European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RO2015020010.J00
Begründung
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1. Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 30. Juni 2014 wurde über die Revisionswerberin wegen Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG iVm § 9 Abs. 1 VStG gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe in der Höhe von € 100,‑‑ (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) verhängt, weil sie es als handelsrechtliche Geschäftsführerin und zur Vertretung nach außen berufenes Organ der zulassungsbesitzenden Gesellschaft eines näher bezeichneten Fahrzeuges unterlassen habe, der erstinstanzlichen Behörde auf ihr schriftliches Verlangen vom 28. April 2014 binnen zwei Wochen ab Zustellung bekannt zu geben, wer das Fahrzeug am 5. Jänner 2014 um 20.47 Uhr an einem näher bezeichneten Ort gelenkt habe.
Gegen diese Strafverfügung erhob die Revisionswerberin Einspruch, in dem sie vorbrachte, die erforderliche Lenkerauskunft bereits am 11. Februar 2014 der erstinstanzlichen Behörde bekanntgegeben zu haben. Dem Einspruch war ein (nicht von der Revisionswerberin unterzeichnetes) Schreiben der zulassungsbesitzenden Gesellschaft vom 11. Februar 2014 an die belangte Behörde beigelegt, in dem unter Bezugnahme auf eine nach der Geschäftszahl der erstinstanzlichen Behörde bezeichnete Anonymverfügung angegeben wurde, dass das gegenständliche Fahrzeug im Zeitraum 1. Jänner 2014 bis 5. Jänner 2014 an eine näher bezeichnete Lenkerin vermietet worden sei.
In weiterer Folge erließ die erstinstanzliche Behörde ein Straferkenntnis mit einem mit der Strafverfügung gleichlautendem Spruch. Begründend führte sie aus, dass die der Strafverfügung zugrunde liegende Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe von der Revisionswerberin nicht beantwortet worden sei.
2. Die von der Revisionswerberin gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde wurde vom Landesverwaltungsgericht Tirol mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig sei.
Das Verwaltungsgericht hielt fest, dass die (nach der Verantwortung der Revisionswerberin mit Schreiben der Zulassungsbesitzerin vom 11. Februar 2014 erfolgte) Bekanntgabe des Lenkers der erstinstanzlichen Behörde vor dem Zeitpunkt, zu dem sie die Anfrage an die Zulassungsbesitzerin gemäß § 103 Abs. 2 KFG gerichtet habe, nicht aktenkundig gewesen sei. Erst zusammen mit dem Einspruch gegen die Strafverfügung wegen Verletzung der Auskunftspflicht gemäß § 103 Abs. 2 KFG sei dieses Schreiben zum vorliegenden Akt genommen worden. Am 11. Februar 2014 sei bei der erstinstanzlichen Behörde noch kein konkreter Strafakt gegen die Revisionswerberin geführt worden.
Es sei zwar zutreffend, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Lenkeranfrage nicht zweimal beantwortet werden müsse. Die erstinstanzliche Behörde habe allerdings nicht zweimal ein Auskunftsverlangen an die Revisionswerberin gerichtet, vielmehr habe die Revisionswerberin von sich aus, nachdem ihr eine Anonymverfügung betreffend die dem Verfahren zugrunde liegende Geschwindigkeitsüberschreitung übermittelt worden sei, der erstinstanzlichen Behörde unter Bezugnahme auf die Anonymverfügung bekanntgegeben, wem sie das Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt vermietet gehabt habe. Dies sei nicht einer mehrfachen Anfrage gleichzusetzen. So gelte der Adressat der Anonymverfügung nicht als Täter im Sinne verwaltungsstrafrechtlicher Bestimmungen. Insofern werde zu diesem Zeitpunkt ein ordentliches Verwaltungsstrafverfahren noch gar nicht eingeleitet. Zum Zeitpunkt der Erlassung der Anonymverfügung bestehe noch kein Strafakt gegen eine individuell bestimmte Person.
