VwGH Ra 2015/09/0071

VwGHRa 2015/09/007124.2.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Höhl, über die außerordentliche Revision des Ing. MJS und der S GmbH, beide in G, beide vertreten durch Dr. Klaus Rainer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 22, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 6. Mai 2015, LVwG 33.26-5154/2014-21 und LVwG 35.26-5155/2014-21, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes und diesbezüglicher Haftungsausspruch (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde: Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §18 Abs1 Z1;
AuslBG §18 Abs12 Z1;
AuslBG §28 Abs1 Z5 lita;
AuslBG §28 Abs1 Z5 litb;
AuslBG §28 Abs1 Z5;
MRK Art6 Abs2;
VStG §44a Z2 impl;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §38;
VwGVG 2014 §50;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Revisionswerbern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 5. September 2014 wurde der Erstrevisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Zweitrevisionswerberin für schuldig erkannt, er habe es zu verantworten, dass von der Zweitrevisionswerberin die Arbeitsleistungen von drei namentlich angeführten bosnischen Staatsangehörigen, nämlich des D vom 20. Mai 2013 bis 16. Juli 2013, des V vom 20. Mai 2013 bis 16. Juli 2013 und des S am 16. Juli 2013 (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof), die von der GK d.o.o. mit Sitz in Slowenien zur Arbeitsleistung nach Österreich entsandt worden seien, in Anspruch genommen worden seien, obwohl sie nicht ordnungsgemäß zu einer Beschäftigung im Staat des Betriebssitzes über die Dauer der Entsendung nach Österreich hinaus zugelassen und beim entsendenden Unternehmen rechtmäßig beschäftigt gewesen seien und auch keine EU-Entsendebestätigung ausgestellt gewesen sei. Der Erstrevisionswerber habe dadurch § 28 Abs. 1 Z. 5 lit. a iVm § 18 Abs. 12 Z. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) verletzt und über ihn wurden gemäß § 28 Abs. 1 Z. 5 AuslBG hinsichtlich des D eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von EUR 1.500,-- und eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen und hinsichtlich des V und des S Verwaltungsstrafen in der Höhe von jeweils EUR 1.000,-- und Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils einem Tag und zwölf Stunden verhängt. Dem Erstrevisionswerber wurden weiters Verfahrenskosten auferlegt und es wurde ausgesprochen, dass die Zweitrevisionswerberin gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die gegen den Erstrevisionswerber ausgesprochene Strafe und die Verfahrenskosten hafte.

2 Begründet wurde dies zusammengefasst damit, dass für den bosnischen Staatsangehörigen V ein vorübergehender Aufenthaltstitel mit Gültigkeitszeitraum vom 6. Juni 2013 bis zum 28. September 2013 vorgelegt worden sei. Laut A1-Formular hätte die Beschäftigung in Österreich jedoch vom 13. Mai 2013 bis zum 7. Dezember 2013 dauern sollen. Daher sei V offensichtlich nicht ordnungsgemäß zu einer Beschäftigung im Staat des Betriebssitzes über die Dauer der Entsendung nach Österreich hinaus zugelassen. Für den Ausländer D seien keine Unterlagen vorgelegen. Für den Ausländer S sei ein amtlicher Nachweis über den ständigen Wohnsitz in Slowenien vorgelegt worden, ein Aufenthaltstitel oder eine Arbeitsberechtigung sei jedoch nicht vorgelegt worden. Da für die Beschäftigung bosnischer Staatsangehöriger in Slowenien grundsätzlich Arbeitsgenehmigungen erforderlich seien, aber für die genannten Ausländer keine entsprechenden Nachweise erbracht worden seien, sei der Straftatbestand hinsichtlich dieser drei Ausländer als erwiesen anzunehmen.

3 Dagegen erhoben die Revisionswerber Beschwerde. Nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis hinsichtlich des D und des V die Beschwerde abgewiesen, jedoch mit der Maßgabe, dass eine Verletzung des § 28 Abs. 1 Z 5 lit b iVm § 18 Abs. 12 Z 1 AuslBG vorliege. Hinsichtlich der Bestrafung wegen der Inanspruchnahme des Ausländers D wurde die Geldstrafe auf EUR 1.200,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf einen Tag und 12 Stunden herabgesetzt. Hinsichtlich der Bestrafung wegen Inanspruchnahme des Ausländers S wurde das Straferkenntnis der Behörde behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt.

