Normen
AVG §8;
B-VG Art119a Abs10;
B-VG Art119a Abs9;
GdO Tir 2001 §123 Abs1;
GdO Tir 2001 §127 Abs2;
GdO Tir 2001 §142 Abs1;
GdO Tir 2001 §142 Abs3;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1. Die revisionswerbende Gemeinde gehört dem Gemeindeverband (im Sinne des Art. 116a B-VG) XY an.
Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 9. Dezember 2014 wurde einem von der Verbandsversammlung dieses Gemeindeverbandes gefassten Beschluss - betreffend die Übernahme von Darlehenschulden der revisionswerbenden Parteien durch den Gemeindeverband - gemäß § 123 Tiroler Gemeindeordnung (TGO) die aufsichtsbehördliche Genehmigung versagt.
Mit dem angefochtenen, im Rechtsmittelweg ergangenen Erkenntnis wurde der Antrag der revisionswerbenden Partei, ihr im aufsichtsbehördlichen Genehmigungsverfahren die Parteistellung zuzuerkennen, abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das in Rede stehende aufsichtsbehördliche Verfahren betreffe das Rechtsverhältnis zwischen dem Gemeindeverband und der Aufsichtsbehörde. Es komme daher lediglich dem Gemeindeverband, nicht hingegen den verbandsangehörigen Gemeinden Parteistellung zu.
Weiters hat das Landesverwaltungsgericht ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision nicht zulässig ist.
2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
3. In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:
3.1. Gemäß Art. 119a Abs. 9 erster Halbsatz B-VG ist die Gemeinde Partei des aufsichtsbehördlichen Verfahrens. Gemäß Abs. 10 leg. cit. sind die Bestimmungen dieses Artikels auf die Aufsicht über Gemeindeverbände, soweit diese Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde besorgen, entsprechend anzuwenden.
Gemäß § 114 Abs. 1 Tiroler Gemeindeordnung 2001 (TGO) übt das Land gegenüber der Gemeinde bei der Besorgung der Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches aus dem Bereich der Landesvollziehung das Aufsichtsrecht aus.
Gemäß § 123 Abs. 1 lit. a leg. cit. bedürfen Beschlüsse von Gemeindeorganen betreffend ua. die Übernahme von Schulden der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.
Gemäß § 127 Abs. 2 leg. cit. kommt im aufsichtsbehördlichen Verfahren, ausgenommen nach § 122 (Anm: Verordnungsprüfung), der Gemeinde, in den Verfahren nach § 121 (Anm: Aufhebung von Bescheiden) auch jenen Personen Parteistellung zu, die in dem von der Gemeinde durchgeführten Verwaltungsverfahren Parteistellung hatten.
Gemäß § 142 Abs. 1 TGO unterliegen Gemeindeverbände zur Besorgung von Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde aus dem Bereich der Landesvollziehung der Aufsicht des Landes.
Gemäß Abs. 3 leg. cit. gelten für die Ausübung der Aufsicht die Bestimmungen über die Aufsicht des Landes über die Gemeinden sinngemäß. Das Aufsichtsrecht wird von der Landesregierung ausgeübt.
3.2. Nach der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts kommt im aufsichtsbehördlichen Verfahren grundsätzlich nur dem Adressaten des aufsichtsbehördlichen Bescheides, nicht aber Dritten Parteistellung zu (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. August 2013, Zl. 2013/06/0128, sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 2011, V 7/11 = VfSlg. 19.451, jeweils mwN).
Das aufsichtsbehördliche Genehmigungsverfahren betrifft ausschließlich das Rechtsverhältnis zwischen der Gemeinde und der Aufsichtsbehörde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. März 2006, Zl. 2005/05/0131, mwN).
