VwGH Ra 2015/07/0058

VwGHRa 2015/07/005825.6.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Revision der *****, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 27. Februar 2015, Zl. LVwG- 2015/34/0020-8, betreffend Flurbereinigung (mitbeteiligte Partei: *****), den Beschluss gefasst:

Normen

ABGB §825;
B-VG Art133 Abs4;
FlVfGG §1;
FlVfGG §15;
FlVfGG §49;
FlVfGG §50;
FlVfLG Tir 1978 §1 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §1 Abs2 lita;
FlVfLG Tir 1996 §1;
FlVfLG Tir 1996 §20 Abs1;
FlVfLG Tir 1996 §20 Abs5;
HöfeG Tir §5 Abs1;
LSGG §1;
LSLG Tir 1969 §1 Abs1;
LSLG Tir 1969 §2 Z7;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1a;
ABGB §825;
B-VG Art133 Abs4;
FlVfGG §1;
FlVfGG §15;
FlVfGG §49;
FlVfGG §50;
FlVfLG Tir 1978 §1 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §1 Abs2 lita;
FlVfLG Tir 1996 §1;
FlVfLG Tir 1996 §20 Abs1;
FlVfLG Tir 1996 §20 Abs5;
HöfeG Tir §5 Abs1;
LSGG §1;
LSLG Tir 1969 §1 Abs1;
LSLG Tir 1969 §2 Z7;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1a;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde in Stattgabe der Beschwerde der mitbeteiligten Partei und in Abänderung des Bescheides der Revisionswerberin vom 19. November 2014 festgestellt, dass der Kaufvertrag vom 15. April 2014 samt Ergänzung vom 7. Mai 2014, mit welchem die mitbeteiligte Partei von drei Personen (drei der bisher vier Miteigentümer) je deren Anteile an zwei näher genannten Liegenschaften des GB Sölden erwirbt, bezogen auf im Einzelnen bezeichnete Grundstücke dieser Liegenschaften zur Durchführung einer Flurbereinigung erforderlich sei.

Die mitbeteiligte Partei erwarb mit dem Kaufvertrag jeweils 7/9-Anteile an den in Rede stehenden Liegenschaften. Ein 2/9- Anteil verblieb jeweils im Eigentum einer bisherigen Miteigentümerin der Liegenschaften.

2. In der Revision wird zu deren Zulässigkeit ausgeführt, das angefochtene Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes widerspreche den gesetzlichen Grundlagen und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Das Verwaltungsgericht vertrete die Ansicht, dass "die konkret vom VwGH zum vorliegenden Sachverhalt ergangene Judikatur" (Hinweis auf das zum Niederösterreichischen Flurverfassungs-Landesgesetz 1975 (NÖ FLG 1975) ergangene Erkenntnis vom 21. Oktober 2010, Zl. 2008/07/0119) für das Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz 1996 (TFLG 1996) nicht anwendbar sei. Es übersehe, dass die Zielbestimmung des § 1 Abs. 1 TFLG 1996 mit jener des NÖ FLG 1975 und auch mit jener des § 1 Abs. 1 Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 nahezu wortgleich sei. Die demonstrative Aufzählung von agrarstrukturellen Nachteilen in § 1 Abs. 2 TFLG 1996 enthalte auch "ideell und materiell geteiltes Eigentum".

Der Verwaltungsgerichtshof habe wiederholt ausgesprochen, dass grundsätzlich nicht jeder Zukauf eines angrenzenden Grundstückes und nicht jede Vergrößerung eines Besitzes schon eine Flurbereinigung darstelle. Eine Flurbereinigungsmaßnahme könne nur dann angenommen werden, wenn sie als Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 2 TFLG 1996 zur Erreichung der in Abs. 1 dieser Bestimmung genannten Ziele gewertet werden könne.

Dem in Rede stehenden Antrag auf Durchführung einer Flurbereinigung liege ein Kaufvertrag über den Erwerb von Miteigentumsanteilen an zwei Liegenschaften durch die mitbeteiligte Partei zugrunde, wobei jeweils 2/9-Anteile an diesen Liegenschaften im Eigentum einer bisherigen Miteigentümerin verblieben. Somit stünden die gegenständlichen Flächen weiterhin im Miteigentum und grenzten diese insofern nicht an die alleineigentümlichen Flächen der mitbeteiligten Partei im Sinne einer Arrondierung. "Dies" würde Alleineigentum auch an den erworbenen Flächen (Eigentümeridentität) voraussetzen (Hinweis auf das bereits zitierte hg. Erkenntnis zur Zl. 2008/07/0119). Die zugekauften Flächen im Miteigentum bildeten somit weiterhin eine eigene Bewirtschaftungseinheit und eine eigenständige (Mit‑)Eigentümerschaft im Verhältnis zum angrenzenden Besitzstand des Käufers.

