VwGH Ro 2014/10/0009

VwGHRo 2014/10/000924.2.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des V I in Wien, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen den Bescheid der Rechtsmittelkommission des Senates der Universität Wien vom 26. April 2013, Zl. ReMik 893-2012/13, betreffend Zulassung zum Doktoratsstudium, zu Recht erkannt:

Normen

UniversitätsG 2002 §64 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Universität Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid der Rechtsmittelkommission des Senates der Universität Wien vom 26. April 2013 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Vizerektorin für Forschung und Nachwuchsförderung vom 4. März 2013, mit dem der Beschwerdeführer zum Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften unter der Auflage zugelassen wurde, eine mündliche Prüfung aus "Grundzüge des Österreichischen Verfassungsrechts" im Ausmaß von 6 ECTS-Punkten während des Studiums zusätzlich zu den im Studium vorgeschriebenen Studienleistungen positiv zu absolvieren, gemäß § 64 Abs. 4 Universitätsgesetz 2002 (UG 2002) in Verbindung mit den Bestimmungen des Curriculums für das Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe einlangend am 21. Februar 2013 den Antrag auf Zulassung zum Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften gestellt. Als Nachweis der allgemeinen Universitätsreife für das angestrebte Studium seien Studienabschlüsse des Bachelorstudiums "Law" und des Masterstudiums "International and European Business Law" der "Anglia Ruskin University" in Großbritannien vorgelegt worden. Nach Einholung einer Stellungnahme des Studienprogrammleiters sei der Beschwerdeführer (mit erstinstanzlichem Bescheid vom 4. März 2013) mit der Auflage der Ablegung einer positiven mündlichen Prüfung aus Verfassungsrecht zum beantragten Studium zugelassen worden. In seiner dagegen erhobenen Berufung habe er sich gegen die Auflage gewandt und vorgebracht, dass aus dem Dienstzeugnis einer Anwaltskanzlei vom 7. Oktober 2010 hervorgehe, dass der Beschwerdeführer umfassende Kenntnisse im Verfassungsrecht und öffentlichen Recht erworben und in der Praxis erfolgreich angewendet habe.

Im Berufungsverfahren sei eine ergänzende Stellungnahme des Studienprogrammleiters eingeholt worden. Darin sei ausgeführt worden, dass die Vorschreibung einer Ergänzungsprüfung darauf beruhe, dass der Beschwerdeführer sein juristisches Studium im Vereinigten Königreich abgeschlossen und zum österreichischen öffentlichen Recht bislang keinerlei Prüfungen abgelegt habe, die seine einschlägige wissenschaftliche Qualifikation belegen hätten können. Zwar habe der Beschwerdeführer beruflich auch mit österreichischem Recht zu tun gehabt, ein Dienstzeugnis eines privaten Arbeitgebers sei zum Nachweis der entsprechenden Kenntnisse aber unzureichend, zumal in Dienstzeugnissen keine für den weiteren beruflichen Fortgang schädlichen Beurteilungen enthalten sein dürften. Angesichts des für die Gleichwertigkeitsprüfung maßgeblichen Diplomstudiums der Rechtswissenschaften, bei dem allein im dritten Abschnitt 23 Semesterstunden und 32 ECTS-Punkte auf die Fächer Verfassungs- und Verwaltungsrecht entfielen, sei die Vorschreibung bloß einer mündlichen Ergänzungsprüfung im Ausmaß von 6 ECTS-Punkten eine dem Beschwerdeführer maximal entgegenkommende Auflage, die bereits seine berufliche Tätigkeit mitberücksichtige. Eine Bindung an den vom Oberlandesgericht Wien ausgefertigten "Gleichwertigkeitsbescheid" sei nicht gegeben, da im vorliegenden Verfahren aufgrund des Doktoratscurriculums eine Gleichwertigkeitsprüfung im Hinblick auf das Doktoratsstudium vorzunehmen sei, bei der das an der Universität Wien angebotene Diplomstudium der Rechtswissenschaften den Vergleichsmaßstab bilde und nicht diesbezüglich liberalere berufsrechtliche Vorschriften.

In der dazu ergangenen Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 8. April 2013 werde vorgebracht, dass eine Gleichwertigkeitsprüfung vom Oberlandesgericht Wien positiv entschieden worden sei und darin ausgeführt werde, dass der Beschwerdeführer im öffentlichen Recht Kenntnisse aufweise bzw. erworben habe, die denen eines Absolventen des österreichischen Jusstudiums gleichwertig seien. Es gehe nicht an, dass jede einzelne Institution eine eigene Gleichwertigkeitsprüfung durchführe. Auch habe der Beschwerdeführer in Großbritannien mehrere Prüfungen zum europäischen öffentlichen Recht abgelegt; in diesen sei auch österreichisches öffentliches Recht enthalten gewesen, da Österreich Mitglied der Europäischen Union sei. Der Annahme der Behörde, dass Dienstzeugnisse keine für den weiteren beruflichen Fortgang schädlichen Beurteilungen enthalten dürften, werde zugestimmt, allerdings sei darauf hinzuweisen, dass diese Vorschrift umgangen werde, sodass aus einem Dienstzeugnis sehr wohl die tatsächliche Leistung herausgelesen werden könne. Die Aussagen im Dienstzeugnis, dass der Beschwerdeführer über ein fundiertes und umfangreiches juristisches Fachwissen verfüge und dass Verfassungs- und Verwaltungsrecht sowie Grund- und Menschenrechte zu den inhaltlichen Schwerpunkten des Beschwerdeführers zählten, seien daher entsprechend zu berücksichtigen.

In ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde - nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtsvorschriften - im Wesentlichen aus, § 64 Abs. 4 UG 2002 unterscheide zwischen voller und grundsätzlicher Gleichwertigkeit und ermögliche die Vorschreibung von Auflagen zur Herstellung der vollen Gleichwertigkeit. Die Gleichwertigkeitsprüfung erfolge ausschließlich anhand der wissenschaftlichen Vorbildung und basiere auf den spezifisch für die Universität Wien geltenden Bestimmungen. Eine praktische oder auch einschlägige Berufstätigkeit ersetze "diese Notwendigkeit" nicht. Dies gelte in besonderer Weise für Doktoratsstudien. Diese seien nach der Legaldefinition des § 51 Abs. 2 Z. 12 UG 2002 die ordentlichen Studien, die der Weiterentwicklung der Befähigung zu selbständiger wissenschaftlicher Arbeit oder der Heranbildung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses auf Grundlage von Diplom- und Masterstudien dienten. Sie würden demnach bereits als Forschungsleistung eingestuft. Der Forschungsorientierung werde im Qualifikationsprofil für das Doktoratsstudium Rechtswissenschaften ausdrücklich Rechnung getragen. Auch in der Zuständigkeit der Vizerektorin für Forschung und Nachwuchsförderung für Doktoratsstudien komme die Zuordnung zur Forschung zum Ausdruck. Die einschlägigen berufsrechtlichen Ausbildungsrichtlinien stünden "im Gegensatz zur Konzeption der Doktoratsstudien nach dem UG 2002 als Forschungsaufgabe". Berufstätigkeit sei jedenfalls kein Surrogat für die wissenschaftliche Vorbildung für ein Doktoratsstudium. Aus diesem Grund sei das Dienstzeugnis kein geeignetes Beweismittel für den Nachweis einer wissenschaftlichen Vorbildung im Bereich des Verfassungsrechts. Wegen der unterschiedlichen Zielsetzung einer praktischen juristischen Tätigkeit und einer wissenschaftlichen juristischen Ausbildung, welche durch unterschiedliche anzuwendende Rechtsvorschriften zum Ausdruck komme, entfalte der Bescheid des Oberlandesgerichtes Wien über die Feststellung der Gleichwertigkeit nach dem Ausbildungs- und Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz keine rechtlichen Wirkungen für das universitäre Zulassungsverfahren.

Der Hinweis, dass im Rahmen der europarechtlichen Ausbildung österreichisches öffentliches Recht gelehrt worden sei, sei eine nicht bewiesene Behauptung. Da lediglich eine Prüfung aus österreichischem Verfassungsrecht vorgeschrieben worden sei, sei darauf nicht weiter einzugehen. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 21. November 2013, B 641/2013-9, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung ab.

Der Beschwerdeführer ergänzte seine Beschwerde mit am 24. Februar 2014 zur Post gegebenem Schriftsatz.

Das Bundesverwaltungsgericht legte die Akten des Verfahrens vor, erstattete aber keine Gegenschrift.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Da die vorliegende Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof (nach dem Datum des Abtretungsbeschlusses gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG) noch vor dem 31. Dezember 2013 an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten wurde, sind gemäß § 8 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des B-VG und des VwGG weiterhin anzuwenden.

Die hier maßgebliche Bestimmung des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002 idF BGBl. I Nr. 81/2009, lautet auszugsweise:

"Allgemeine Universitätsreife

§ 64. ...

(4) Der Nachweis der allgemeinen Universitätsreife für die Zulassung zu Doktoratsstudien gilt jedenfalls durch den Nachweis des Abschlusses eines fachlich in Frage kommenden Diplomstudiums oder Masterstudiums, eines fachlich in Frage kommenden Fachhochschul-Diplomstudienganges oder Fachhochschul-Masterstudienganges gemäß § 5 Abs. 3 Fachhochschul-Studiengesetz, oder eines anderen gleichwertigen Studiums an einer anerkannten inländischen oder ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung als erbracht. Wenn die Gleichwertigkeit grundsätzlich gegeben ist und nur einzelne Ergänzungen auf die volle Gleichwertigkeit fehlen, ist das Rektorat berechtigt, die Feststellung der Gleichwertigkeit mit der Auflage von Prüfungen zu verbinden, die während des jeweiligen Doktoratsstudiums abzulegen sind. Für eine Zulassung zu einem ‚PhD'-Doktoratsstudium können im Curriculum qualitative Bedingungen vorgeschrieben werden.

..."

