VwGH Ra 2016/02/0157

VwGHRa 2016/02/015724.5.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision des P P in W, vertreten durch Mag. Harald Premm, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottenring 16/2, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 12. Mai 2016, Zl. VGW-042/013/13811/2015, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

ASchG 1994 §130 Abs5;
BArbSchV 1994 §7;
BArbSchV 1994 §8;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschwerde des Revisionswerbers gegen ein Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien wegen mehrerer Übertretungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) iVm der Bauarbeiterschutzverordnung keine Folge gegeben und das Straferkenntnis bestätigt. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass die ordentliche Revision unzulässig sei.

5 In der dagegen erhobenen Revision wird zur Zulässigkeit zunächst ausgeführt, der Revisionsgegner (wohl gemeint, auch im Folgenden: das Verwaltungsgericht) habe festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Inspektion alle zwölf Arbeiter zeitweise auf der Decke des ersten Obergeschosses und somit im Gefahrenbereich aufhältig gewesen wären. Er habe weiters festgestellt, dass der Arbeiter B. erst nachträglich hinzugekommen sei. Tatsächlich sei der Arbeiter B. erst über Aufforderung des Arbeitsinspektors auf die Decke des ersten Obergeschosses gekommen. Das Verwaltungsgericht hätte daher davon ausgehen müssen, dass sich der Arbeiter B. bei Eintreffen des Arbeitsinspektors nicht im Gefahrenbereich aufgehalten habe.

6 Hinsichtlich dieses Vorbringens ist der Revisionswerber darauf zu verweisen, dass Schutzeinrichtungen grundsätzlich an allen Gefahrenstellen von Dächern anzubringen sind, bei denen jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass Arbeitnehmer sie im Zuge der Durchführung ihres Auftrages betreten könnten (vgl. VwGH vom 31. Juli 2007,  2006/02/0237). Für Absturzsicherungen ist auch dann Sorge zu tragen, wenn zwar an der Absturzstelle gerade nicht gearbeitet wird, aber jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass Arbeiten im Bereich der Absturzstelle durchgeführt werden (vgl. VwGH vom 24. September 2010,  2009/02/0097). In den Tatbeständen der Bauarbeiterschutzverordnung sind jene Voraussetzungen auf Baustellen normiert, bei deren Vorliegen der Verordnungsgeber jedenfalls von einer Absturzgefahr ausgeht. Ob im Einzelfall zusätzlich eine "konkrete" Gefahr gegeben ist, ist nicht entscheidend (siehe VwGH vom 5. August 2009, 2008/02/0128). Aus welchem Grund B. die Decke des Obergeschosses betreten hat, kann daher im vorliegenden Fall mangels Relevanz dahingestellt bleiben und vermag keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung darzustellen. Der Revisionswerber stellt im Übrigen mit diesem Vorbringen den im Zuge einer nicht als unschlüssig zu erkennenden Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts Behauptungen gegenüber, ohne substantiiert darzulegen, aus welchen Gründen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts unschlüssig, das heißt unzureichend, widersprüchlich oder unvollständig wäre, weshalb mit diesem Vorbringen auch aus diesem Grund keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird (vgl. VwGH vom 23. Februar 2017, Ra 2016/09/0103).

7 Der Revisionswerber rügt weiters als Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot, dass das Verwaltungsgericht den Umstand, wonach zwölf Arbeiter im Gefahrenbereich aufhältig gewesen seien, bei der Strafbemessung doppelt verwertet habe. Einerseits sei wegen der Anzahl der Arbeiter die fünffache Mindeststrafe herangezogen worden, danach sei diese Geldstrafe noch mit zwölf multipliziert worden.

8 Dieses Vorbringen geht schon deshalb ins Leere, weil sich aus der Strafbemessung des Verwaltungsgerichts nicht ergibt, dass bei der Verhängung der fünffachen Mindeststrafe die Anzahl der angetroffenen Arbeiter ausschlaggebend gewesen wäre. Vielmehr hält das Verwaltungsgericht unter anderem fest, dass die Sicherheit der Arbeiter in hohem Ausmaß gefährdet gewesen sei, weil von einer erheblichen Unfallgefahr für die auf der Baustelle tätigen Arbeiter auszugehen gewesen sei.

Die Strafbemessung unterliegt als Ermessensentscheidung insgesamt nur insofern der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof im Rahmen von dessen Befugnissen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG, als dieser gegebenenfalls zu prüfen hat, ob von dem im Gesetz eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde (siehe etwa VwGH vom 23. Februar 2017, Ra 2016/09/0120). Dass das Verwaltungsgericht dieses Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt hätte, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar.

9 Der Revisionswerber bringt zur verhängten Strafe weiters vor, die zulässige Höchststrafe nach § 130 Abs. 5 ASchG sei überschritten worden, weil insgesamt EUR 19.980,-- verhängt worden seien. Dabei übersieht der Revisionswerber, dass im vorliegenden Fall keine die Höchststrafe übersteigende Gesamtstrafe, sondern - zulässigerweise - jeweils Einzelstrafen wegen mehrerer Übertretungen verhängt wurden, die für sich die in § 130 Abs. 5 ASchG vorgesehene Höchststrafe nicht überstiegen haben.

10 Zuletzt rügt der Revisionswerber im Wesentlichen, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Mitarbeiter des beauftragten Subunternehmers bloße Leiharbeiter seien. Der Revisionswerber ist zusammengefasst der Ansicht, dass "nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes" die Anwesenheit eines Bauleiters und eines Poliers des Generalunternehmers nicht ausreiche, um sämtliche auf der Baustelle arbeitende Personen organisatorisch dem Generalunternehmer zuzuordnen. Auch diese Zulässigkeitsbegründung ist nicht gesetzmäßig ausgeführt, schon weil nicht konkret - unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes - angegeben wird, von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nach Ansicht des Revisionswerbers abgewichen worden sein soll.

11 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 24. Mai 2017

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