4 Nach Durchführung der Verhandlung am 5. März 2015 ersuchte das Landesverwaltungsgericht Steiermark den Leiter des AusländerInnenfachzentrums des Arbeitsmarktservice Steiermark mit Schreiben vom 24. März 2015 um die Mitteilung, ob die bosnischen Staatsangehörigen D und V "auf Grund der vorgelegten Unterlagen die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Z. 1 AuslBG erfüllen" und damit in der slowenischen Firma GK d.o.o. rechtmäßig beschäftigt waren. Diese Anfrage wurde vom AusländerInnenfachzentrum des Arbeitsmarktservice Steiermark mit Mail vom 2. März 2015 dahingehend beantwortet, dass "eine Beurteilung der rechtmäßigen

Beschäftigung ... nicht durchgeführt werden kann, da wir weder die

slowenischen Kollektivverträge noch die gesetzlichen Vorschriften, kennen".

5 In der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses traf das Verwaltungsgericht die Feststellungen, dass der Erstrevisionswerber Geschäftsführer und verantwortlicher Beauftragter der Zweitrevisionswerberin sei. Diese habe mit der GK d.o.o. einen Werkvertrag abgeschlossen, mit welchem von der Zweitrevisionswerberin der Auftrag erteilt worden sei, an einem Bauvorhaben auf einer bestimmten Baustelle die Trockenbauarbeiten durchzuführen. Im Rahmen der GK d.o.o. seien die Ausländer D im Beschäftigungszeitraum vom 20. Mai 2013 bis 5. September 2013, V vom 20. Mai 2013 bis zum 16. Juli 2013 und S am 16. Juli 2013 im Rahmen der Durchführung von Trockenbauarbeiten beauftragt gewesen. Diese Arbeiter hätten getrennt von den Arbeitern der Zweitrevisionswerberin gearbeitet und hätten ihr eigenes Tätigkeitsfeld gehabt. Der Vorarbeiter der GK d.o.o. habe diese Arbeiter separat koordiniert und beaufsichtigt, die Zweitrevisionswerberin hätte den Arbeitskräften auch keine Weisungen gegeben. Die GK d.o.o. habe den Auftrag gehabt, alles fix und fertig zu machen und hatte sowohl das Material als auch das Werkzeug selbst beizubringen, im Vertrag sei betreffend der Haftung der GK d.o.o. ein Haftrücklass von 5 % abgesprochen gewesen.

6 Am 16. Juli 2013 habe eine Kontrolle der Finanzpolizei stattgefunden, weil die Anträge für die Ausstellung von EU-Entsendebewilligungen für die Beschäftigten der GK d.o.o. mit Bescheid des Arbeitsmarktservice vom 3. Juni 2013 zurückgewiesen worden seien. In der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht seien seitens des Revisionswerbers betreffend den Ausländer V unter anderem eine vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung mit Gültigkeit vom 6. Juni 2013 bis zum 28. September 2013 für Beschäftigung oder Arbeit vorgelegt worden und für den Ausländer S eine EU-Entsendebestätigung, welche seitens der regionalen Geschäftsstelle Bischofshofen des Arbeitsmarktservice vom 25. Juni bis zum 30. Oktober 2013 ausgestellt worden sei. Betreffend den Ausländer D sei ebenfalls eine vorübergehende Aufenthaltsbestätigung mit Zeitraum 4. Jänner 2013 bis 7. Dezember 2013 für Beschäftigung oder Arbeit vorgelegt worden.

7 Das Landesverwaltungsgericht Steiermark habe das Konvolut der vorgelegten Unterlagen an das AusländerInnenfachzentrum des AMS Steiermark mit dem Ersuchen übermittelt abzuklären, ob die beiden bosnischen Staatsangehörigen D und V die Voraussetzungen gemäß § 18 Abs. 12 Z. 1 AuslBG erfüllten, obwohl keine EU-Entsendebestätigung vorliege. Mit Mail vom 2. April 2015 habe das AusländerInnenfachzentrum des AMS Steiermark mitgeteilt, dass eine Beurteilung der rechtmäßigen Beschäftigung in der slowenischen Firma GK d.o.o. betreffend die Herren D und V "nicht durchgeführt werden könne".