Im Erkenntnis vom 18. November 1975, Zl 0540/75 = VwSlg 8928 A, hat der Verwaltungsgerichtshof zu der - der Bestimmung des § 123 Abs. 1 TGO vergleichbaren - Regelung des § 90 NÖ Gemeindeordnung ausgesprochen:
"§ 90 der NÖ Gemeindeordnung, auf den sich das angefochtene Erkenntnis stützt, unterwirft eine Reihe von Maßnahmen im Bereiche der Privatwirtschaftsverwaltung der Gemeinde (Art. 116 Abs. 2 und 118 Abs. 2 B-VG) in Ausschöpfung der dem Gesetzgeber im Art. 119a Abs. 8 B-VG erteilten Ermächtigung einer besonderen Genehmigungspflicht mit der Wirkung, dass Beschlüsse des Gemeinderates, durch die im Gesetz (§ 90 Abs. 1 NÖ GemO) abschließend aufgezählte Maßnahmen der erwähnten Art getroffen werden, erst mit der Genehmigung durch die Landesregierung
Rechtswirksamkeit erlangen ... Wiewohl die Frage der Erteilung
oder Nichterteilung einer solchen Genehmigung naturgemäß auch die Interessenlage des jeweiligen Vertragspartners der Gemeinde berührt, stellt der Ausgang des Genehmigungsverfahrens wenigstens im Anwendungsbereich der NÖ Gemeindeordnung dennoch einen bloß faktische (wirtschaftliche), nicht aber auch rechtliche Interessen Dritter tangierenden Umstand dar (vgl. hiezu auch BERCHTOLD, Gemeindeaufsicht, Springer-Verlag 1972, S. 119). Die in den Vorschriften des IV. Hauptstückes (§§ 85 bis 97) der NÖ Gemeindeordnung normativ zum Ausdruck kommende Folge davon ist, dass die in ihrem Bescheidcharakter unzweifelhafte Entscheidung der Landesregierung über die Genehmigung oder Nichtgenehmigung einer unter den Genehmigungsvorbehalt fallenden Erklärung der Gemeinde als Träger von Privatrechten sich lediglich als Maßnahme der staatlichen Aufsicht ausweist, die zwar die Rechtswirksamkeit von Willensakten gemeindlicher Organe gegenüber Dritten beeinflusst, gleichwohl aber nicht geeignet ist, in deren Rechte unmittelbar einzugreifen. ..."
3.3. Diese Grundsätze gelten auch für das gemeindeaufsichtsbehördliche Genehmigungsverfahren nach der TGO, zumal § 127 Abs. 2 TGO ausdrücklich anordnet, dass im Verfahren nach § 123 leg. cit. die Gemeinde - dh: nur die Gemeinde - Parteistellung hat (als einzigen Fall, in dem darüber hinaus im aufsichtsbehördlichen Verfahren auch Dritten Parteistellung zukommt, nennt § 127 Abs. 2 TGO lediglich das Bescheidprüfungsverfahren nach § 121 leg. cit.).
4. Aus Art. 119a Abs. 10 B-VG in Verbindung mit § 142 Abs. 3 TGO ergibt sich, dass die für die Gemeinden geltenden aufsichtsrechtlichen Bestimmungen auch für die Ausübung des Aufsichtsrechts über Gemeindeverbände (sinngemäß) gelten.
Für einen Fall wie den vorliegenden, in dem Gegenstand des aufsichtsbehördlichen Genehmigungsverfahrens ein Beschluss eines Organs des Gemeindeverbands ist, gelten daher die unter Pkt. 3.2. dargelegten Grundsätze mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Gemeinde der Gemeindeverband tritt.
In sinngemäßer Anwendung des Art. 119a Abs. 9 B-VG iVm § 127 Abs. 2 TGO ist Partei des aufsichtsbehördlichen Genehmigungsverfahrens, soweit es um die Genehmigung von Beschlüssen eines Organs eines Gemeindeverbandes im Sinne des § 123 Abs. 1 TGO geht, sohin (ausschließlich) der Gemeindeverband.
Mag - wie die revisionswerbende Partei in den Zulässigkeitsgründen nach § 28 Abs. 3 VwGG fallbezogen mit näheren Darlegungen vorbringt - die Frage der Erteilung oder Nichterteilung einer solchen Genehmigung naturgemäß im Regelfall die Interessenlage der jeweils verbandsangehörigen Gemeinden berühren, stellt der Ausgang des Genehmigungsverfahrens dennoch einen bloß faktische (wirtschaftliche), nicht aber auch rechtliche Interessen der Verbandsgemeinden tangierenden Umstand dar.
5. Das Verwaltungsgericht hat die Parteistellung der revisionswerbenden Gemeinde in dem den Gemeindeverband betreffenden aufsichtsbehördlichen Genehmigungsverfahren daher zu Recht verneint. Das Verwaltungsgericht ist aus den dargelegten Gründen nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.
6. Die Revision war daher mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zurückzuweisen.
Wien, am 13. Oktober 2015
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