Der Zukauf vermöge keine Vereinigung von Grundstücken zur einheitlichen Bewirtschaftung und somit keinen für eine Zusammenlegung bzw. Flurbereinigung typischen Neuordnungsvorteil zu bewirken. Weder beim Besitzstand des Käufers noch an den kaufgegenständlichen Flächen im Miteigentum werde eine andere flächenmäßige Gestaltung oder Ausformung herbeigeführt. Der alleinige Erwerb von Miteigentumsanteilen an Grundstücken lasse für sich gesehen noch keine im Zusammenlegungsverfahren erzielbare Verbesserung der Agrarstruktur erwarten, wenn nicht zumindest gleichzeitig auch Grundstücke im Sinne des § 20 Abs. 8 TFLG 1996 gebildet würden. Ferner habe das Ermittlungsverfahren des Verwaltungsgerichtes ergeben, dass die erwähnten 2/9-Anteile für die mitbeteiligte Partei aktuell nicht erwerbbar seien.

Überdies habe das Verwaltungsgericht durch die bloße Bezugnahme auf die verba legalia des Art. 133 Abs. 4 B-VG seiner Begründungspflicht im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht entsprochen.

3. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4. In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Das von der Revisionswerberin zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Oktober 2010, Zl. 2008/07/0119, erging zum NÖ FLG 1975, dessen § 43 Abs. 2 (in Verbindung mit § 42 leg. cit.) als eine der Voraussetzungen für die bescheidmäßige Feststellung, dass ein Grunderwerb unter anderem durch Kauf zur Durchführung einer Flurbereinigung erforderlich ist, normiert, dass die erworbene Grundfläche an eine Grundfläche des Erwerbers angrenzt. Der Verwaltungsgerichtshof führte im zitierten Erkenntnis dazu aus, dass dies Alleineigentum der Erwerberin auch an den benachbarten Grundstücken voraussetzt.

Das TFLG 1996 enthält jedoch keine dem § 43 Abs. 2 NÖ FLG 1975 entsprechende Bestimmung. Der Verweis auf das zitierte Erkenntnis geht daher fehl (vgl. in diesem Zusammenhang auch das zum - eine vergleichbare Bestimmung ebenso wenig enthaltenden - Vorarlberger Flurverfassungs-Landesgesetz 1979 ergangene hg. Erkenntnis vom 20. September 1988, VwSlg. 12.765, in dem der Verwaltungsgerichtshof der Argumentation der belangten Behörde, allein wegen des Umstandes, dass der Beschwerdeführer nicht Alleineigentümer des an die Kaufliegenschaften grenzenden Grundstückes sei, könne von einer Flurbereinigung nicht gesprochen werden, nicht gefolgt ist).

Die Revisionswerberin verweist nun auf § 1 Abs. 2 TFLG 1996, der zu den dort aufgezählten Mängeln der Agrarstruktur auch "ideell oder materiell geteiltes Eigentum" zähle. Im vorliegenden Fall verblieben hinsichtlich der vom Kaufvertrag betroffenen Liegenschaften jeweils 2/9-Miteigentumsanteile im Eigentum einer bisherigen Miteigentümerin.

Wenngleich der Tiroler Landesgesetzgeber ideell oder materiell geteiltes Eigentum im landwirtschaftlichen Bereich grundsätzlich als unerwünschte Eigentumsstruktur ansieht, die es mit den Mitteln der Bodenreform zu beseitigen gilt (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 26. April 1995, Zl. 94/07/0134), wird mit den genannten Ausführungen die Zulässigkeit der Revision nicht dargelegt.