8 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, dass von Frau K.G. vom Ausländerfachzentrum des Arbeitsmarktservice Steiermark die Auskunft eingelangt sei, dass eine Beurteilung der rechtmäßigen Beschäftigung in der slowenischen Firma GK d.o.o. der Herren D und V nicht durchgeführt werden könne. Vom Erstrevisionswerber sei nicht dargelegt worden, dass er sich betreffend Entsendebestätigungen dieser Arbeiter beim zuständigen AMS, Zentrale Koordinationsstelle, erkundigt habe. Sein Kontrollsystem habe diesbezüglich vollständig versagt. Daraus folge, dass es den Revisionswerbern nicht gelungen sei, zu beweisen, dass D und V auch ohne EU-Entsendebestätigung die Voraussetzungen des § 18 Abs. 12 Z. 1 AuslBG erfüllt hätten, weshalb die objektive Tatseite als erfüllt anzusehen sei und der Erstrevisionswerber der Strafdrohung des § 28 Abs. 1 Z. 5 lit. b AuslBG unterliege.

9 Betreffend S sei eine gültige EU-Entsendebestätigung für den Zeitraum 25. Juni 2013 bis 30. Oktober 2013 vorgelegt worden, weshalb hinsichtlich dieses Ausländers das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen gewesen sei.

10 Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht als unzulässig. 11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche

Revision. Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein, Revisionsbeantwortungen sind nicht eingelangt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden; er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Die Revisionswerber bringen zur Zulässigkeit der Revision vor, sie seien weder über die Anfrage an das AusländerInnenfachzentrum des AMS Steiermark noch über deren Ergebnis in Kenntnis gesetzt worden, die Ausländer S und D seien beide rechtmäßig bei der GK d.o.o. in Slowenien beschäftigt, dies hätten die Revisionswerber auch näher darlegen können. Bei dieser Sachlage erweist sich die Revision als zulässig, zumal Rechtsprechung zu § 28 Abs. 1 Z. 5 AuslBG in einem Fall wie dem vorliegenden nicht zu ersehen ist.

14 Die §§ 18 und 28 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 idF BGBl. I Nr. 78/2007 (§ 18 ) und BGBl. I Nr. 25/2011 (§ 28), lauten auszugsweise:

"§ 18. (1) Ausländer, die von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt werden, bedürfen, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, einer Beschäftigungsbewilligung. Dauern diese Arbeiten nicht länger als sechs Monate, bedürfen Ausländer einer Entsendebewilligung, welche längstens für die Dauer von vier Monaten erteilt werden darf.

...

(12) Für Ausländer, die von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Erbringung einer vorübergehenden Arbeitsleistung nach Österreich entsandt werden, ist keine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erforderlich, wenn

1. sie ordnungsgemäß zu einer Beschäftigung im Staat des Betriebssitzes über die Dauer der Entsendung nach Österreich hinaus zugelassen und beim entsendenden Unternehmen rechtmäßig beschäftigt sind und

2. die österreichischen Lohn- und Arbeitsbedingungen gemäß § 7b Abs. 1 Z 1 bis 3 und Abs. 2 des Arbeitsvertragsrechts Anpassungsgesetzes (AVRAG), BGBl. Nr. 459/1993, sowie die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden.

Die Zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen hat die Meldung über die Beschäftigung betriebsentsandter Ausländer gemäß § 7b Abs. 3 und 4 AVRAG unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu übermitteln. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat binnen zwei Wochen ab Einlangen der Meldung dem Unternehmen und dem Auftraggeber, der die Arbeitsleistungen in Anspruch nimmt, das Vorliegen der Voraussetzungen zu bestätigen (EU-Entsendebestätigung) oder bei Nichtvorliegen die Entsendung zu untersagen. Unbeschadet der Meldepflicht gemäß § 7b Abs. 3 und 4 AVRAG darf die Beschäftigung bei Vorliegen der Voraussetzungen auch ohne EU-Entsendebestätigung begonnen werden.

...

§ 28. (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen

...

5. wer

a) entgegen § 18 Abs. 12 als Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes einen Ausländer im Inland beschäftigt oder

b) entgegen § 18 Abs. 12 die Arbeitsleistungen eines Ausländers, der von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wird, in Anspruch nimmt,

obwohl § 18 Abs. 12 Z 1 oder 2 nicht erfüllt ist und - im Fall der lit. b - auch keine EU-Entsendebestätigung ausgestellt wurde, bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 4 000 Euro bis 50 000 Euro;

..."

