VwGH Ra 2016/15/0058

VwGHRa 2016/15/005819.10.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision des E K in M, vertreten durch Mag. Dagmar Hoppstädter, Rechtsanwältin in 4616 Weißkirchen, Birkenstraße 23, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 28. April 2016, Zl. RV/5100375/2014, betreffend Wiederaufnahme (Einkommensteuer 1996 bis 2002), Einkommensteuer 1996 bis 2002 und Umsatzsteuer 1996 bis 2002, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §115 Abs2;
BAO §183 Abs3;
BAO §183;
BAO §184;
BAO §269 Abs1;
BAO §76 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016150058.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber war in den Streitjahren als Chiropraktiker tätig. Zum Sachverhalt und zum bisherigen Verfahrensgang wird eingangs auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 2014, 2009/15/0212, verwiesen.

2 Mit Schriftsatz vom 27. August 2014 lehnte der Revisionswerber den zuständigen Einzelrichter des Bundesfinanzgerichtes wegen Befangenheit ab.

3 Mit Beschluss der Leiterin der Außenstelle des Bundesfinanzgerichtes vom 1. Oktober 2014 wurde dieser Antrag als unbegründet abgewiesen.

4 Mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2014 stellte der Revisionswerber Beweisanträge.

5 Mit Verfügung vom 8. Jänner 2015 forderte das Bundesfinanzgericht eine Auskunftsperson dazu auf, die Frage zu beantworten, ob bei der Hausdurchsuchung am 27. Oktober 2003 Bargeld in Höhe von 167.200 EUR oder lediglich von 167.200 S in Euro-Scheinen vorgefunden worden sei. Begründend führte das Bundesfinanzgericht aus, laut einer Niederschrift gemäß § 93 Abs. 6 FinStrG vom 27. Oktober 2003 sei u.a. ein Kuvert mit

167.200 EUR beschlagnahmt worden, was auch in der Zugangsanordnung vermerkt worden sei. Trotz dieser Aktenlage habe der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, die belangte Behörde werde die genannte Frage zu klären haben. (Das Bundesfinanzgericht übersieht hiebei, dass laut Niederschrift über den Verlauf des Erörterungsgesprächs vom 17. September 2009 beim unabhängigen Finanzsenat die Frage behandelt wurde, wie es "sein könne, dass sich im Tresor 167.200,00 S in Euro-Scheinen" befunden hätten;

dies wird auch im angefochtenen Erkenntnis - Seite 33 - geschildert).

6 Die Auskunftsperson teilte mit, es habe sich um einen

Betrag von 167.200 EUR gehandelt.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das

Bundesfinanzgericht die (nunmehrige) Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG sei nicht zulässig.

8 Begründend führte das Bundesfinanzgericht - nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges - zunächst zu den Beweisanträgen aus, das Vorliegen der vom Revisionswerber vorgebrachten Erkrankung werde als richtig anerkannt. Von der ergänzenden Einvernahme des Revisionswerbers sei Abstand genommen worden, da der Revisionswerber ausreichend Gelegenheit gehabt habe, aufklärend zur Feststellung des Sachverhaltes beizutragen. Betreffend weitere Beweisanträge liege jeweils Verfahrensverschleppung vor. Zu beantragten Gutachten werde ergänzend ausgeführt, es sei nicht nachvollziehbar, warum der Revisionswerber nicht selbst entsprechende Gutachten vorgelegt habe. Vorgelegte Unterlagen würden "zur Kenntnis genommen". Ein Beweisantrag, der sich auf das Jahr 2003 beziehe, sei hier unerheblich, da lediglich die Jahre 1996 bis 2002 gegenständlich seien. Zur beantragten Beischaffung von Depotauszügen werde insbesondere auf das bereits erwähnte Erkenntnis 2009/15/0212 verwiesen. Die Beischaffung eines Aktes der Staatsanwaltschaft werde abgelehnt, weil es sich hiebei um einen Erkundungsbeweis handle. Im Ausland wohnhafte Zeugen seien vom Abgabepflichtigen stellig zu machen. Betreffend diese Zeugen sei auch kein konkretes Beweisthema genannt worden.

