästigungen trete mit dem geplanten Vorhaben eine entscheidende Kumulationswirkung ein, sodass von diesem jedenfalls relevante Umweltauswirkungen ausgingen und es daher einer UVP zu unterziehen sei.

3 Mit Bescheid der Landesregierung vom 18. Februar 2015 wurde der Feststellungsantrag des Revisionswerbers gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G als unzulässig zurückgewiesen.

4 Dazu führte die Landesregierung (u.a.) aus, dass das Baugrundstück ca. 200 m von der Liegenschaft des Revisionswerbers entfernt sei und projektgemäß auf einer Fläche von 2.100 m2 900 Ferkel bzw. und 170 Zuchtsauen Platz finden sollten. Der luftreinhaltetechnischen Beurteilung (Stellungnahme des DI E. vom 10. Jänner 2015) seien hingegen 988 Ferkel bzw. 168 Zuchtschweine zugrunde gelegt worden. Dem Schweinestall sollten auch eine geschlossene Güllegrube mit mechanischer Entlüftung und eine Lagerhalle angeschlossen werden. Gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G komme dem Revisionswerber weder die Legitimation zur Einbringung eines Feststellungsantrages noch eine Parteistellung in einem Feststellungsverfahren zu.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde (Spruchpunkt A) die gegen den Bescheid der Landesregierung erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet abgewiesen und (Spruchpunkt B) eine Revision für zulässig erklärt.

6 Das Bundesverwaltungsgericht begründete seine Entscheidung (unter Verweis auf seine Ausführungen in einem näher bezeichneten Erkenntnis vom 17. Juni 2014) im Wesentlichen damit, dass der Revisionswerber als Nachbar im UVP-Feststellungsverfahren gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G weder eine Parteistellung noch eine Antragslegitimation habe. Die Revision sei zulässig, weil hinsichtlich der Frage, ob Nachbarn im UVP-Feststellungsverfahren nach der nationalen Rechtslage Parteistellung hätten oder antragslegitimiert seien, in Anbetracht des mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Oktober 2013, Zl. 2012/04/0040, an den EuGH gestellten Vorabentscheidungsersuchens und des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 2014, Zl. 2010/05/0173, betreffend die Aussetzung eines Verfahrens über einen negativen UVP-Feststellungsbescheid in Zweifel gezogen werde, ob der Verwaltungsgerichtshof seine bisherige Judikaturlinie fortführen werde.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, es wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

8 Die Landesregierung, die Bauwerberin und der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung.

II.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 Die Revision ist aus den im angefochtenen Erkenntnis angeführten Gründen zulässig. Ihr kommt jedoch keine Berechtigung zu.

10 Die Revision bringt im Wesentlichen vor, dass sich der Revisionswerber auf Grund der Abstandregelungen der BauO am vorangegangenen Baugenehmigungsverfahren nicht habe beteiligen und dort die UVP-Pflicht des gegenständlichen Vorhabens nicht habe geltend machen können. Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergebe sich, es genüge für die Bejahung der Nachbareigenschaft im Sinne des § 19 Abs. 1 Z 1 UVP-G, dass die Verletzung eines gesetzlich gewährleisteten subjektiven Rechts durch den Bescheid möglich sei. Eine Parteistellung sei nach dieser Gesetzesbestimmung für Nachbarn nicht nur dann gegeben, wenn diese durch die Errichtung, den Betrieb oder den Bestand des Vorhabens gefährdet würden, sondern bereits dann, wenn sie durch das Vorhaben gefährdet werden könnten. § 24f Abs. 1 Z 2 UVP-G lege fest, dass die Immissionsbelastung der zu schützenden Güter möglichst gering zu halten sei, wobei unter anderem jedenfalls jene Immissionen zu vermeiden seien, die das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn gefährdeten (lit. a) oder die zu einer unzumutbaren Belästigung der Nachbarn im Sinne des § 77 Abs. 2 Gewerbeordnung 1994 (im Folgenden: GewO) führten (lit. c). Die Geltendmachung der in § 24f Abs. 1 Z 2 lit. a und c UVP-G gewährleisteten subjektiv-öffentlichen Rechte komme den Nachbarn zu.

