VwGH Ro 2016/19/0004

VwGHRo 2016/19/000414.12.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Rossmeisel sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tanzer, in der Revisionssache des J A in A, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 4. Mai 2016, W199 2105697-2/4E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005, (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §55;
AsylG 2005 §57;
AsylG 2005 §58 Abs1 Z4;
AsylG 2005 §58 Abs3;
AsylG 2005 §9 Abs2;
BFA-VG 2014 §9;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs1a;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RO2016190004.J00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein in Syrien geborener staatenloser Palästinenser, stellte am 18. März 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies mit Bescheid vom 21. März 2015 den Antrag hinsichtlich Asyl ab und erkannte dem Revisionswerber subsidiären Schutz zu. In der Folge wurde der Revisionswerber rechtskräftig wegen des Verbrechens der Schlepperei gemäß § 114 Abs. 1, Abs. 3 Z 1, 2 und 3 sowie Abs. 4 erster Fall Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt.

3 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erkannte dem Revisionswerber daraufhin mit Bescheid vom 30. Dezember 2015 den subsidiären Schutz ab und entzog ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung. Es stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Revisionswerbers nach Syrien gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 - auf Grund des innerstaatlichen Konflikts in dessen Heimatstaat - unzulässig sei. Weiters erteilte es dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005.

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 stelle allein auf die - im Fall des Revisionswerbers vorliegende - rechtskräftige Verurteilung wegen eines Verbrechens ab. Die Argumente des Revisionswerbers, es sei lediglich eine untergeordnete Tatbeteiligung vorgelegen und er habe nicht aus Gewinnsucht gehandelt, seien insofern nicht relevant. Anhaltspunkte, die die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" rechtfertigen würde, lägen nicht vor. Über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 sei mangels aufenthaltsbeendender Maßnahme nicht abzusprechen gewesen.

4 Die Beschwerde wandte zunächst die Verfassungs- und Unionsrechtswidrigkeit des § 9 AsylG 2005 ein und verwies zudem auf die familiäre Situation des Revisionswerbers. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe zu Unrecht die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen versagt. Da der Revisionswerber ohnehin nicht nach Syrien abgeschoben werden könne, wäre ihm zumindest ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 zu erteilen gewesen.

5 Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Erkenntnis vom 4. Mai 2016 die Beschwerde des Revisionswerbers betreffend die Aberkennung von subsidiärem Schutz ab, hob jedoch hinsichtlich des Ausspruches über die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 den Bescheid ersatzlos auf.

In seiner Begründung stellte das Bundesverwaltungsgericht darauf ab, dass die Voraussetzungen für die Aberkennung des subsidiären Schutzes vorgelegen seien. Soweit der Revisionswerber vorgebracht habe, er hätte zur Aufrechterhaltung seines Familienlebens einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erhalten müssen, verwies das Bundesverwaltungsgericht zunächst darauf, dass dies nicht Ziel des § 57 AsylG 2005 sei. Die Prüfung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 habe wiederum nur zu erfolgen, wenn eine Rückkehrentscheidung erlassen wird. Zudem würde die Absicht des Gesetzgebers, Personen, die auf Grund bestimmter Handlungen von der Gewährung von subsidiärem Schutz ausgeschlossen werden bzw. denen dieser Status verweigert und in Folge nur ein bloßer Refoulementschutz zugestanden wird, unterlaufen, wollte man diesen Fremden einen vergleichbaren anderen Aufenthaltstitel wie jenen gemäß § 55 AsylG 2005 erteilen. Dieser Aufenthaltstitel komme daher von vornherein nicht in Betracht. In derartigen Fallkonstellationen komme aber auch eine Aufenthaltsberechtigung nach § 57 AsylG 2005 nicht in Frage. Diese Bestimmung sei vielmehr teleologisch auf jene Fälle zu reduzieren, in denen den betroffenen Fremden nicht bloßer Refoulementschutz zuerkannt worden ist, sondern die über keinerlei Aufenthaltstitel oder Abschiebeschutz verfügen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hätte die Voraussetzungen nach § 57 AsylG 2005 daher nicht prüfen und darüber spruchmäßig entscheiden dürfen. Da es zu dieser Frage aber an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle, sei die Revision zuzulassen gewesen. Eine mündliche Verhandlung habe unterbleiben können, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (ordentliche) Revision, zu der keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision in dieser Hinsicht ist der Verwaltungsgerichtshof nach § 34 Abs. 1a VwGG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Auch in der ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die unter dem erwähnten Gesichtspunkt maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Das gilt auch dann, wenn sich die Revision zwar auf die Gründe, aus denen das Verwaltungsgericht die (ordentliche) Revision für zulässig erklärt hatte, beruft, diese aber fallbezogen keine Rolle spielen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 2015, Ro 2014/21/0071).