9 Unstrittig sei der Revisionswerber von 1996 bis 2002 als "Chiropraktiker" gegen Entgelt tätig gewesen. Im Zuge seiner Vernehmung am 27. Oktober 2003 habe der Revisionswerber selbst angegeben, er könne nicht ausschließen, nicht die gesamten Einkünfte in seine Steuererklärung aufgenommen zu haben. Ordnungsgemäße Aufzeichnungen iSd § 163 BAO über den tatsächlichen Umfang der Tätigkeit lägen nicht vor.

10 Der Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens befreie den Abgabepflichtigen nicht von seiner Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts beizutragen. Der Revisionswerber habe zur Aufklärung des wahren Sachverhaltes kaum sachdienlich beigetragen. Einzig nachvollziehbar sei der Hinweis des Revisionswerbers auf seine eingeschränkte Leistungsfähigkeit auf Grund seiner gesundheitlichen Situation. Andererseits fehlten gänzlich schlüssige Aufzeichnungen über den tatsächlichen Umfang seiner Tätigkeit.

11 Da der Revisionswerber keine ordnungsgemäßen Aufzeichnungen geführt und auch sonst nicht zur Aufklärung des Sachverhaltes beigetragen habe, müsse er es hinnehmen, wenn die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen durch eine Globalschätzung des Finanzamtes erfolgt sei. Dem Einwand der gesundheitlichen Beeinträchtigung des Revisionswerbers habe das Finanzamt dadurch ausreichend Rechnung zu tragen versucht, dass lediglich zwei Arbeitstage pro Woche berücksichtigt worden seien. Zudem seien dem Revisionswerber pro Jahr mindestens vier Wochen zugebilligt worden, in denen die Praxis des Revisionswerbers geschlossen gewesen sei. Die Annahme des Finanzamtes von etwa vierzig behandelten Personen pro Woche erscheine plausibel, sei doch eine entsprechende Besucherfrequenz im Zuge der Beobachtungen festgestellt worden. Wenn der Revisionswerber darzustellen versuche, ihm sei die Behandlung so vieler Personen schon aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen, sei dem entgegen zu halten, dass es an ihm gelegen gewesen wäre, durch ordnungsgemäße Aufzeichnungen iSd § 163 BAO seine Behauptungen zu dokumentieren. Die vom Revisionswerber beantragten Beweisaufnahmen (etwa Einholung von Gutachten) könnten die Aufzeichnungen über die tatsächliche Kundenfrequenz nicht ersetzen. Vielmehr lägen Beobachtungen über die Besucherfrequenz vor, die dem Revisionswerber bekannt seien. Daran könne auch der vom Revisionswerber beantragte Lokalaugenschein nichts ändern, weil sich dadurch nicht klären lasse, wie viele Kunden den Revisionswerber im Streitzeitraum tatsächlich aufgesucht hätten. Der Revisionswerber habe nicht plausibel erklären können, weshalb das Finanzamt nicht von der beobachteten Besucherfrequenz auf eine bestimmte Kundenfrequenz habe schließen können. Zudem habe der Revisionswerber selbst "Schwarzumsätze" eingestanden, jedoch in keiner Weise dazu beigetragen, diese Schwarzumsätze lückenlos aufzuklären. Lediglich für das einkommensstärkste Jahr 2002 habe der Revisionswerber Schwarzerlöse in Höhe von 50.000 S eingestanden. Rechne man diese Schwarzumsätze den erklären Erlösen zu, ergäben sich Gesamterlöse von 18.165 EUR. Bei einem durchschnittlichen Behandlungssatz von 45 EUR komme man etwa auf 404 Behandlungen pro Jahr. Ausgehend von 45 Arbeitswochen mit je 2 Arbeitstagen ergäben sich etwa 4 - 5 Kunden pro Tag. Der Revisionswerber deute unter Hinweis auf vorgelegte Unterlagen ohne konkrete Beweise an, dass mehr als drei Patienten am Tag nicht behandelt werden könnten. Dies widerspreche aber den vom Revisionswerber tatsächlich einbekannten Erlösen. Daher schenke das Bundesfinanzgericht den Beobachtungen des Finanzamtes mehr Glauben, zumal außer diesen Beobachtungen keine konkreten nachvollziehbaren Anhaltspunkte für die tatsächlich erzielten Umsätze aus der Tätigkeit als Chiropraktiker vorlägen. Für den vom Finanzamt festgestellten Umfang der Tätigkeit spreche auch das im Zuge der Hausdurchsuchung aufgefundene Barvermögen von