11 Die Zurückweisung des Feststellungsantrages verstoße, wie das Urteil des EuGH vom 16. April 2015, C-570/13 (Fall Gruber), zeige, gegen Art. 11 der UVP-RL, weil der Revisionswerber als Nachbar im Sinne des § 19 Abs. 1 Z 1 UVP-G durch die Errichtung und den Betrieb des gegenständlichen Vorhabens auf Grund der zu erwartenden Geruchsimmissionen gefährdet werden könnte und im Hinblick darauf, dass ihm mit § 19 Abs. 1 Z 1 iVm § 24f Abs. 1 Z 2 UVP-G bestimmte subjektivöffentliche Rechte eingeräumt seien, zur "betroffenen Öffentlichkeit" im Sinne der genannten Richtlinienbestimmung gehöre. Trotz dieser Berechtigung habe er seine subjektivöffentlichen Rechte, die sich aus dem UVP-G und der UVP-RL selbst ergäben, auf Grund der Zurückweisung seines Feststellungsantrages nicht geltend machen können.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

12 Die Artikel 1, 2 und 11 der UVP-RL lauten (auszugsweise)

wie folgt:

"Artikel 1

(1) Gegenstand dieser Richtlinie ist die Umweltverträglichkeitsprüfung bei öffentlichen und privaten Projekten, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben.

(2) Im Sinne dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

a) ‚Projekt':

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vor Erteilung der Genehmigung die Projekte, bei denen unter anderem aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Genehmigungspflicht unterworfen und einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen unterzogen werden. Diese Projekte sind in Artikel 4 definiert.

...

(2) Die Umweltverträglichkeitsprüfung kann in den Mitgliedstaaten im Rahmen der bestehenden Verfahren zur Genehmigung der Projekte durchgeführt werden oder, falls solche nicht bestehen, im Rahmen anderer Verfahren oder der Verfahren, die einzuführen sind, um den Zielen dieser Richtlinie zu entsprechen.

..."

"Artikel 11

(1) Die Mitgliedstaaten stellen im Rahmen ihrer

innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der

betroffenen Öffentlichkeit, die

a) ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ

b) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das

Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaats dies als Voraussetzung erfordert,

Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten.

(2) Die Mitgliedstaaten legen fest, in welchem Verfahrensstadium die Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen angefochten werden können.

(3) Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Zu diesem Zweck gilt das Interesse jeder Nichtregierungsorganisation, welche die in Artikel 1 Absatz 2 genannten Voraussetzungen erfüllt, als ausreichend im Sinne von Absatz 1 Buchstabe a dieses Artikels. Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die im Sinne von Absatz 1 Buchstabe b dieses Artikels verletzt werden können.

..."

13 Das UVP-G, BGBl. 697/1993, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 14/2014 lautet in seinem § 3 auszugsweise wie folgt:

"Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung § 3. (1) Vorhaben, die in Anhang 1 angeführt sind,

sowie Änderungen dieser Vorhaben sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen. ...

...

(7) Die Behörde hat auf Antrag des Projektwerbers/der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird. Diese Feststellung kann auch von Amts wegen erfolgen. Der Projektwerber/die Projektwerberin hat der Behörde Unterlagen vorzulegen, die zur Identifikation des Vorhabens und zur Abschätzung seiner Umweltauswirkungen ausreichen. Hat die Behörde eine Einzelfallprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen, so hat sie sich dabei hinsichtlich Prüftiefe und Prüfumfang auf eine Grobprüfung zu beschränken. Die Entscheidung ist innerhalb von sechs Wochen mit Bescheid zu treffen. Parteistellung und das Recht, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben, haben der Projektwerber/die Projektwerberin, der Umweltanwalt und die Standortgemeinde. Vor der Entscheidung sind die mitwirkenden Behörden und das wasserwirtschaftliche Planungsorgan zu hören. Die Entscheidung ist von der Behörde in geeigneter Form kundzumachen und der Bescheid jedenfalls zur öffentlichen Einsichtnahme aufzulegen und auf der Internetseite der UVP-Behörde, auf der Kundmachungen gemäß § 9 Abs. 4 erfolgen, zu veröffentlichen; der Bescheid ist als Download für sechs Wochen bereitzustellen. Die Standortgemeinde kann gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Revision an den Verwaltungsgerichtshof erheben. Der Umweltanwalt und die mitwirkenden Behörden sind von der Verpflichtung zum Ersatz von Barauslagen befreit.