Die Zulässigkeit der Revision setzt zudem voraus, dass das Schicksal der Revision von der Lösung der geltend gemachten Rechtsfrage abhängt (vgl. den hg. Beschluss vom 9. Oktober 2014, Ra 2014/18/0036).

8 Das Bundesverwaltungsgericht begründete die Zulässigkeit der Revision damit, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob die in § 58 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 normierte Verpflichtung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, sich auch auf Fremde bezieht, denen zwar der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird, aber Refoulementschutz nach § 9 Abs. 2 AsylG 2005 zukommt.

9 Der Revisionswerber erachtet die Zulässigkeit der Revision im Wesentlichen aus den vom Bundesverwaltungsgericht angeführten Gründen für gegeben. Ergänzend führt er aus, "es wird aber noch vom Verwaltungsgerichtshof zu klären sein, ob bereits verurteilte Straftäter, die ihre Haft angetreten sind, in den Tatbestand des § 57 AsylG fallen, vor allem in der Hinsicht, dass eine allfällige bedingte Entlassung aus der Haft samt Probezeit die Ziele des § 57 AsylG berühren kann."

Der Revisionswerber legt jedoch nicht näher dar, dass in seinem Fall die Voraussetzungen für einen der Tatbestände zur Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 57 AsylG 2005 ("Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz") vorgelegen wären und ihm demnach entgegen der Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes ein solcher Aufenthaltstitel hätte gewährt werden müssen. Liegen jedoch die Voraussetzungen für eine Titelerteilung nach § 57 AsylG 2005 ohnedies nicht vor - Gegenteiliges hat der Revisionswerber eben auch nicht vorgebracht -, kommt der als grundsätzlich erachteten Rechtsfrage, ob in den genannten Konstellationen eine Aufenthaltsberechtigung nach § 57 AsylG 2005 zu prüfen ist, fallbezogen keine Relevanz zu (vgl. den hg. Beschluss vom 16. Dezember 2015, Ra 2015/21/0119). Damit hängt das Schicksal der Revision auch nicht von der aufgeworfenen Rechtsfrage ab. Für die Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof auf Grund von Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG nicht zuständig (vgl. den hg. Beschluss vom 19. November 2014, Ra 2014/22/0047).

10 Andere Rechtsfragen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommen könnte, werden in der Revision nicht aufgeworfen. Soweit sich der Revisionswerber nämlich auf § 55 AsylG 2005 beruft, ist ihm entgegen zu halten, dass eine amtswegige Prüfung, ob dem Fremden ein Aufenthaltstitel nach dieser Bestimmung zu erteilen wäre, über deren "Ergebnis" gemäß § 58 Abs. 3 AsylG 2005 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen ist, nur für den Fall vorgesehen ist, dass eine Rückkehrentscheidung im Grunde des § 9 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 2015, Ra 2015/21/0101). Im vorliegenden Fall stellte sich aber die Frage einer allfälligen Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung nicht, war eine solche doch hier nicht zu erlassen.

11 Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Wien, am 14. Dezember 2016

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