VwGH Ra 2015/09/0080

VwGHRa 2015/09/008020.6.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Höhl, über die außerordentliche Revision des B K in N, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 22. Juni 2015, Zl. LVwG- 10/284/10-2015, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hallein), zu Recht erkannt:

Normen

EURallg;
GSpG 1989 §52;
VwGG §42 Abs2 Z1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2015090080.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 12. Jänner 2015 wurde der Revisionswerber der Übertretung der § 52 Abs. 1 Z 1 1. Fall iVm § 2 Abs. 2 und 4 Glücksspielgesetz (GSpG) in zwei Fällen schuldig erkannt, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen befugtes Organ der X-GmbH zu verantworten habe, dass in der Zeit von zumindest 11. April 2014 bis 23. April 2014 verbotene Ausspielungen veranstaltet wurden, indem diese Gesellschaft zwei in einem näher bezeichneten Lokal in Hallein aufgestellte Glücksspielgeräte betrieben hat, ohne dass eine entsprechende Konzession vorgelegen sei, und es wurden über ihn zwei Geldstrafen bzw. Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.

2 Mit Erkenntnis vom 22. Juni 2015 gab das Landesverwaltungsgericht Salzburg der vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde insoweit Folge, als die zwei Geldstrafen auf je EUR 2.000,-- (und die Ersatzfreiheitsstrafen auf jeweils 64 Stunden) herabgesetzt wurden; im Übrigen wies es die Beschwerde mit der Maßgabe, dass die angewendeten Strafbestimmungen "§ 52 Abs. 1 Einleitungssatz iVm § 52 Abs. 2 erster Strafrahmen Glücksspielgesetz" zu lauten hätten, ab und erachtete die ordentliche Revision für unzulässig.

3 Hinsichtlich der vom Revisionswerber vorgebrachten unionsrechtlichen Bedenken führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber habe einen unionsrechtlich relevanten Auslandsbezug nicht dargelegt, ein solcher sei auch für das Verwaltungsgericht nicht erkennbar. Es sei über einen österreichischen Geschäftsführer eines österreichischen Unternehmens, welches in einem Standort in Österreich verbotene Ausspielungen im Sinne des GSpG veranstaltet habe, eine Verwaltungsstrafe verhängt worden. Das Unionsrecht sei sohin im gegenständlichen Verfahren nicht anzuwenden, sodass das Verwaltungsgericht auf die Ausführungen zur behaupteten Unionsrechtswidrigkeit des GSpG nicht näher einzugehen müsse.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde machte von der im Vorverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof eingeräumten Möglichkeit zur Erstattung einer Revisionsbeantwortung keinen Gebrauch.

 

4 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Die Zulässigkeit der Revision sieht die revisionswerbende Partei unter anderem darin begründet, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nach Durchführung eines entsprechenden Verfahrens konkrete Tatsachenfeststellungen zu treffen seien, aus denen sich ableiten lasse, ob durch anzuwendende Bestimmungen des Glücksspielgesetzes vorgenommene Beschränkungen der unionsrechtlichen Grundfreiheiten im Sinn der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt seien oder nicht.

6 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

7 In der Revision werden wie schon im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht zuletzt auch unionsrechtliche Bedenken gegen die Anwendung des Glücksspielgesetzes vorgetragen.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits ausgeführt, dass das Verwaltungsgericht zur Ermöglichung der Beurteilung, ob Unionsrecht unmittelbar anwendbar ist, Feststellungen dazu zu treffen habe, ob die Monopolregelung den unionsrechtlichen Vorgaben entspreche, und - wie der Revisionswerber zutreffend aufzeigt - im hg. Erkenntnis vom 29. Mai 2015, Ro 2014/17/0049, klargestellt, dass das Verwaltungsgericht für den Fall der Annahme der Nichtanwendbarkeit von Unionsrecht sich auch mit der Frage verfassungsrechtlicher Bedenken der Anwendung von § 52 GSpG wegen Inländerdiskriminierung auseinandersetzen müsse (vgl. dazu auch den hg. Beschluss vom 22. Februar 2016, Ra 2015/17/0090). Gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG wird auf die Begründungen der genannten Entscheidungen verwiesen. - Siehe zu der nach den Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union an Hand der im Einzelfall getroffenen Feststellungen im Anschluss vorzunehmenden Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen die die Dienstleistungsfreiheit beschränkenden Bestimmungen des Glücksspielgesetzes erlassen worden sind und umgesetzt werden, das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022.

9 Derartige Feststellungen bzw. weitere rechtliche Auseinandersetzungen fehlen im vorliegenden Fall.

10 Da das Landesverwaltungsgericht in Verkennung der Rechtslage die nach der Rechtsprechung für eine solche Beurteilung erforderlichen Feststellungen, die der Partei eine umfassende Stellungnahme zur Rechtslage ermöglichen würden, nicht getroffen bzw. eine allenfalls in der Folge erforderliche Auseinandersetzung zur Frage der Inländerdiskriminierung unterlassen hat, war das angefochtene Erkenntnis schon aus den dargelegten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

11 Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4, 5 und 6 VwGG abgesehen werden. Für eine Verstärkung des Senats bestand keine Veranlassung.

12 Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 20. Juni 2016

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