Gemäß § 32 Abs. 1 TFLG 1996 sind dem Flurbereinigungsverfahren unter anderem Verträge, die von den Parteien in verbücherungsfähiger Form abgeschlossen wurden (Flurbereinigungsverträge), zugrunde zu legen, wenn die Agrarbehörde mit Bescheid feststellt, dass sie zur Durchführung der Flurbereinigung erforderlich sind.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird eine Maßnahme nur dann als "für die Flurbereinigung erforderlich" anzusehen sein, wenn der durch sie eingetretene Erfolg (hier: die Situation nach dem Zuerwerb) auch im Rahmen eines amtswegigen Zusammenlegungs- bzw. Flurbereinigungsverfahrens eintreten könnte, somit dann, wenn die Veränderung der Agrarstruktur mit dem Erfolg eines behördlich geleiteten Zusammenlegungsverfahrens annähernd vergleichbar ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2012, 2010/07/0188, mwN).

Gemäß dem Abs. 1 des den Abfindungsanspruch und die Gesetzmäßigkeit der Abfindung im Rahmen eines Zusammenlegungsverfahrens regelnden § 20 TFLG 1996 steht Miteigentümern ein gemeinsamer Abfindungsanspruch zu. Nach § 20 Abs. 5 TFLG 1996 ist der Abfindungsanspruch von Miteigentümern im Verhältnis der Eigentumsanteile ganz oder teilweise aufzuteilen, wenn dies dem Zweck des Verfahrens dient und von mindestens einem Miteigentümer beantragt wird.

Vor diesem Hintergrund ist nach dem bereits zu den insoweit inhaltsgleichen Bestimmungen des Tiroler Flurverfassungsgesetzes 1978 ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. März 1986, Zl. 85/07/0154, vom Grundsatz der Aufrechterhaltung ideellen Miteigentums im Zusammenlegungsverfahren auszugehen. Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof einen aus § 1 TFLG 1996 von einer Partei des Zusammenlegungsverfahrens abzuleitenden Anspruch, dass die Behörde von Amts wegen materiell geteiltes oder ideell geteiltes Eigentum jedenfalls auflöst, verneint (vgl. das Erkenntnis vom 23. September 2004, Zl. 2004/07/0075).

Der Erfolg eines Zusammenlegungs- oder Flurbereinigungsverfahrens setzt somit die Beseitigung materiell oder ideell geteilten Eigentums nicht zwingend voraus.

Ferner werden nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Ziele der Zusammenlegung auch dann erreicht, wenn es gelingt, Nachteile, welche durch Agrarstrukturmängel im Altbestand verursacht werden, wenigstens zu mildern, ohne dass es gegen das Gesetz verstößt, wenn im Einzelfall nicht alle Agrarstrukturmängel zu Gänze erfasst werden (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 26. April 1995, Zl. 92/07/0204, und vom 13. Dezember 2007, Zl. 2006/07/0117, jeweils mwN).

Gegenstand und Ziel einer Flurbereinigung können nicht nur die Verbesserung der Besitzverhältnisse, sondern auch die Verbesserung der Benutzungs- und Bewirtschaftungsverhältnisse sein (sh. dazu nochmals das hg. Erkenntnis, Zl. 88/07/0021).

Das Landesverwaltungsgericht hat seiner Entscheidung, gestützt auf ein eingeholtes agrarwirtschaftliches Gutachten und im Einzelnen begründet, zu Grunde gelegt, dass - ungeachtet einer nicht zur Gänze beseitigten Miteigentümerschaft an den kaufvertragsgegenständlichen Liegenschaften - mit dem in Rede stehenden Kaufvertrag eine agrarstrukturelle Verbesserung bewirkt und besser bewirtschaftbare Grundstücke geschaffen würden.

Das darauf Bezug nehmende Vorbringen der Revisionswerberin gemäß § 28 Abs. 3 VwGG wendet sich gegen die - vom Verwaltungsgerichtshof allerdings im Rahmen seines Prüfungskalküls nicht zu beanstandende - dem angefochtenen Erkenntnis zu Grunde liegende Beweiswürdigung und wirft damit keine grundsätzliche Rechtsfrage auf (vgl. dazu den hg. Beschluss vom 24. September 2014, Ra 2014/03/0012, mwN).

Das Landesverwaltungsgericht ist somit nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.

Das Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe seinen Ausspruch nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht näher begründet, führte auch im Falle seines Zutreffens noch nicht dazu, dass die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gegeben wären (vgl. den hg. Beschluss vom 16. Oktober 2014, Zl. Ra 2014/21/0045, mwN).

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 25. Juni 2015

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