..."

14 Der Revisionswerber ist nach den im erstinstanzlichen Bescheid getroffenen (und vom Bundesverwaltungsgericht nicht beanstandeten) Feststellungen Eigentümer einer Liegenschaft, die vom Baugrundstück ca. 200 m entfernt ist. Dieser wurde im oben genannten Baubewilligungsverfahren nach der BauO, LGBl. Nr. 66/1994, idF LGBl. Nr. 90/2013 im Hinblick darauf, dass seine Liegenschaft vom zu bebauenden Grundstück mehr als 50 m entfernt ist, dem Verfahren nicht beigezogen (vgl. § 31 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 leg. cit.).

15 Im oben erwähnten Urteil vom 16. April 2015 (Fall Gruber) hat der EuGH ausgesprochen, dass nach Art. 11 Abs. 3 der UVP-RL die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren, bestimmen, was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt. Demnach steht es dem nationalen Gesetzgeber frei, die Rechte, deren Verletzung ein Einzelner im Rahmen eines gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung, Handlung oder Unterlassung im Sinne von Art. 11 der UVP-RL geltend machen kann, auf subjektiv-öffentliche Rechte zu beschränken, d.h. auf individuelle Rechte, die nach dem nationalen Recht als subjektivöffentliche Rechte qualifiziert werden können. Doch dürfen die Bestimmungen dieses Artikels über die Rechtsbehelfsmöglichkeiten der Mitglieder der Öffentlichkeit, die von unter diese Richtlinie fallenden Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen betroffen ist, nicht restriktiv ausgelegt werden (vgl. Rz 39 f).

16 Nach der Rechtsprechung des EuGH im Urteil Gruber müssen Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO - wie es für Frau Gruber bejaht wurde - die Möglichkeit haben, eine Entscheidung, keine UVP durchzuführen, "im Rahmen eines gegen sie oder gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfs anzufechten". Da die betroffene Nachbarin im Fall Gruber nach der nationalen Rechtslage des § 3 Abs. 7 UVP-G keine Parteistellung im UVP-Feststellungsverfahren hatte, kam dem UVP-Feststellungsbescheid ihr gegenüber keine Bindungswirkung zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2015, 2015/04/0002, das den Fall Gruber zum Gegenstand hat). In diesem Erkenntnis wies der Verwaltungsgerichtshof auch darauf hin, dass die (Fach‑)Behörde verpflichtet ist, ihre Zuständigkeit unter Berücksichtigung einer allfälligen UVP-Pflicht des eingereichten Vorhabens zu prüfen und auf Grund nachvollziehbarer Feststellungen darzulegen, warum sie vom Fehlen einer UVP-Pflicht und damit von ihrer Zuständigkeit ausgeht.

17 In der Folge hat der Verwaltungsgerichtshof bei ihm angefochtene Entscheidungen, die sich mit der Erteilung von Baubewilligungen auseinandersetzten, deshalb aufgehoben, weil die entscheidende Behörde (bzw. das Verwaltungsgericht) zu Unrecht die Bindungswirkung eines (negativen) UVP-Feststellungsbescheides gegenüber den revisionswerbenden Grundeigentümern, deren Grundstücke im Einflussbereich der Baugrundstücke lagen, angenommen hatte, obwohl diese Grundeigentümer dem Feststellungsverfahren gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G nicht als Parteien beigezogen worden waren, und weil sie sich deshalb mit den von den revisionswerbenden Grundeigentümern im Rahmen des Bauverfahrens vorgetragenen Argumenten für das Vorliegen einer UVP-Pflicht hätte auseinandersetzen müssen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse jeweils vom 4. August 2015, Ro 2014/06/0058, 0063 und Ra 2014/06/0044).

