VwGH Ra 2014/20/0022

VwGHRa 2014/20/002225.3.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Straßegger, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Ortner, über die Revision des T M in W, vertreten durch Dr. Johannes Pepelnik, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Czerninplatz 4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11. März 2014, Zl. L508 1438635-1/6E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §11;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §8 Abs1;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
VwGVG 2014 §24;
AsylG 2005 §11;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §8 Abs1;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
VwGVG 2014 §24;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Pakistans punjabischer Volksgruppenzugehörigkeit, stellte am 16. August 2012 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er sei im Februar 2012 im Swat-Tal von den Taliban entführt, gefangen gehalten und gezwungen worden, für den Jihad zu trainieren. Während einer Trainingseinheit sei ihm die Flucht aus der Gefangenschaft gelungen und er habe sein Heimatland verlassen.

Mit Bescheid vom 17. Oktober 2013 wies das Bundesasylamt (nunmehr: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) mit Spruchpunkt I. den Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab, erkannte dem Revisionswerber mit Spruchpunkt II. den Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu und erteilte ihm mit Spruchpunkt III. eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis 17. Oktober 2014.

In ihrer Begründung führte die Behörde im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe keine glaubhafte Bedrohung seiner Person darlegen können. Er habe behauptet, in seinem Urlaub von Taliban entführt worden zu sein.

Bei seiner Erstbefragung habe der Revisionswerber angegeben, dass er geflohen sei, indem er einen Hügel habe hinunterlaufen können, als er (gemeinsam mit anderen Gefangenen) zu einem Schusstraining gefahren worden sei. Demgegenüber habe er im Rahmen seiner Befragung vor der Behörde ausgeführt, er sei einen Hügel hinuntergerollt, man habe hinter ihm her geschossen und er sei zu einer Stelle mit Geschäften gekommen, wo ein LKW gestanden sei. Diese Widersprüche in seinen Angaben habe der Revisionswerber nicht ausräumen können. Ebenso habe der Revisionswerber nicht schlüssig erklären können, warum er in einem Raum, den er als dunkel beschrieben habe, Bilder hätte sehen können. Die Erklärung des Revisionswerbers, jemand hätte mit einer Taschenlampe Essen gebracht, sei weder schlüssig noch nachvollziehbar. Der Revisionswerber habe trotz seiner behaupteten zweimonatigen Gefangenahme weder das Haus, noch die Räumlichkeiten oder die Umgebung seiner Anhaltung näher beschreiben können.

In der gegen Spruchpunkt I. des Bescheides erhobenen Beschwerde trat der Revisionswerber den zum Beweis seiner Unglaubwürdigkeit angeführten Widersprüchen entgegen und brachte vor, dass an die im Rahmen der polizeilichen Erstbefragung getätigten Aussagen kein so hoher Maßstab hinsichtlich deren Vollständigkeit und Stringenz gelegt werden dürfe, zumal die Erstbefragung nicht einer näheren Befragung zu den Fluchtgründen dienen würde. Zudem sei der Revisionswerber zum Zeitpunkt seiner Erstbefragung noch minderjährig gewesen. Weiters habe die Behörde verkannt, dass auch eine nicht-staatliche Verfolgung durch die Taliban asylrelevant sein könne, nämlich dann, wenn die staatlichen Behörden nicht in der Lage seien, dem Revisionswerber hinreichenden Schutz zu bieten.

Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet ab.

Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, es sei der Behörde dahingehend beizupflichten, dass das Vorbringen des Revisionswerbers als unglaubwürdig einzustufen sei. Den beweiswürdigenden Argumenten der Behörde könne es sich im Wesentlichen anschließen, einige der aufgezeigten Widersprüche hielten allerdings einer näheren Überprüfung nicht stand und es sei daher den diesbezüglichen Einwänden in der Beschwerde zu folgen. Andererseits seien aber weitere Ungereimtheiten und Widersprüche, die die Glaubwürdigkeit der Erzählungen des Revisionswerbers zusätzlich in Zweifel zögen, zu berücksichtigen und der Entscheidung zu Grunde zu legen.