167.200 EUR, dessen Herkunft der Revisionswerber in keiner Weise habe nachvollziehbar darstellen können.

12 Zudem sei die Mittelherkunft bezüglich der von der Außenprüfung festgestellten Geldtransaktionen vom Revisionswerber nicht restlos aufgeklärt worden. Er habe auch an der Aufklärung kaum mitgewirkt, sondern lediglich umfangreiche, das Verfahren verschleppende Beweisanträge gestellt. Aus den vorgelegten Unterlagen sei die Mittelherkunft über den gesamten Streitzeitraum nicht lückenlos nachvollziehbar. Eine Würdigung der unvollständigen Unterlagen zu Gunsten des Revisionswerbers sei daher nicht sachgerecht, zumal die Vorlage ausgewählter Unterlagen nicht geeignet gewesen sei, den vom Revisionswerber behaupteten Sachverhalt glaubhaft zu machen. Das Bundesfinanzgericht gehe davon aus, dass die Feststellungen des Finanzamtes zutreffend seien.

13 Der Revisionswerber habe die Erlöse aus der Tätigkeit als Chiropraktiker in den Abgabenerklärungen nicht vollständig angegeben. Das Bundesfinanzgericht gehe davon aus, dass der Revisionswerber seine Einnahmen und Umsätze aus der Tätigkeit als Chiropraktiker bewusst gegenüber dem Finanzamt verschwiegen habe.

14 Die Feststellungen des Finanzamtes zu den Auslandsaktivitäten des Revisionswerbers seien vom Finanzamt schlüssig ermittelt worden. Es sei im Geschäftsleben durchaus ungewöhnlich, wenn Vermittlungsleistungen ohne Provision stattfänden. Den Revisionswerber hätte in Zusammenhang mit den vom Finanzamt festgestellten Auslandssachverhalten eine entsprechende Beweisvorsorgepflicht getroffen. Es wäre an ihm gelegen, seine ungewöhnliche Behauptung zu beweisen. Der Revisionswerber habe aber lediglich "unsubstantiierte Beweisanträge" gestellt, ohne zur Aufklärung des Sachverhaltes konkret beizutragen. Nach den Feststellungen des Finanzamtes hätten die vermittelten Leistungen ein Gesamtvolumen von ca. 16 Mio S ausgemacht. Soweit das Finanzamt davon ausgehe, dass für derartige Vermittlungsleistungen eine Provision in Höhe von 20% und damit ein Provisionszufluss in Höhe von 3,2 Mio S in den Jahren von 1996 bis 2003 als fremdüblich anzusehen sei, könne dem nicht entgegengetreten werden. Dem Einwand, es handle sich bei der Vorfinanzierung um einen steuerlich unbeachtlichen Gefälligkeitsdienst, könne nicht gefolgt werden. Für das Vorliegen einer derart unüblichen Vorgangsweise lägen keinerlei realistische Anhaltspunkte vor, zumal der Revisionswerber keine Aufzeichnungen über seine Vermittlertätigkeit, insbesondere über die Vorfinanzierungen geführt habe. Es wäre am Revisionswerber gelegen gewesen, den wahren Sachverhalt durch konkrete Beweise restlos zu erhellen. Das Auffinden eines Barvermögens von 167.200 EUR bzw. eines Wechsels über 100.000 S weise auf eine umfangreiche Geschäftstätigkeit hin. Zudem sei die Mittelherkunft bezüglich der von der Betriebsprüfung festgestellten Geldtransaktionen vom Revisionswerber nicht restlos aufgeklärt worden. Er habe auch an der Aufklärung kaum mitgewirkt, sondern lediglich umfangreiche, das Verfahren verschleppende Beweisanträge gestellt. Aus den vorgelegten Unterlagen sei die Mittelherkunft über den gesamten Streitzeitraum nicht lückenlos nachvollziehbar. Eine Würdigung der unvollständigen Unterlagen zu Gunsten des Revisionswerbers sei daher nicht sachgerecht, zumal die Vorlage ausgewählter Unterlagen nicht geeignet gewesen sei, den vom Revisionswerber behaupteten Sachverhalt glaubhaft zu machen. Aus welcher Tätigkeit dieses Vermögen stamme, könne mangels Aufzeichnungen nicht nachvollzogen werden. Die Annahme des Finanzamtes, dem Revisionswerber seien jährlich Provisionseinkünfte von 400.000 S zugeflossen, die nicht in der Steuererklärung erfasst worden seien, sei durchaus plausibel. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Revisionswerber bereits in den vor dem Prüfungszeitraum liegenden Jahren Vermögen ungeklärten Ausmaßes erworben habe. Die Provisionen seien in den Abgabenerklärungen nicht angegeben worden. Das Bundesfinanzgericht gehe davon aus, dass der Revisionswerber seine Einnahmen aus der Vermittlungstätigkeit bewusst gegenüber dem Finanzamt verschwiegen habe.