18 Im vorliegenden Fall geht es nun zwar nicht um die Frage der Bindungswirkung eines (negativen) UVP-Feststellungsbescheides in Bezug auf ein materienrechtliches Genehmigungsverfahren, sondern darum, ob dem Revisionswerber als Nachbarn aus unionsrechtlicher Sicht die Legitimation zur Einleitung eines UVP-Feststellungsverfahrens trotz des insoweit eindeutigen Wortlautes des § 3 Abs. 7 UVP-G, der eine solche Antragslegitimation für Nachbarn nicht vorsieht, einzuräumen gewesen wäre. Dies führt jedoch zu keinem anderen Ergebnis, weil es in beiden Fällen darauf ankommt, dass die Frage des Bestehens einer Pflicht zur Durchführung einer UVP in einem Genehmigungsverfahren einer Überprüfung unterzogen werden kann (vgl. in diesem Zusammenhang etwa den hg. Beschluss vom 4. Juli 2016, Ro 2016/04/0004, Rz 7)

19 Im Erkenntnis vom 18. Mai 2016, Ro 2015/04/0026, hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass es den Mitgliedstaaten hinsichtlich der - entsprechend der Rechtsprechung des EuGH im Urteil Gruber - geforderten Anfechtungsmöglichkeit offensteht, entweder direkten Rechtsschutz zu ermöglichen oder den Rechtsschutz auf die Möglichkeit einer inzidenten Rüge im Zusammenhang mit einem Rechtsbehelf gegen eine Genehmigung zu beschränken (Rz 13). Da, wie aus § 3 Abs. 7 (und 7a) UVP-G eindeutig hervorgehe, Nachbarn im Feststellungsverfahren weder ein Antragsrecht noch eine Parteistellung noch ein Beschwerderecht eingeräumt sei, stelle die den Nachbarn eingeräumte Möglichkeit, die UVP-Feststellungsentscheidung im Rahmen eines gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfs anzufechten, einen ungleich geringeren Eingriff in die innerstaatliche Rechtsordnung dar (Rz 15).

20 In dem dem hg. Erkenntnis vom 5. November 2015, Ro 2014/06/0078, zugrunde liegenden Fall, in dem nach dem Steiermärkischen Veranstaltungsgesetz (StVAG) die Erhöhung der Besucherzahl für ein Veranstaltungsgelände genehmigt worden ist, wurde hinsichtlich dieser Erhöhung kein UVP-Feststellungsbescheid erlassen und hatten die Revisionswerber, die (u.a.) geltend machten, auf Grund der Nähe zum Veranstaltungsgelände und teilweise zur Zufahrtsstraße dorthin massiv "in den Bereichen Luft, Verkehr und Lärm" durch die Besucher des Veranstaltungsgeländes betroffen und deshalb Parteien im Sinne des § 19 Abs. 1 UVP-G zu sein, keine Möglichkeit, im Rahmen eines gegen den materienrechtlichen Genehmigungsbescheid (nach dem StVAG) erhobenen Rechtsbehelfes (oder Rechtsmittels) vorzubringen, dass die beantragte Erhöhung der Besucherzahl einer UVP zu unterziehen sei, weil das StVAG ihnen keine Parteistellung einräumte. In diesem Erkenntnis führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass das Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren, in diesem Fall nicht erreicht werde und die Bestimmungen im nationalen Recht über die Festlegung, was ein "ausreichendes Interesse" oder eine "Rechtsverletzung" (im Sinne des Art. 11 Abs. 3 der UVP-RL ) darstelle, fallbezogen so restriktiv seien, dass sie es den Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit unmöglich machten, die durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte auszuüben. Ein solcher Ausschluss widerspreche jedoch dem Effektivitätsgrundsatz. Dies habe zur Folge, dass auf Grund der Nichtanwendbarkeit der restriktiven Regelung der Parteistellung im StVAG die Revisionswerber, soweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt seien, fallbezogen gemäß den Bestimmungen der UVP-RL Parteistellung im Verfahren nach dem StVAG haben müssten, um dort vorbringen zu können, dass das Vorhaben (Erhöhung der Besucherzahl) einer UVP zu unterziehen wäre. Sie könnten deshalb einen Antrag auf Zustellung des nach dem StVAG ergangenen Genehmigungsbescheides stellen und im Rahmen einer Beschwerde ihre Argumente betreffend die Verpflichtung zur Durchführung einer UVP nach der UVP-RL vorbringen, womit den Anforderungen des EuGH in Auslegung dieser Richtlinie - dass nämlich die betroffene Öffentlichkeit eine auf der Grundlage einer nationalen Regelung getroffene Verwaltungsentscheidung, keine UVP durchzuführen, im Rahmen eines gegen diese Entscheidung oder gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfes anfechten können müsse - Genüge getan sei. Für die Durchführung eines Feststellungsverfahrens bleibe somit kein Raum mehr (vgl. zum Ganzen nochmals das Erkenntnis, Ro 2014/06/0078).