15 Diese Bestimmungen wurden durch die Bundesregierung wie folgt erläutert (215 BlgNR, 23. GP , 5 f):

"Zu Art. 1 Z 16 und 20 (§ 18 Abs. 12 und § 28 Abs. 1 Z 5 AuslBG):

Der EuGH hat mit Urteil vom 21. September 2006, Rs. C-168/04 , festgestellt, dass die bis 31. Dezember 2005 geltenden Bestimmungen des § 18 Abs. 12 bis 16 AuslBG gegen die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49 EG-Vertrag verstoßen. Der EuGH rügte dabei vor allem das Verfahren zur Einholung der EU-Entsendebestätigung, die nur erteilt wird, wenn der entsandte Arbeitnehmer seit mindestens einem Jahr im entsendenden Unternehmen beschäftigt ist oder mit diesem einen unbefristeten Arbeitsvertrag geschlossen hat und die Einhaltung der österreichischen Beschäftigungs- und Lohnbedingungen nachgewiesen wird. Laut EuGH dürfen die Voraussetzungen der ordnungsgemäßen und dauerhaften Beschäftigung im Sinne des Urteils Vander Elst nicht von der Dauer des zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem entsandten Arbeitnehmer bestehenden Arbeitsverhältnisses abhängig gemacht werden. Auch die doppelte Kontrolle der Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften durch ein EU-Entsendebestätigungsverfahren und eine parallele Meldepflicht nach § 7b Abs. 3 AVRAG wäre eine unzulässige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit im Sinne des Art. 49 EG-Vertrag und ginge über die mit der Regelung verfolgten Ziele, nämlich des Schutzes der inländischen Arbeitnehmer und der Stabilität des Arbeitsmarktes, hinaus. Gleichwohl räumt der EuGH den Mitgliedstaaten die Befugnis ein, die Beachtung der nationalen und gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften zur Erbringung von Dienstleistungen zu kontrollieren und sich dabei insbesondere zu vergewissern, dass betriebsentsandte Arbeitnehmer im Sitzstaat ihres Arbeitgebers legalen Status bezüglich Aufenthalt, Arbeitsberechtigung und soziale Absicherung haben. Die Kontrollmaßnahmen müssen sich jedoch innerhalb der vom Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen bewegen und dürfen die Dienstleistungsfreiheit nicht unverhältnismäßig einschränken.

Die bestehenden Regelungen für die Entsendung ausländischer Arbeitskräfte durch Unternehmen aus EWR-Mitgliedstaaten werden nunmehr vollständig an diese gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben angepasst.

Um parallele Prüfungen zu vermeiden, soll die verpflichtende Anzeige der Entsendung drittstaatsangehöriger Arbeitskräfte an das Arbeitsmarktservice entfallen und statt dessen die im § 7b AVRAG vorgesehene Meldung von Betriebsentsendungen an die Zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung im Bundesministerium für Finanzen (KIAB) als Grundlage für die Prüfung der materiellen Voraussetzungen für die Betriebsentsendung herangezogen werden. Die Meldung ist im Falle der Entsendung drittstaatsangehöriger Arbeitskräfte von der KIAB umgehend an das Arbeitsmarktservice weiterzuleiten und soll um jene Daten erweitert werden, die für die Prüfung einer gemeinschaftsrechtskonformen Entsendung durch das Arbeitsmarktservice erforderlich sind. Dabei handelt es sich insbesondere um die Arbeitsgenehmigung und die Aufenthaltsgenehmigung, um prüfen zu können, ob die entsandten Arbeitskräfte tatsächlich ordnungsgemäß und dauerhaft im Sitzstaat des Arbeitgebers beschäftigt sind. Die Entsendung darf - unabhängig von der Erfüllung der Meldepflicht gemäß § 7b Abs. 3 und 4 AVRAG - bei Vorliegen der Voraussetzungen zunächst auch ohne EU-Entsendebestätigung begonnen werden.

Auch die Strafbestimmungen werden an die geänderte Regelung angepasst und dahingehend abgeändert, dass sowohl der ausländische Arbeitgeber als auch der inländische Auftraggeber nur dann bestraft werden, wenn die gemeinschaftsrechtlich zulässigen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Sofern die materiellen Voraussetzungen jedoch vorliegen, soll das bloße Nichtvorliegen der EU-Entsendebestätigung nicht mehr bestraft werden. Da die Prüfung der materiellen Voraussetzungen dem Arbeitsmarktservice obliegt, kommt eine Bestrafung jedenfalls nicht mehr in Betracht, wenn das Arbeitsmarktservice die EU-Konformität der Entsendung bestätigt hat.

Die Pflicht des Arbeitgebers, dessen Beauftragten oder der entsandten Arbeitnehmer, die im § 7b Abs. 3 und 4 AVRAG vorgesehenen wesentlichen Daten zur Betriebsentsendung der Zentralen Koordinationsstelle im Bundesministerium für Finanzen rechtzeitig zu melden und die erforderlichen Unterlagen vorzulegen, bleibt unberührt und unterliegt der erhöhten Strafsanktion des § 7b Abs. 9 AVRAG."

