VwGH Ra 2014/21/0002

VwGHRa 2014/21/000219.5.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Dr. Pelant sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klammer, über die Revision des I C, zuletzt in T, vertreten durch Mag. Gerald Hegenbart, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Kaiser Franz‑Ring 13, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Jänner 2014, Zl. W117 2000168‑1/6E, betreffend Schubhaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl),

Normen

BFA-VG 2014 §22a Abs1
BFA-VG 2014 §22a Abs1 idF 2015/I/041
BFA-VG 2014 §22a Abs2
BFA-VG 2014 §22a Abs2 idF 2015/I/041
BFA-VG 2014 §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
B-VG Art140 Abs1
B-VG Art140 Abs7
EURallg
FrPolG 2005 §76
FrPolG 2005 §76 Abs1
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z2
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z4
FrPolG 2005 §76 Abs5
VwGG §33 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg
32013R0604 Dublin-III Art2 litn
32013R0604 Dublin-III Art28
32013R0604 Dublin-III Art28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RA2014210002.L00

 

Spruch:

1. den Beschluss gefasst:

Soweit sich die Revision gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, wird sie als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

2. zu Recht erkannt:

Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Guinea‑Bissau, reiste am 7. Juli 2013 von Italien kommend in Österreich ein und stellte am 10. Juli 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 25. September 2013 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 zurückgewiesen, und es wurde ausgesprochen, dass Italien für die Prüfung des Antrages zuständig sei. Der Revisionswerber wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 nach Italien ausgewiesen; seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Italien wurde gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 für zulässig erklärt. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid hat der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 14. Oktober 2013 abgewiesen.

Mit sogleich in Vollzug gesetztem Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 4. Jänner 2014 wurde zur Sicherung der Abschiebung des Revisionswerbers gemäß § 76 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 ‑ FPG die Schubhaft verhängt.

Am 7. Jänner 2014 erhob der Revisionswerber Beschwerde gegen die Inschubhaftnahme und die andauernde Anhaltung in Schubhaft.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Schubhaftbeschwerde gemäß § 76 Abs. 1 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA‑Verfahrensgesetz (BFA‑VG) ab (Spruchpunkt I.). Mit Spruchpunkt II. sprach es gemäß § 22a Abs. 3 BFA‑VG aus, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen. Mit Spruchpunkt III. wurde der Antrag des BFA auf Kostenersatz zurückgewiesen, mit Spruchpunkt IV. wurde die Revision betreffend die Spruchpunkte I. und II. für unzulässig und mit Spruchpunkt V. betreffend den Spruchpunkt III. für zulässig erklärt.

Gegen dieses Erkenntnis hat der Revisionswerber eine Beschwerde gemäß Art. 144 B‑VG an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Gegen die Spruchpunkte I. und II. richtet sich außerdem die vorliegende Revision.

Zu Punkt 1.

Auf Grund der Beschwerde des Revisionswerbers stellte der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 12. März 2015, E 29/2014, fest, dass er durch Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung (nämlich des mit Erkenntnis vom selben Tag, G 151/2014 u.a., aufgehobenen § 22a Abs. 1 BFA‑VG) in seinen Rechten verletzt worden sei. Unter einem hob er daher ‑ nur ‑ diesen Spruchpunkt auf.

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde, nach seiner Anhörung die Revision in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Ein solcher Fall der formellen Klaglosstellung liegt (u.a.) dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung ‑ wie hier ‑ durch den Verfassungsgerichtshof aus dem Rechtsbestand beseitigt wurde (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 23. April 2015, Zl. 2013/21/0102). Dem trat der Vertreter des Revisionswerbers auf Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes nicht entgegen.

Die Revision war daher, soweit sie sich gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, in Anwendung der genannten Bestimmung des VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Zu Punkt 2.

Den Fortsetzungsausspruch (Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses) hat das BVwG spruchgemäß lediglich auf § 22a Abs. 3 BFA‑VG, somit auf eine ausschließlich verfahrensrechtliche Norm gestützt; in der Begründung wurde außerdem auf § 76 Abs. 1 FPG Bezug genommen.

Dabei wurde außer Acht gelassen, dass die Schubhaft der Sicherung der Überstellung des Revisionswerbers nach der Dublin III‑Verordnung dienen sollte. Damit ist ‑ ungeachtet der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz vor dem 1. Jänner 2014 ‑ gemäß Art. 49 Abs. 2 erster Satz zweiter Halbsatz der Dublin III‑Verordnung deren Art. 28 einschlägig, zumal sich diese Bestimmung im Kapitel VI betreffend das "Aufnahme‑ und Wiederaufnahmeverfahren" befindet (vgl. das Erkenntnis vom heutigen Tag, Ro 2014/21/0065). Die demnach fallbezogen gebotene Bezugnahme auf Art. 28 Dublin III‑Verordnung fehlt jedoch im angefochtenen Erkenntnis des BVwG. Vor diesem Hintergrund gleicht der vorliegende Revisionsfall jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 24. März 2015, Ro 2014/21/0080, zu Grunde lag. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Aus den dort angestellten Erwägungen ist auch Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts behaftet, weshalb er ‑ in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat ‑ gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014. Das die Umsatzsteuer betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer im Pauschalbetrag nach der genannten Verordnung bereits enthalten ist.

Wien, am 19. Mai 2015

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