Zur Beweiswürdigung der Behörde führte das Bundesverwaltungsgericht zunächst aus, der Revisionswerber habe nicht nur von einer Taschenlampe, sondern auch von einer Öllampe gesprochen. Zudem habe er eindeutig geschildert, dass am Tag sehr wohl etwas Licht in den Raum gekommen sei, weil es ein Loch in der Türe gegeben habe. Daher stelle sich die Argumentation der Behörde als überwiegend rein spekulativ dar und dieses Argument halte einer Schlüssigkeitsprüfung nicht stand. Ebenso wenig könne den Ausführungen der Behörde, wonach es dem Revisionswerber nicht möglich gewesen sei, konkrete Angaben zur Lage des Hauses oder dessen Räumlichkeiten zu machen, gefolgt werden. Gemäß seinen niederschriftlichen Angaben vor der Behörde sei der Revisionswerber sehr wohl in der Lage gewesen, Schilderungen zum angeblichen Ort seiner Anhaltung zu machen. Ferner komme jenen Ausführungen in der Beschwerde Richtigkeit zu, wonach der Revisionswerber nicht in jenem Ausmaß zum Schießtraining befragt worden sei, um im Rahmen einer Beweiswürdigung argumentieren zu können, der Revisionswerber habe diese Ausbildung nicht glaubhaft schildern können. Weiters sei dem Beschwerdevorbringen zuzustimmen, dass es sich nicht ausschließe, dass sich das Haus seiner Anhaltung in einer einsamen Lage auf einem Hügel befinde und es am Fuße dieses Hügels Geschäfte gebe; insoweit könne das diesbezügliche Argument der Behörde nicht zum Nachteil des Revisionswerbers herangezogen werden.

Demgegenüber habe der Revisionswerber bei seiner Erstbefragung ausgeführt, dass er während einer Fahrt zu einem Training die Gelegenheit zur Flucht ergriffen habe. Bei der Einvernahme vor dem Bundesasylamt habe der Revisionswerber jedoch angegeben, dass er im Zuge des Trainings bei einer Auseinandersetzung zwischen dem Ausbildner und einem anderen Burschen einen Hügel hinuntergestoßen worden sei. Diese Situation habe der Revisionswerber zur Flucht genutzt. Im Übrigen könne den Aussagen des Revisionswerbers vor dem Bundesasylamt auch entnommen werden, dass die Anhaltung und Ausbildung durch die Taliban im Februar 2012 lediglich einige Tage gedauert habe. Bei seiner Erstbefragung habe er hingegen angegeben, ca. zwei Monate an dem Ort gewesen zu sein.

Weiters habe der Revisionswerber bei seiner Erstbefragung ausgesagt, die Taliban hätten seinen Bruder gefangen genommen und Geldforderungen gestellt. Vor dem Bundesasylamt habe der Revisionswerber demgegenüber ausgeführt, dass die Entführer seine Familie nach der Flucht des Revisionswerbers telefonisch aufgefordert hätten, ihn zurückzuschicken; sonst sei alles in Ordnung gewesen. Auf entsprechenden Vorhalt habe der Revisionswerber sogar ausdrücklich verneint, dass sein Bruder entführt worden sei und angegeben, es müsse sich um ein Missverständnis handeln.

Auch hinsichtlich des Verlaufes der Entführung divergierten die Erzählungen des Revisionswerbers. Bei seiner Erstbefragung habe er ausgeführt, dass er mit Freunden spazieren gegangen sei als sie von den Taliban angehalten worden seien. Gemäß seinen Ausführungen vor dem Bundesasylamt hätten der Revisionswerber und seine Freunde aus dem Auto aussteigen müssen. Auf Nachfrage habe der Revisionswerber nochmals bestätigt, dass sie mit dem Auto zur Stadt gefahren und nicht zu Fuß gegangen seien.

