Normen
BFA-VG 2014 §9;
FrPolG 2005 §67 Abs1;
FrPolG 2005 §70 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
BFA-VG 2014 §9;
FrPolG 2005 §67 Abs1;
FrPolG 2005 §70 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Revisionswerberin, eine rumänische Staatsangehörige, wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 28. Mai 2014 wegen des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 15, 127, 130 erster Fall StGB und wegen des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten, davon acht Monate bedingt nachgesehen, rechtskräftig verurteilt.
Im Hinblick auf diese Straftaten verhängte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen die Revisionswerberin mit Bescheid vom 26. August 2014 gemäß § 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot. Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde der Revisionswerberin überdies ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt, jedoch einer Beschwerde gegen das verhängte Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Dabei ging das BFA u.a. davon aus, dass die Revisionswerberin lediglich "als Kriminaltouristin" nach Österreich eingereist sei.
Die Revisionswerberin erhob gegen den genannten Bescheid Beschwerde. Darin führte sie insbesondere aus, es sei unrichtig, dass sie lediglich "als Kriminaltouristin" nach Österreich gekommen sei. Vielmehr übe sie hier die Tätigkeit als Prostituierte aus und verfüge so über ein "legales" Einkommen; dieses sei für sie von entscheidender Bedeutung, weil sie dadurch ihren Sohn sowie ihre kranke Schwester, die sich in Rumänien um den Sohn kümmere, versorgen könne.
Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 24. Oktober 2014 gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der Beschwerde insofern Folge, dass die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf zwei Jahre herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde der Bescheid des BFA bestätigt. Unter einem sprach das BVwG gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Entgegen dem - den Verwaltungsgerichtshof nicht bindenden (§ 34 Abs. 1a VwGG) - Ausspruch des BVwG ist die gegenständliche Revision zulässig, weil es, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Anforderungen an eine gesetzmäßige Gefährdungsprognose außer Acht gelassen hat.
Gegen die Revisionswerberin als rumänische Staatsangehörige kommt die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur nach Maßgabe des § 67 Abs. 1 FPG in Betracht. Demnach - so die ersten vier Sätze der genannten Bestimmung - muss auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet sein. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der - wie im vorliegenden Fall - nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. zuletzt, mwN, das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2014, Zl. Ra 2014/21/0039).
Das BVwG hat zunächst festgestellt, dass die Revisionswerberin rumänische Staatsangehörige ist und am 31. Oktober 1994 in Rumänien geboren wurde. Sodann gab es die der strafgerichtlichen Verurteilung vom 28. Mai 2014 zu Grunde liegenden Straftaten wie folgt wieder (sprachliche Unstimmigkeiten im Original):
"Die (Revisionswerberin) versuchte gewerbsmäßig, indem sie dem Verfügungsberechtigten eine Bankomatkarte entwendete und mit dieser versuchte Bargeldbeträge zu beheben sowie im bewussten und gewollten Zusammenwirken dem Verfügungsberechtigten eines Drogeriemarktes Kontaktlinsen, eine Reinigungslösung für Kontaktlinsen und ein Parfüm im Gesamtwert von EUR 43,50 zu entwenden und durch deren Zueignung sich unrechtmäßig zu bereichern."
Daran schließt die Feststellung, das Strafgericht habe das Geständnis, dass es teilweise beim Versuch geblieben war, die Unbescholtenheit sowie die Tatbegehung im Alter unter 21 Jahren als mildernd und als erschwerend das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen sowie die mehrfache Tatbegehung angesehen.
Weitere Feststellungen hat das BVwG nicht getroffen. Davon ausgehend ist zunächst die unter der Rubrik "Beweiswürdigung" im angefochtenen Erkenntnis enthaltene Aussage, die Feststellungen zur Einreise sowie der privaten und familiären Situation der Revisionswerberin basierten auf ihren Angaben im strafgerichtlichen Verfahren, nicht nachvollziehbar.
Vor allem ist dem angefochtenen Erkenntnis damit aber auch keine Äußerung zu der in der Beschwerde aufgestellten Behauptung zu entnehmen, die Revisionswerberin sei nicht als Kriminaltouristin in Österreich in Erscheinung getreten, sondern gehe hier einer legalen Tätigkeit als Prostituierte nach. Auch Feststellungen zu den näheren Umständen der begangenen Straftaten - etwa zum Tatzeitpunkt - fehlen.
Insoweit ermangelt es schon von vornherein an ausreichenden Grundlagen für eine taugliche Gefährdungsprognose im Sinn des § 67 Abs. 1 FPG, die - siehe oben - nicht allein auf die strafrechtliche Verfehlung als solche gegründet werden darf. Im Übrigen hat das BVwG aber auch gar nicht den Versuch unternommen, eine an § 67 Abs. 1 FPG orientierte Gefährdungsprognose anzustellen. Vielmehr finden sich in seinen rechtlichen Erwägungen nach der - offenkundig zutreffenden - Einschätzung, es komme gegenständlich der Prüfungsmaßstab der ersten vier Sätze des § 67 Abs. 1 FPG zur Anwendung, nur die nachstehenden Ausführungen:
"Die Bemessung des Aufenthaltsverbotes mit einer Dauer von 5 Jahren (gemäß dem angefochtenen Bescheid des BFA) erscheint in Anbetracht der Tatsache, dass das persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, als nicht geboten. Die (Revisionswerberin) wurde erstmalig in Österreich straffällig. Die verhängte Freiheitsstrafe von 9 Monaten, wobei 8 Monate bedingt nachgesehen wurden, kann als äußerst gering bezeichnet werden und muss daher bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Ein Aufenthaltsverbot sollte keinen generalpräventiven Charakter aufweisen. Die Dauer des Aufenthaltsverbotes war somit auf zwei Jahre herabzusetzen."
Eine nachvollziehbare Gefährdungsannahme ist in diesen Überlegungen nicht zu erblicken, und es stellt sich die Frage, warum angesichts der ins Treffen geführten Umstände die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes nicht überhaupt zu unterbleiben hatte (sondern dessen Dauer "bloß" auf zwei Jahre herabzusetzen war).
Auch die nachfolgenden Erwägungen, die sofortige Ausreise der Revisionswerberin - die im Bundesgebiet keine Bindungen aufweise und daher keine persönlichen Verhältnisse zu regeln habe, die einen Durchsetzungsaufschub rechtfertigen würden - sei im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, tragen nichts zur Frage bei, ob und welche konkrete Gefährdung im Sinn des § 67 Abs. 1 erster bis vierter Satz FPG von der Revisionswerberin ausgeht. Wenn es dann weiter heißt, die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes (durch das BFA) "ist daher zu Recht erfolgt", so wird darüber hinaus aktenwidrig darüber hinweggegangen, dass das BFA in seinem Bescheid vom 26. August 2014 gemäß § 70 Abs. 3 FPG einen Durchsetzungsaufschub in der Dauer eines Monats erteilte.
Zusammenfassend fehlt es daher schon unter dem Aspekt "Gefährdungsprognose" an einer tauglichen Begründung des angefochtenen Erkenntnisses. Dass darüber hinaus auch keine Erwägungen zur Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes unter dem Gesichtspunkt des § 9 BFA-Verfahrensgesetz angestellt wurden, kommt hinzu. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. In den dort angeführten Pauschalbeträgen ist die Umsatzsteuer bereits enthalten, sodass das Mehrbegehren auf deren gesonderten Zuspruch abzuweisen war.
Wien, am 19. Februar 2015
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