16 Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass im vorliegenden Fall eine Entsendung der bosnischen Staatsangehörigen D und V als Arbeitnehmer der in Slowenien sitzenden GK d.o.o. vorlag, wurde von den Revisionswerbern nicht bestritten, auch der Verwaltungsgerichtshof hat dagegen keine Bedenken. Ebenso ist die Annahme unbedenklich, dass die Zweitrevisionswerberin als Werkvertragsgeberin der GK d.o.o. die Arbeitsleistungen der Ausländer gemäß § 28 Abs. 1 Z. 5 lit. b AuslBG in Anspruch nahm. Zutreffend sind daher die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde und das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall die Anwendung der §§ 18 Abs. 12 und 28 Abs. 1 Z. 5 lit. b AuslBG in Betracht kamen.

17 Die Änderung des Vorwurfes der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde einer Übertretung gemäß § 28 Abs. 1 Z. 5 lit. a iVm § 18 Abs. 12 Z. 1 AuslBG auf den Vorwurf einer Übertretung des § 28 Abs. 1 Z. 5 lit. b iVm § 18 Abs. 1 Z. 1 AuslBG bewirkt im vorliegenden Fall nicht eine unzulässige Überschreitung des im Verfahren vor der vor dem Verwaltungsgericht maßgeblichen Verfahrensgegenstandes, weil auch dort stets Gegenstand des Verfahrens die Inanspruchnahme der Arbeitsleistungen und nicht deren Verwendung Gegenstand des Verfahrens waren.

18 Im vorliegenden Fall wurde der Erstrevisionswerber wegen Übertretung des § 18 Abs. 12 Z. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z. 5 lit. b AuslBG bestraft, weil er dafür verantwortlich war, dass durch das von ihm vertretene Unternehmen entgegen § 18 Abs. 12 Z. 1 AuslBG Ausländer, die von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des EWR zur Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wurden, in Anspruch genommen wurden. Dem Erstrevisionswerber wurde damit vorgeworfen, dass die Voraussetzungen des § 18 Abs. 12 Z. 1 AuslBG nicht erfüllt waren, nämlich, dass die Ausländer nicht ordnungsgemäß zu einer Beschäftigung im Staat des Betriebssitzes über die Dauer der Entsendung nach Österreich hinaus zugelassen und beim entsendenden Unternehmen rechtmäßig beschäftigt waren. Gerade diese Frage hat das Verwaltungsgericht Steiermark ausdrücklich offen gelassen und keine Feststellung dahingehend getroffen, ob tatsächlich die bosnischen Staatsangehörigen D und V im Sinne des § 18 Abs. 12 Z. 1 AuslBG ordnungsgemäß zu einer Beschäftigung in Slowenien über die Dauer der Entsendung nach Österreich hinaus zugelassen und bei der GK d.o.o. rechtmäßig beschäftigt waren. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat hingegen gemeint, dass eine Beurteilung der rechtmäßigen Beschäftigung der beiden bosnischen Staatsangehörigen in der slowenischen GK d.o.o. "nicht durchgeführt werden könne" und dass bereits dieser Umstand ausreiche, um den Tatbestand des § 18 Abs. 12 Z. 1 AuslBG zu

erfüllen. Den Revisionswerbern sei es "nicht gelungen ... zu

beweisen", dass die Ausländer D und V auch ohne EU-Entsendebestätigung die Voraussetzungen des § 18 Abs. 12 Z 1 AuslBG erfüllt haben.

19 Damit hat das Verwaltungsgericht Steiermark jedoch die Rechtslage verkannt, weil der festgestellte Umstand, dass eine Beurteilung der ordnungsgemäßen Beschäftigung der beiden bosnischen Staatsangehörigen nicht durchgeführt werden kann, nicht der Feststellung gleichgehalten werden kann, dass eine ordnungsgemäße Beschäftigung über die Dauer der Entsendung nach Österreich hinaus bei dem entsendenden Unternehmen gemäß § 18 Abs. 12 Z. 1 AuslBG tatsächlich nicht vorliegt. Eine solche Feststellung wäre aber Voraussetzung für eine Bestrafung gemäß § 18 Abs. 12 Z 1 iVm § 28 Abs. 1 Z 5 AuslBG gewesen. Das Verwaltungsgericht, das in der Sache selbst zu entscheiden hatte (§ 50 VwGVG), durfte dem Erstrevisionswerber den dargestellten Freibeweis nicht abverlangen (vgl. Art. 6 Abs. 2 EMRK), weshalb das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

20 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 24. Februar 2016

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