15 Betreffend die Berufung vom 19. Jänner 2005 sei eine mündliche Verhandlung sowie eine Entscheidung durch den Senat erst in einer Berufungsergänzung beantragt worden. Es sei sohin kein Rechtsanspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung bzw. auf Entscheidung durch den Senat begründet worden.

16 Das Finanzamt habe in einem einwandfrei durchgeführten Ermittlungsverfahren als Wiederaufnahmegrund das Neuhervorkommen bisher nicht offen gelegter Erlöse herangezogen. Die Tatsache, dass keine ordnungsgemäßen Aufzeichnungen über die Betätigungen des Revisionswerbers vorgelegen seien, sei erstmals im Zuge der Betriebsprüfung hervorgekommen.

17 Bei den verkürzten Abgaben handle es sich um hinterzogene Abgaben. Damit gelte eine Verjährungsfrist von 10 Jahren. Die mit den Bescheiden vom 21. Dezember 2004 erfolgte Festsetzung der Abgaben sei lange vor Ablauf dieser Verjährungsfrist erfolgt.

18 Die Annahme von Betriebsausgaben im Ausmaß von 12% der Betriebseinnahmen sei schlüssig. Mit seinen Einwendungen habe der Revisionswerber keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide aufzeigen können.

19 Die Auslandsaktivitäten seien als normale Geschäftsbeziehungen mit Gewinnerzielungsabsicht anzusehen. Die Ausführungen des Revisionswerbers, es sei ihm nur darum gegangen, für den Fall des Inkrafttretens des Schengen-Abkommens (in der zunächst geplanten Version) einer Auslieferung an Italien (wegen seiner Südtirol-Aktivitäten) zu entgehen, erscheine "etwas weit hergeholt". Italien sei dem Abkommen gar nicht beigetreten. Der "Prümer Vertrag", der allenfalls Anlass für die Befürchtungen des Revisionswerbers habe sein können, sei lange nach dem Streitzeitraum erst im Jahr 2005 abgeschlossen worden.

20 Eine Steuerbefreiung iSd § 6 Abs. 1 Z 19 erster Satz UStG 1994 liege betreffend die Tätigkeit als Chiropraktiker nicht vor. Die vom Finanzamt festgestellten Umsätze des Revisionswerbers überstiegen auch die Grenze des § 6 Abs. 1 Z 27 erster Satz UStG 1994; die Kleinunternehmerbefreiung sei daher vom Finanzamt zu Recht nicht angewendet worden.

21 Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nicht zulässig, weil die zu klärenden Rechtsfragen durch die im angefochtenen Erkenntnis zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschieden seien.

