VwGH Ra 2014/21/0064

VwGHRa 2014/21/006419.2.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Revision der L B in W, vertreten durch Mag. Dr. Martin Deuretsbacher, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Oppolzergasse 6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13. November 2014, Zl. G307 2011837- 1/2E, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §67 Abs1;
FrPolG 2005 §67 Abs2;
VwGG §34 Abs1a;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §67 Abs1;
FrPolG 2005 §67 Abs2;
VwGG §34 Abs1a;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Das bekämpfte Erkenntnis wird im Umfang seiner Anfechtung (Aufenthaltsverbot) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Revisionswerberin, eine rumänische Staatsangehörige, wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 8. Jänner 2014 wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 und 129 Z 1 StGB sowie wegen des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 1 erster Fall StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten rechtskräftig verurteilt.

Im Hinblick auf diese Straftaten verhängte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen die Revisionswerberin mit Bescheid vom 20. August 2014 - unter gemäß § 70 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) vorgenommener Einräumung eines Durchsetzungsaufschubes im gesetzlichen Ausmaß - gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Der gegen die Verhängung des Aufenthaltsverbotes erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 13. November 2014 insofern Folge, als dessen Dauer auf ein Jahr herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde die Beschwerde, ebenso wie ein mit ihr verbundener Antrag auf Kostenersatz, abgewiesen. Unter einem sprach das BVwG gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Gegen dieses Erkenntnis, erkennbar mit Ausnahme der Abweisung des Kostenersatzbegehrens, richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Entgegen dem - den Verwaltungsgerichtshof nicht bindenden (§ 34 Abs. 1a VwGG) - Ausspruch des BVwG ist die gegenständliche Revision zulässig, weil es, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Anforderungen an eine (insbesondere) nach § 67 Abs. 1 FPG zu treffende Gefährdungsprognose außer Acht gelassen hat.

Gegen die Revisionswerberin als rumänische Staatsangehörige kommt die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur nach Maßgabe des § 67 Abs. 1 FPG in Betracht. Demnach - so die ersten vier Sätze der genannten Bestimmung - muss auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet sein. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der - wie im vorliegenden Fall - nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. zuletzt, mwN, das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2014, Zl. Ra 2014/21/0039).

Das BVwG traf in seinem Erkenntnis zu den Straftaten der Revisionswerberin keine näheren Feststellungen. Es beschränkte sich vielmehr auf die abstrakte Anführung der begangenen Delikte und auf die Angabe der verhängten Strafe. Im Übrigen gab es nur mehr wieder, dass das Strafgericht das Geständnis der Revisionswerberin, ihr junges Alter, ihre untergeordnete Rolle, ihre Unbescholtenheit sowie die teilweise Sicherstellung der Beute als mildernd und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen als erschwerend gewertet habe.

Demgegenüber hätte das BVwG konkrete Feststellungen zu den begangenen Straftaten und zu deren Begleitumständen vornehmen müssen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. April 2011, Zl. 2008/21/0183), was im vorliegenden Fall umso mehr geboten gewesen wäre, als das Strafgericht auch nach der Darstellung des BVwG im Rahmen der Milderungsgründe auf die untergeordnete Rolle der Revisionswerberin bei der Tatbegehung hingewiesen hat.

Vor diesem Hintergrund lässt sich nicht nachvollziehbar erschließen, warum im Sinn der ersten beiden Sätze des § 67 Abs. 1 FPG von der Revisionswerberin eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ausgehe, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Die ergänzenden Erwägungen des BVwG im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung, die Revisionswerberin befinde sich noch in offener Probezeit und es deuteten die Erschwerungsgründe sowie das Gewicht der ihr angelasteten strafbaren Handlungen "sehr wohl" auf eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit hin, vermögen daran nichts zu ändern. Zudem ist nicht zu sehen, warum es sich bei den von der Revisionswerberin begangenen Delikten - wie vom BVwG weiter festgehalten - "ohne Zweifel um ein die öffentliche Sicherheit auf dem Gebiet des Fremdenwesens besonders schwer gefährdendes und beeinträchtigendes Fehlverhalten" handle.

Zusammenfassend fehlt es somit an einer tauglichen Begründung des angefochtenen Erkenntnisses. Es war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 19. Februar 2015

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