VwGH Ra 2016/21/0021

VwGHRa 2016/21/002125.2.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Revision des S T in I, vertreten durch MMag. Michael Krenn, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neustiftgasse 3/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25. November 2015, G313 2107564- 2/2E, betreffend (u.a.) Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47 Abs2;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
B-VG Art133 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §70 Abs2;
VwGG §30;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §13 Abs2;
VwGVG 2014 §24 Abs1;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016210021.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 25. November 2015 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 19. Mai 2015, mit dem gegen den Revisionswerber, einen deutschen Staatsangehörigen, gemäß § 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein mit acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden war, mit der Maßgabe abgewiesen, dass dessen Dauer auf fünf Jahre herabgesetzt wird. Weiters wurde die Beschwerde, soweit sie sich gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung und gegen die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes richtete, als unbegründet abgewiesen. Schließlich sprach das BVwG gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

Den diesbezüglichen Erwägungen ist voranzustellen, dass die einzelfallbezogene Beurteilung betreffend die für ein Aufenthaltsverbot erstellte Gefährdungsprognose nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann nicht revisibel ist, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde (vgl. etwa zuletzt den Beschluss vom 28. Jänner 2016, Ra 2016/21/0013).

In diesem Zusammenhang bemängelt die Revision die vom BVwG iSd § 67 Abs. 1 erster bis vierter Satz FPG getroffene Gefährdungsannahme und kritisiert, dass sich das BVwG dabei auf Rechtsprechung zu Einreiseverboten gegen "sonstige" Drittstaatsangehörige nach § 53 FPG gestützt habe, während in Bezug auf den Revisionswerber (als deutschen Staatsangehörigen) "die unionsrechtlich erforderliche Prognose notwendig" gewesen wäre. Außerdem sei für diese Prognose vom BVwG "klar auf die Verurteilung allein verwiesen" worden, was der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes widerspreche, wozu unter anderem auf das Erkenntnis vom 19. Februar 2015, Ra 2014/21/0064, verwiesen wird.

Dem Revisionswerber ist einzuräumen, dass sich die von ihm dazu zitierte Passage im angefochtenen Erkenntnis tatsächlich in diesem Sinn deuten ließe. In der Revision wird aber außer Acht gelassen, dass in den anschließenden, die Gefährdungsannahme maßgeblich tragenden Ausführungen vom BVwG demgegenüber eindeutig auf das der Verurteilung zugrunde liegende (Fehl‑)Verhalten des Revisionswerbers abgestellt wurde. Die vom BVwG aufgrund der Art und Schwere der vom Revisionswerber im Dezember 2011 innerhalb von zwei Tagen im Zusammenwirken mit einem Komplizen geplanten und verübten bewaffneten Überfälle auf Taxilenker, die zur Verhängung einer Freiheitsstrafe von vier Jahren wegen des Verbrechens des schweren Raubes führten, und aufgrund des sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes getroffene Gefährdungsprognose ist im Ergebnis aber jedenfalls vertretbar. Insbesondere musste das BVwG noch nicht vom Wegfall der sich durch die Straftaten manifestierten Gefährdung ausgehen, weil hierfür in erster Linie das gezeigte Wohlverhalten in Freiheit - seit der bedingten Entlassung Ende Mai 2015 bis zur Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses Ende November 2015 waren erst sechs Monate vergangen - maßgeblich ist (vgl. etwa nur den Beschluss vom 22. Mai 2014, Ra 2014/21/0014). Dem BVwG kann aber auch nicht entgegen getreten werden, wenn es angesichts der Wiederholung und Anwendung von Waffengewalt bei den unter Beteiligung eines Mittäters planmäßig durchgeführten Raubüberfällen an mehreren Stellen der Begründung überdies vom Vorliegen einer schweren bzw. schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgegangen ist, womit der Sache nach auch der für daueraufenthaltsberechtigte EWR-Bürger maßgebliche Maßstab des § 66 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG für erfüllt erachtet wurde (vgl. zum selben Gefährdungsmaßstab nach § 56 FPG idF vor dem FrÄG 2011 das hg. Erkenntnis vom 19. April 2012, Zl. 2010/21/0507). Demzufolge gehen die diesbezüglichen (allerdings nur in der weiteren Begründung, nicht jedoch bei Darstellung der Zulässigkeitsgründe in der Revision noch vorgetragenen) Einwände in Bezug auf das dem Revisionswerber zukommende Daueraufenthaltsrecht ins Leere.

Soweit in der Revision in diesem Zusammenhang noch die Unterlassung einer Beschwerdeverhandlung gerügt wird, ist zu entgegnen, dass der fehlende ausdrückliche Antrag in der von einem rechtskundigen Vertreter verfassten Beschwerde - anders als der Revisionswerber meint - als impliziter Verzicht auf Abhaltung einer solchen Verhandlung zu verstehen war (vgl. den hg. Beschluss vom 3. September 2015, Ra 2015/21/0054, mwN), zumal in der Beschwerde auch keine diesem Verständnis entgegenstehenden Beweisanträge gestellt worden waren (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 2014, Ro 2014/21/0047, mwN). Im Übrigen durfte das BVwG (ausnahmsweise) auch deshalb von einer Verhandlung absehen, weil der Sachverhalt iSd § 21 Abs. 7 BFA-VG ausreichend geklärt war (vgl. dazu den hg. Beschluss vom 11. Dezember 2014, Ra 2014/21/0034). Die in diesem Zusammenhang in der Revisionsbegründung ins Treffen geführten Umstände (die Aufnahme einer Berufstätigkeit nach der bedingten Entlassung und die "Frage" des Verhältnisses zu seinem Sohn) hätten nämlich zu keinem anderen Ergebnis, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG, führen können; ihnen fehlt daher die Relevanz, sodass insoweit kein entscheidungswesentlicher klärungsbedürftiger Sachverhalt vorlag.

In der Begründung der Zulässigkeit der Revision wird auch noch der vom BVwG bestätigte Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde und die Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes bekämpft und insoweit ebenfalls ein Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes behauptet. Dazu wurde ohne nähere weitere Begründung nur das Erkenntnis vom 19. Februar 2015, Ra 2014/21/0059, zitiert. Daraus ist allerdings nichts zu gewinnen. In dieser Entscheidung befasste sich der Verwaltungsgerichtshof inhaltlich nämlich nicht mit dem dort vom BFA in Bezug auf eine Beschwerde verfügten Ausschluss der aufschiebenden Wirkung; betreffend Durchsetzungsaufschub lag ihr überhaupt eine mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbare Konstellation zugrunde. Im Übrigen bestand in beiden Punkten schon bei Einbringung der Revision kein Rechtsschutzinteresse mehr (vgl. einerseits den hg. Beschluss vom 28. April 2015, Ra 2014/02/0023, und andererseits den hg. Beschluss vom 28. Jänner 2016, Ra 2016/21/0017).

Angesichts dessen liegt entgegen dem Standpunkt in der Revision im gegenständlichen Fall insgesamt kein maßgebliches Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, weshalb sich die Revision schon mangels dort aufgezeigter Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zur Gänze als unzulässig erweist. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 25. Februar 2016

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