22 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. Das Finanzamt hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

 

23 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

24 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass mit dem angefochtenen Erkenntnis lediglich der Zeitraum 1996 bis 2002 behandelt wurde. Eine Entscheidung betreffend das Jahr 2003 erfolgte mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis - anders als im Bescheid des unabhängigen Finanzsenates vom 22. Oktober 2009 und im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 2014 - nicht. Damit ist insbesondere die Berufung vom 23. Jänner 2006 gegen die Bescheide vom 9. Jänner 2006 (Einkommensteuer und Umsatzsteuer für 2003) nicht Gegenstand dieses Verfahrens. In der Berufung gegen die Bescheide für die Jahre 1996 bis 2002 wurde aber - wie bereits im Vorerkenntnis ausgeführt - kein rechtzeitiger Antrag auf mündliche Verhandlung oder Entscheidung durch den Senat gestellt. Der Umstand, dass mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis keine Entscheidung über das Jahr 2003 erfolgte, begründet entgegen der in der Revision vertretenen Meinung keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses; insoweit könnte lediglich Säumnis des Bundesfinanzgerichtes geltend gemacht werden.

25 Der Revisionswerber macht geltend, es liege der Befangenheitsgrund des § 76 Abs. 1 lit. d BAO vor, da derselbe Organwalter, der als Referent den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates erlassen habe, nunmehr als Richter des Bundesfinanzgerichtes gehandelt habe.

26 Nach § 76 Abs. 1 lit. d BAO haben sich Organe u.a. der Verwaltungsgerichte der Ausübung ihres Amtes wegen Befangenheit zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen, wenn sie an der Erlassung des angefochtenen Bescheides oder der Beschwerdevorentscheidung mitgewirkt oder eine Weisung im betreffenden Verfahren erteilt haben. Gemäß § 268 Abs. 1 BAO steht den Parteien das Recht zu, den Einzelrichter oder ein Mitglied des Senates mit der Begründung abzulehnen, dass einer der im § 76 Abs. 1 BAO aufgezählten Befangenheitsgründe vorliegt.

27 Im vorliegenden Fall bestehen aber keine Anhaltspunkte dafür, dass der Richter, der das in Revision gezogene Erkenntnis erließ, in diesem Sinne an der Erlassung der vor ihm in Prüfung gezogenen Bescheide des Finanzamtes beteiligt gewesen sei. Der Umstand, dass eine Entscheidung eines Verwaltungsorgans im Rechtsmittelweg oder auch von einem Gerichtshof des öffentlichen Rechts aufgehoben wird, begründet für das fortgesetzte Verfahren weder einen absoluten noch - für sich allein - einen sonstigen Befangenheitsgrund (vgl. - zu § 7 AVG - VwGH vom 30. Juni 2015, Ro 2015/03/0021, mwN).

28 Das Finanzamt hatte die Einkünfte des Revisionswerbers aus der Tätigkeit als Chiropraktiker unter Berücksichtigung folgender Annahmen geschätzt: 47 Arbeitswochen, zwei Behandlungstage zu je 8 Stunden pro Woche, wobei in einer Stunde 5 Behandlungen angenommen wurden; pro Behandlung werde ein Betrag von 400 S (in den Folgejahren entsprechend mehr) verrechnet. Abzüglich 12% Betriebsausgaben ergäben sich daraus die Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Ausgehend von den Einnahmen errechne sich auch der Nettoumsatz und daraus die Umsatzsteuer; die Vorsteuer werde mit einem Durchschnittssatz von 1,8% des Gesamtumsatzes berechnet. Hinzu kämen Einkünfte für Vermittlungsleistungen (Vermittlung des Verkaufes von Bussen aus Österreich nach Russland; Einräumung der Möglichkeit, mittels Scheinrechnungen Gelder aus Russland nach Liechtenstein zu transferieren). Die vermittelten Leistungen wiesen in den Jahren 1996 bis 2003 insgesamt ein Volumen von 16 Mio. S auf; es sei davon auszugehen, dass für derartige Vermittlungsleistungen eine Provision in Höhe von 20% fremdüblich sei, sodass dem Revisionswerber jährlich 400.000 S Provisionseinkünfte zugeflossen seien.