21 Aus der dargestellten Rechtsprechung des EuGH und des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich daher Folgendes:

22 Im Baubewilligungsverfahren hatte der Revisionswerber, weil ihm nicht die Rechtsposition eines Nachbarn gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 BauO zukam, keine Parteistellung und deshalb keine Möglichkeit, vorzubringen, dass das Bauvorhaben einer UVP zu unterziehen sei. Diese - unmittelbar aus der UVP-RL ableitbare - Möglichkeit wäre ihm jedoch dann einzuräumen gewesen, wenn er Mitglied der "betroffenen Öffentlichkeit" (im Sinne des Art. 11 der UVP-RL) wäre.

23 Aus dem genannten Urteil des EuGH (Fall Gruber) ergibt sich, dass Personen, die unter den Begriff "Nachbar" nach der GewO fallen, unionsrechtlich zur "betroffenen Öffentlichkeit" im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der UVP-RL gehören können (Rz 42; vgl. dazu auch das oben genannte Erkenntnis, Zl. 2015/04/0002). Gemäß § 75 Abs. 2 (erster Satz) GewO sind "Nachbarn" im Sinne dieses Bundesgesetzes alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Entscheidend ist im vorliegenden Fall, ob der Revisionswerber in Bezug auf das verfahrensgegenständliche Vorhaben und das dazu geführte baurechtliche Verfahren als der betroffenen Öffentlichkeit im Sinne des Art. 1 Abs. 2 UVP-RL angehörend angesehen werden kann.

24 Sollte dies zu bejahen sein, hätte dies zur Folge, dass der Revisionswerber auf Grund der Nichtanwendbarkeit der einschränkenden Regelung der Parteistellung in § 31 Abs. 1 Z 2 BauO fallbezogen gemäß den Bestimmungen der UVP-RL Parteistellung im baurechtlichen Verfahren haben müsste, um dort vorbringen zu können, dass das gegenständliche Vorhaben einer UVP zu unterziehen wäre (vgl. das angeführte Erkenntnis Zl. Ro 2014/06/0078, sowie den Beschluss vom 12. September 2016, Zl. Ra 2016/04/0066).

25 Der Revisionswerber könnte somit, um zu klären, dass er in Bezug auf das vorliegende Vorhaben Mitglied der "betroffenen Öffentlichkeit" im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der UVP-RL ist, einen Antrag auf Zustellung des oben genannten Berufungsbescheides des Gemeinderates stellen, in dem er die Gründe dafür darstellen müsste. Sollte im Hinblick darauf sein Zustellantrag berechtigt sein und diesem entsprochen werden, könnte der Revisionswerber im Rahmen einer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde seine Argumente betreffend die Verpflichtung zur Durchführung einer UVP vorbringen (vgl. in diesem Zusammenhang neuerlich das Erkenntnis, Ro 2014/06/0078).

26 Sollte hingegen seinem Zustellantrag nicht stattgegeben werden, so hätte der Revisionswerber die Möglichkeit, diese Beurteilung im Rechtsmittelweg überprüfen zu lassen.

27 Für die Durchführung eines Feststellungsverfahrens bleibt somit kein Raum (vgl. in diesem Zusammenhang nochmals das Erkenntnis, Ro 2014/06/0078, und den gleichfalls schon erwähnten Beschluss Ra 2016/04/0066).

28 Die Zurückweisung des Feststellungsantrages des Revisionswerbers war daher im Ergebnis berechtigt. Aufgrund der bisherigen Ausführungen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlasst, im Sinne der Anregung der Revision ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu stellen.

29 Die Revision erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

30 Der Revisionswerber hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

31 Der Verwaltungsgerichtshof kann gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien und die Akten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegensteht.

32 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal habe, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlicher Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichthof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige.

33 Der EGMR hat ferner in seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein), in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne.

34 Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. In der Revision wurden ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen, wozu im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Entscheidung konnte daher im Sinne des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden (vgl. auch dazu etwa das oben genannte Erkenntnis, Ro 2014/06/0078).

35 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 24. Jänner 2017

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