Schließlich habe der Revisionswerber im Zuge der Erstbefragung behauptet, der Raum seiner Anhaltung sei zwar sehr dunkel gewesen, es habe sich aber darin eine kleine Öllampe befunden. Im Widerspruch dazu habe der Revisionswerber bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt erläutert, dass es im Raum keine Beleuchtung gegeben habe; am Tag sei durch ein Loch in der Tür ein wenig Licht in den Raum gedrungen. Eine ständig im Raum befindliche Öllampe sei vom Revisionswerber nicht erwähnt worden, stattdessen habe der Revisionswerber ausgeführt, dass, sofern eine Person in den Raum gekommen sei, sie eine Taschenlampe oder eine Öllampe mitgehabt hätte.

Letztlich könne die Fluchtgeschichte des Revisionswerbers auch vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen nicht objektiviert werden. Diese würden zwar belegen, dass es in dem vom Revisionswerber genannten Gebiet zu Zwangsrekrutierungen durch die Taliban gekommen sei, diese hätten sich aber vor einer entsprechenden Militäroperation im Jahr 2009 ereignet. Weiters seien die Taliban im Swat-Tal Paschtunen und es sei schwer vorstellbar, dass diese einen punjabischen Jungen entführen würden.

Weiters führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass, selbst wenn man das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers der rechtlichen Beurteilung zu Grunde legen und in der Zwangsrekrutierung durch die Taliban einen Zusammenhang mit den in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) abschließend genannten Verfolgungsgründen erblicken würde, im konkreten Fall auf Grund der Länderberichte nicht davon ausgegangen werden könne, dass der pakistanische Staat generell nicht willig bzw. fähig sei, dem Revisionswerber Schutz vor derartigen Übergriffen zu bieten.

Zudem würde dem Revisionswerber eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehen.

Das Absehen von der mündlichen Verhandlung begründete das Bundesverwaltungsgericht damit, dass der Revisionswerber diese zwar in der Beschwerde beantragt habe, es aber unterlassen habe, darzulegen, was eine erneute Einvernahme seiner Person an den vorliegenden Widersprüchen hätte ändern können bzw. was er an entscheidungsrelevantem Sachverhalt noch hätte dartun wollen. Da somit der behördlichen Beweiswürdigung nicht substantiiert entgegengetreten worden sei und sich das Bundesverwaltungsgericht der Beweiswürdigung der Behörde ohnehin anschließe, würde keine Verpflichtung zur Abhaltung einer mündlichen Verhandlung bestehen.

Die Erhebung einer Revision sei mangels Vorliegens einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Die der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegte einheitliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Fluchtgründe, zum Flüchtlingsbegriff, zur Schutzfähigkeit bzw. zur innerstaatlichen Fluchtalternative, sei zwar zur früheren Rechtslage ergangen, aber auf die nunmehrige Rechtslage unverändert übertragbar.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die gegenständliche außerordentliche Revision. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde nahm von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Revisionswerber macht zur Zulässigkeit der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG geltend, er habe im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht weder mündlich noch schriftlich die Möglichkeit gehabt, zum Ergebnis der Beweisaufnahme und zu den Länderberichten Stellung zu nehmen. Auf Grund der ergänzenden Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes und der Tatsache, dass der Revisionswerber in der Beschwerde der Beweiswürdigung der Behörde substantiiert entgegengetreten sei, hätte jedenfalls eine mündliche Verhandlung durchgeführt werden müssen. Die der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zu Grunde gelegten Länderberichte seien zudem zu unspezifisch und nicht aktuell. Insbesondere würden sie sich nicht mit der Fähigkeit Pakistans, seinen Staatsangehörigen Schutz vor Angriffen der Taliban zu gewährleisten, auseinandersetzen. Weiters sei das Bundesverwaltungsgericht trotz des Umstands, dass dem Revisionswerber bereits vom Bundesasylamt der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei, vom Vorhandensein einer innerstaatlichen Fluchtalternative ausgegangen. Hinsichtlich der Frage, ob dies angesichts des klaren Wortlautes des § 11 Abs. 1 AsylG 2005 möglich sei, gebe es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Letztlich stütze das Bundesverwaltungsgericht seine Beweiswürdigung beinahe ausschließlich auf Widersprüche zwischen der polizeilichen Erstbefragung und der Einvernahme vor der Behörde. Bezüglich der Glaubwürdigkeit von Aussagen während der polizeilichen Erstbefragung würde es an hg. Rechtsprechung fehlen.

Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch begründet.

§ 24 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lautet (samt Überschrift):

"Verhandlung

§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für

erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche

Verhandlung

durchzuführen.

(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

(5) Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden."

§ 21 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet auszugsweise (samt Überschrift):

"Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

§ 21. ...

(7) Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG."

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, 0018, dargelegt, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen, die Abstandnahme von der Durchführung einer (beantragten) Verhandlung ermöglichenden - und hier allein in Betracht zu ziehenden - Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint", folgende Kriterien beachtlich sind:

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG normierte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall legte des Bundesasylamt seinen Feststellungen zum Vorbringen des Revisionswerbers zu den Fluchtgründen beweiswürdigend zu Grunde, dass dieser unglaubwürdige Aussagen, insbesondere zu Bildern, die im Raum seiner Anhaltung, der dunkel gewesen sei, getätigt habe und keine konkreten Angaben zur Lage des Hauses oder dessen Räumlichkeiten habe machen können. Abweichend davon ging das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass diese Argumente einer Schlüssigkeitsprüfung nicht standhielten. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher tragende Gründe zum Beweis der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens des Revisionswerbers verworfen und diese durch eigene beweiswürdigende Überlegungen ersetzt.

Geht das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - von den tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung ab, liegt kein Fall im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG vor, der ein Absehen von der beantragten Verhandlung rechtfertigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029).

Weiters führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass, auch wenn man das Vorbringen des Revisionswerbers der rechtlichen Beurteilung zu Grunde lege, er keine Umstände habe dartun können, die die Annahme rechtfertigten, er werde in seinem Heimatstaat einer Verfolgung im Sinne der GFK ausgesetzt sein. Die damit angedeutete "Wahrunterstellung" entspricht zum einen nicht den Anforderungen an die Feststellung des Vorbringens wie sie im hg. Erkenntnis vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0069, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargelegt wurden. Zum anderen wird vom Bundesverwaltungsgericht nicht einmal im Ansatz dargelegt, weshalb die Ausführungen des Revisionswerbers selbst im Fall der Richtigkeit von vornherein nicht geeignet gewesen wären, einen Anspruch auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zu begründen (vgl. zur Frage der Asylrelevanz von Zwangsrekrutierungen etwa die hg. Erkenntnisse vom 28. November 2014, Ra 2014/01/0094, und vom 10. Dezember 2014, Ra 2014/18/0103 bis 0106).

Zur hilfsweisen Begründung des Bundesverwaltungsgerichtes, dass selbst wenn man den Ausführungen des Revisionswerbers Glauben schenken und der behaupteten Zwangsrekrutierung durch die Taliban Asylrelevanz beimessen würde, jedenfalls anhand der Länderberichte von der Schutzwilligkeit und -fähigkeit des pakistanischen Staates gegen derartige Übergriffe auszugehen sei, ist ergänzend anzumerken, dass diese Feststellung - wie die Revision zu Recht rügt - keine Deckung in den eingeholten Länderberichten findet und daher nicht nachvollziehbar ist.

Hinsichtlich der (weiteren) Eventualbegründung des Bundesverwaltungsgerichtes, dem Revisionswerber stünde eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung, ist auf das hg. Erkenntnis vom 13. November 2014, Ra 2014/18/0011 ua., zu verweisen, wonach dieses Argument im Widerspruch zu einer bereits erfolgten Gewährung von subsidiärem Schutz steht, weil § 11 AsylG 2005 die Annahme der inländischen Fluchtalternative nur erlaubt, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht gegeben sind.

Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet und war gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und lit. c VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden. Eine solche wird nach dem Gesagten vom Bundesverwaltungsgericht durchzuführen sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 25. März 2015

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