Gemäß dem auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden § 13 Abs. 6 AVG sei die Behörde nicht verpflichtet, Anbringen, die sich auf keine bestimmte Angelegenheit beziehen, in Behandlung zu nehmen. Dementsprechend sei die Bezirkshauptmannschaft Schwaz zum 11. Februar 2014 noch nicht verpflichtet gewesen, den "Einspruch" gegen die Anonymverfügung als Bekanntgabe eines Lenkers nach § 103 Abs. 2 KFG zu werten und dafür einen eigenen Akt anzulegen. Es sei die Verpflichtung der Revisionswerberin gewesen, fristgerecht auf die Anfrage der belangten Behörde zu antworten und die Person zu nennen, der das Fahrzeug zum Lenken überlassen wurde.
Außerdem sei zu berücksichtigen, dass eine falsche Auskunft nach § 103 Abs. 2 KFG mit einer Verwaltungsstrafe bedroht sei, die Mitteilung einer Person, die ein Fahrzeug gelenkt habe ohne eine derartige Anfrage unterliege dagegen grundsätzlich keiner Sanktionsdrohung. Wenn daher bereits die Mitteilung einer Person als Lenker zu einer Sperrwirkung in Bezug auf eine (sanktionsbewehrte) Anfrage nach § 103 Abs. 2 KFG führen würde, so sei eine allenfalls falsche Auskunft, die der Behörde gegenüber initiativ abgegeben werde, nicht mehr strafbar, die Bekanntgabe des Lenkers mit den Mitteln des Verwaltungsstrafrechts somit nicht mehr erzwingbar. Dieses Ergebnis stehe im Widerspruch zur Intention des § 103 Abs. 2 KFG, jederzeit den Lenker eines Kraftfahrzeuges feststellen zu können.
Zur Zulässigkeit der Revision führte das Verwaltungsgericht aus, es sei keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage ersichtlich, ob die Behörde verpflichtet sei, eine (ohne Anfrage gemäß § 103 Abs. 2 KFG erfolgte) Meldung von sich aus zum Anlass dazu zu nehmen, einen entsprechenden Strafakt anzulegen.
3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, die vom Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde. Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie den Antrag stellte, die Revision kostenpflichtig abzuweisen.
4. Die Revisionswerberin bringt vor, die Bekanntgabe des Lenkers (mit Schreiben der Gesellschaft, als deren nach außen Vertretungsbefugte sie bestraft wurde, vom 11. Februar 2014, nach Erhalt der Anonymverfügung) sei an die richtige Behörde gerichtet gewesen. Es sei die richtige Sachbearbeiterin angesprochen worden und es sei auch die richtige Geschäftszahl angeführt gewesen. Die belangte Behörde hätte daher dieses Schreiben bearbeiten müssen. Die Rechtsansicht, dass das Schreiben, welches nachweislich bei der Behörde eingelangt sei, keinem Akt zuzuordnen sei und sozusagen im leeren Raum stehe, sei daher völlig unrichtig. Darüber hinaus könne es auch der Revisionswerberin nicht angelastet werden, dass ihr nicht bekannt sei, dass das Schriftstück, obwohl es an die richtige Behörde unter der richtigen Geschäftszahl eingebracht worden sei, zu keinem Akt genommen und nicht behandelt werde. Die belangte Behörde hätte annehmen müssen, dass die Lenkerauskunft erteilt worden sei und hätte sohin keine Strafe verhängt werden dürfen.
Hätte die belangte Behörde das Schreiben der Revisionswerberin, worin sie mitgeteilt habe, dass das Fahrzeug vermietet gewesen sei und der tatsächliche Lenker bekannt gegeben worden sei, zum Akt genommen, so hätte sie auch gewusst, wer zum tatgegenständlichen Zeitpunkt das Fahrzeug gelenkt hatte, und hätte daher die Revisionswerberin nicht noch einmal auffordern dürfen, den Lenker bekanntzugeben, sodass ein Strafverfahren gar nicht einzuleiten bzw. einzustellen gewesen wäre.
5. Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
6. Gemäß § 103 Abs. 2 KFG kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann. Die Auskunft ist im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen.
Die Bestimmung des § 103 Abs. 2 KFG schützt das Interesse an einer jederzeit und ohne unnötige Verzögerung möglichen Ermittlung von Personen, die im Verdacht stehen, eine straßenpolizeiliche oder kraftfahrrechtliche Übertretung begangen zu haben, mithin das Interesse an einer raschen und lückenlosen Strafverfolgung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2014, Zl. Ra 2014/02/0081). Das nach § 103 Abs. 2 KFG strafbare Verhalten liegt darin, dass der befragte Zulassungsbesitzer innerhalb der gesetzten Frist keine richtige Auskunft erteilt hat. Lediglich dann, wenn der Zulassungsbesitzer der Behörde auf Verlangen bereits einmal Auskunft erteilt hat, ist der Anspruch der Behörde auf Auskunft konsumiert und die Nichtbefolgung eines etwaigen weiteren Verlangens nach Auskunft nicht strafbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Jänner 1977, Zl. 1875/76).
Ein derartiger Sachverhalt liegt im Revisionsfall jedoch ‑ wie auch das Verwaltungsgericht festgestellt hat ‑ nicht vor, weil dem Schreiben vom 11. Februar 2014 kein entsprechendes Auskunftsverlangen der Behörde nach § 103 Abs. 2 KFG vorangegangen war. Auch liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Auskunftsverlangen willkürlich oder grundlos gestellt worden wäre, zumal zum Zeitpunkt des Auskunftsverlangens das Verwaltungsstrafverfahren noch nicht abgeschlossen und auch die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen war (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 12. Juli 1994, Zl. 92/03/0020, mwH).
7. Auf die vom Verwaltungsgericht in der Begründung für die Zulassung der Revision angesprochene Rechtsfrage ‑ ob die Behörde verpflichtet sei, eine (ohne Anfrage gemäß § 103 Abs. 2 KFG erfolgte) Meldung von sich aus zum Anlass dazu zu nehmen, einen entsprechenden Strafakt anzulegen ‑ kommt es zur Entscheidung über die vorliegende Revision nicht an:
Die Gesellschaft, als deren zur Vertretung nach außen Berufene die Revisionswerberin bestraft wurde, hatte der Behörde nach Erhalt einer Anonymverfügung mitgeteilt, dass sie das Kraftfahrzeug in einem bestimmten Zeitraum an eine näher bezeichnete Person vermietet hatte. Selbst wenn die Behörde nach Erhalt dieses Schreibens einen Strafakt angelegt hätte, würde dies nämlich nichts daran ändern, dass die Behörde berechtigt war, ein Auskunftsverlangen nach § 103 Abs. 2 KFG an die Zulassungsbesitzerin zu richten, um ‑ unter der Sanktionsdrohung des § 134 Abs. 1 KFG ‑ Auskunft darüber zu erlangen, wer das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt gelenkt hat oder wer über den Lenker Auskunft erteilen kann.
Von einem grundlosen oder willkürlichen Auskunftsverlangen kann unter den Umständen des Revisionsfalles schon deshalb keine Rede sein, weil einerseits das Verwaltungsstrafverfahren jedenfalls noch nicht abgeschlossen und die Verjährungsfrist nicht abgelaufen war, und andererseits das Schreiben vom 11. Februar 2014 nicht ‑ wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgehalten hat ‑ unter Wahrheitspflicht erfolgt ist und überdies die mit diesem Schreiben erfolgte Mitteilung, an wen das Fahrzeug vermietet war, auch nicht eindeutig benennt, ob diese Person gelenkt hat oder Auskunft über den Lenker geben kann.
8. Die Revision war daher, weil darin keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, gemäß § 34 Abs. 1 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 9. Juni 2015
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