29 Der unabhängige Finanzsenat hatte im Bescheid vom 22. Oktober 2009 hingegen ausgeführt, weder aus den vorgelegten Unterlagen des Revisionswerbers noch aus den Observationen des Finanzamtes ließen sich seriöse Schlüsse auf die Umsätze und Einnahmen des Revisionswerbers ziehen. Die vom Finanzamt im Zuge der Betriebsprüfung aufgestellte Hochrechnung sei als Schätzungsmethode nicht geeignet. Auch habe die Betriebsprüfung nicht feststellen können, dass tatsächlich Geldmittel von russischen Geschäftspartnern an den Revisionswerber geflossen seien. Mangels eines Hinweises auf einen derartigen Geldfluss gehe die Behörde davon aus, dass in diesem Zusammenhang keine Einkunftsquelle des Revisionswerbers vorliege. Die Tätigkeit als Chiropraktiker sei die einzige gewinnorientierte Tätigkeit im Streitzeitraum gewesen. Es sei davon auszugehen, dass die Mittel, die für Vermögenstransaktionen verwendet worden seien, vom Revisionswerber im Zuge dieser Tätigkeit erwirtschaftet worden seien. Ausgehend von diesen Vermögenstransaktionen nahm der unabhängige Finanzsenat einen Vermögenszuwachs an, der aus den Einkünften des Revisionswerbers aus seiner chiropraktischen Tätigkeit resultiere.

30 Mit dem bereits erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 2014 war dieser Bescheid des unabhängigen Finanzsenates aufgehoben worden. Der Verwaltungsgerichtshof führte insbesondere aus, dass jedes Schätzungsergebnis auch mit den Lebenserfahrungen im Einklang stehen muss. Der unabhängige Finanzsenat, der eine weitere Einkunftsquelle als nicht erweislich angesehen hatte, hätte abzuwägen gehabt, ob es überwiegend wahrscheinlich war, dass das unstrittig vorhandene Vermögen erst im Beurteilungszeitraum aus der Tätigkeit als Chiropraktiker stammen konnte oder dieses entsprechend dem Vorbringen des Revisionswerbers aus früheren Zeiträumen stammte.

31 Im nunmehr angefochtenen Erkenntnis kehrt das Bundesfinanzgericht zur Schätzungsmethode des Finanzamtes zurück.

32 Wie bereits im Vorerkenntnis ausgeführt, ist bei der Wahl der Schätzungsmethode jener Methode der Vorzug zu geben, die zur Erreichung des Zieles, den tatsächlichen Gegebenheiten möglichst nahe zu kommen, am geeignetsten erscheint. Die zum Schätzungsergebnis führenden Gedankengänge müssen schlüssig und folgerichtig sein, und das Ergebnis, das in der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen besteht, muss mit den Lebenserfahrungen in Einklang stehen. Zudem muss die Behörde auf alle vom Abgabepflichtigen substanziiert vorgetragenen, für die Schätzung relevanten Behauptungen eingehen.

33 Diesen Anforderungen entspricht das angefochtene Erkenntnis nicht.

34 Zutreffend zeigt die Revision auf, dass die Ausführungen des Bundesfinanzgerichtes das Schätzungsergebnis zur Tätigkeit als Chiropraktiker schon deswegen nicht decken können, weil das vom Bundesfinanzgericht bestätigte Schätzungsergebnis des Finanzamtes von 80 Behandlungen pro Woche ausgegangen ist, das Bundesfinanzgericht aber lediglich 40 Behandlungen pro Woche als "plausibel" annimmt.