Das Curriculum für das Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften, veröffentlicht am 11. Mai 2009 im Mitteilungsblatt der Universität Wien, Studienjahr 2008/2009,

22. Stück, Nr. 165, lautet auszugsweise:

"§ 1 Qualifikationsprofil

Das Studium dient über die wissenschaftliche Berufsvorbildung hinaus der Entfaltung der Fähigkeit, durch selbständige Forschung zur Entwicklung der Rechtswissenschaften beizutragen, und der Heranbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Es bietet eine wissenschaftliche Ausbildung auf internationalem Niveau und soll die Absolventinnen und Absolventen befähigen, den internationalen Standards entsprechende eigenständige Forschungsleistungen im jeweiligen Fachbereich zu erbringen.

§ 2 Anwendungsbereich und Zulassungsvoraussetzungen

(1) Dieses Curriculum gilt für Studierende, die eine Dissertation in einem Dissertationsgebiet verfassen wollen, welches einem der im rechtswissenschaftlichen Diplomstudienplan festgelegten rechtswissenschaftlichen Fächer entspricht oder mit einem dieser Fächer in einem sinnvollen Zusammenhang steht.

(2) Voraussetzung für die Zulassung zum Doktoratsstudium an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät ist, neben den in den §§ 63, 64 UG 2002 normierten allgemeinen Voraussetzungen,

a. der Abschluss eines rechtswissenschaftlichen Diplomstudiums, oder

b. der Abschluss eines gleichwertigen rechtswissenschaftlichen Studiums an einer

anerkannten inländischen oder ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung, allenfalls unter Vorschreibung von Ergänzungsprüfungen.

..."

Die ergänzte Beschwerde macht - ohne nähere Darlegungen - geltend, der angefochtene Bescheid sei deshalb rechtswidrig, weil das in Großbritannien absolvierte Studium der Rechtswissenschaften "zusammen mit praktischer Tätigkeit im Rahmen der Gerichtspraxis und im Rahmen der juristischen Tätigkeit" in einer Rechtsanwaltskanzlei nicht als gleichwertig beurteilt worden sei.

Mit diesem Vorbringen wird allerdings keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt:

Der angefochtene Bescheid gründet auf der Auffassung, dass zur Herstellung der vollen Gleichwertigkeit im Sinne der § 64 Abs. 4 UG 2002 die positive Absolvierung eine Prüfung aus österreichischem Verfassungsrecht (im Ausmaß von 6 ECTS-Punkten) vorzuschreiben sei, weil der Beschwerdeführer zum österreichischen öffentlichen Recht bislang keinerlei Prüfungen abgelegt habe, die seine einschlägige wissenschaftliche Qualifikation belegen hätten können.

Der Beschwerdeführer tritt den dieser Auffassung zugrundeliegenden Sachverhaltsannahmen in seiner ergänzten Beschwerde nicht entgegen. Konkrete Darlegungen dahin, dass die vom Beschwerdeführer absolvierten Vorstudien österreichisches Verfassungsrecht umfasst hätten, sind der Beschwerde nicht zu entnehmen. Davon ausgehend kann es aber nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass die belangte Behörde aufgrund des - in der Beschwerde ebenfalls nicht bestrittenen - weiteren Umstandes, dass das vorliegende Doktoratsstudium auf einem (an der Universität Wien angebotenen) Diplomstudium der Rechtswissenschaften aufbaut, bei dem allein im dritten Abschnitt 23 Semesterstunden und 32 ECTS-Punkte auf die Fächer Verfassungs- und Verwaltungsrecht entfallen, eine Gleichwertigkeit nur unter Vorschreibung der genannten Prüfung aus österreichischem Verfassungsrecht angenommen hat.

Soweit der Beschwerdeführer eine Gleichwertigkeit aus der in Österreich absolvierten praktischen Tätigkeit im Rahmen der Gerichtspraxis und im Rahmen einer Rechtsanwaltskanzlei abzuleiten versucht, ist darauf hinzuweisen, dass § 64 Abs. 4 erster Satz UG 2002 den Nachweis der allgemeinen Universitätsreife für die Zulassung zu Doktoratsstudien an den Nachweis des Abschlusses eines in dieser Bestimmung genannten fachlich in Frage kommenden Studiums oder "eines anderen gleichwertigen Studiums an einer anerkannten inländischen oder ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung" knüpft und § 64 Abs. 4 zweiter Satz UG 2002 die Vorschreibung von Prüfungen vorsieht, wenn "die Gleichwertigkeit grundsätzlich gegeben ist und nur einzelne Ergänzungen auf die volle Gleichwertigkeit fehlen". Das Gesetz sieht demnach dann, wenn durch das absolvierte Studium zwar eine grundsätzliche, aber nicht die volle Gleichwertigkeit gegeben ist, die Herstellung der Gleichwertigkeit durch die Vorschreibung von Prüfungen vor, die während des jeweiligen Doktoratsstudiums abzulegen sind; dass die Herstellung der Gleichwertigkeit durch die Berücksichtigung von praktischen beruflichen Tätigkeiten hergestellt werden könnte, ist dem Gesetz demgegenüber nicht zu entnehmen.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 24. Februar 2016

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