35 Das Bundesfinanzgericht hat sich auch nicht ausreichend mit den Darlegungen des Revisionswerbers auseinandergesetzt. Wenn das Bundesfinanzgericht - ausgehend von den erklärten Einkünften des Revisionswerbers - dessen Vorbringen, im Durchschnitt könnten nicht mehr als drei Patienten pro Tag behandelt werden, als widerlegt beurteilt, so kann dies zwar nicht als denkgesetzwidrig beurteilt werden. Daraus folgt aber nicht, dass der Revisionswerber in der Lage gewesen wäre, an jedem Behandlungstag durchschnittlich 40 (oder nach den Annahmen des Bundesfinanzgerichtes 20) Personen zu behandeln. Eine derartige Annahme bedürfte jedenfalls näherer Auseinandersetzung mit dem - auch vom Bundesfinanzgericht als zutreffend erachteten - Vorbringen des Revisionswerbers zu seiner Erkrankung, zu den räumlichen Verhältnissen am Behandlungsort, zu den zeitlichen Einschränkungen im Hinblick auf den Wohnsitz seiner Mutter am Behandlungsort, zu der Art und Dauer der jeweiligen Behandlungen und - im Hinblick auf die Observationsergebnisse - auch dazu, ob die zu behandelnden Personen allein oder in Begleitung zum Revisionswerber kamen. Wenn das Bundesfinanzgericht dazu ausführt, es wäre am Revisionswerber gelegen gewesen, durch ordnungsgemäße Aufzeichnungen iSd § 163 BAO seine Behauptungen zu dokumentieren, so begründet aber das Fehlen derartiger Aufzeichnungen die Schätzungsbefugnis und kann nicht überdies im Rahmen des Schätzungsverfahrens den substantiierten Behauptungen des Revisionswerbers entgegen gehalten werden.

36 Auch die Erwägungen des Bundesfinanzgerichtes zu den Vermittlungsleistungen halten den Anforderungen einer Schlüssigkeitsprüfung nicht stand. Warum für die Vermittlung von gebrauchten Bussen eine Provision in Höhe von 20% als fremdüblich anzusehen sei, kann weder den Erwägungen des Bundesfinanzgerichtes noch jenen des Finanzamtes entnommen werden.

37 Im Übrigen legt das Bundesfinanzgericht auch nicht dar, welche Überlegungen es dazu bewogen haben, die Annahmen des unabhängigen Finanzsenates, die Schätzungsmethode des Finanzamtes sei ungeeignet und es gebe keinen Hinweis eines Geldflusses von den russischen Geschäftspartnern an den Revisionswerber, zu revidieren.

38 Gemäß § 269 Abs. 1 BAO haben die Verwaltungsgerichte im Beschwerdeverfahren die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden eingeräumt sind. Zu solchen Obliegenheiten und Befugnissen zählen insbesondere Beweisaufnahmen sowie die Pflicht zur Wahrung des Parteiengehörs (vgl. Ritz, BAO5, § 269 Tz 3 f). Nach § 270 BAO ist auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge im Beschwerdeverfahren Bedacht zu nehmen.

39 Gemäß § 183 Abs. 3 BAO ist von der Aufnahme von den Parteien beantragter Beweise u.a. dann abzusehen, wenn aus den Umständen erhellt, dass die Beweise in der offenbaren Absicht, das Verfahren zu verschleppen, angeboten worden sind.

40 Im Abgabenverfahren gilt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Überraschungsverbot. Gemäß § 269 Abs. 1 BAO ist dies auch im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht zu beachten (vgl. VwGH vom 11. Februar 2016, Ra 2015/13/0047, mwN).

41 Im hier vorliegenden Verfahren war es nach Ergehen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 2014 naheliegend, dass im Hinblick auf den betreffend das Jahr 2003 rechtzeitigen Antrag auf Verhandlung eine mündliche Beschwerdeverhandlung stattfinden werde. Wenn der Revisionswerber zur Vorbereitung auf eine zu erwartende Verhandlung Beweisanträge stellt, so kann daraus nicht auf eine offenbare Absicht, das Verfahren zu verschleppen (§ 183 Abs. 3 BAO), geschlossen werden, auch wenn derartige Beweisanträge schon früher hätten gestellt werden können.

42 Das angefochtene Erkenntnis war daher schon aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war.

43 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

44 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 19. Oktober 2016

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