VwGH 2013/17/0137

VwGH2013/17/013714.10.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Dr. Leonhartsberger sowie Hofrat Mag. Brandl als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schubert-Zsilavecz, über die Beschwerde des RM in S, vertreten durch die Dr. Franz P. Oberlercher & Mag. Gustav H. Ortner Rechtsanwalts-GesmbH in 9800 Spittal an der Drau, Bernhardtgasse 4/I, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 2. Jänner 2013, 02-FINF- 3101/1-2012, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand iA der Motorbootabgabe, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §131 Abs1;
BAO §308 Abs1;
BAO §85;
MotorbootabgabeG Krnt 1992 §3 Abs3;
BAO §131 Abs1;
BAO §308 Abs1;
BAO §85;
MotorbootabgabeG Krnt 1992 §3 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Spruchpunktes II. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 23. Dezember 2011 schrieb die Dienststelle für Landesabgaben beim Amt der Kärntner Landesregierung als Abgabenbehörde erster Instanz (in Folge: Abgabenbehörde erster Instanz) dem Beschwerdeführer die Motorbootabgabe nach dem Kärntner Motorbootabgabegesetz 1992 (in Folge: K-MBAG) für Jänner 2007 bis Juli 2008 für ein Motorboot mit einem näher angeführten amtlichen Kennzeichen in der Höhe von insgesamt EUR 5.517,60 vor.

Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2012 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid Berufung und stellte mit weiterem Schriftsatz vom 16. Februar 2012 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Vorlage der Einnahmenerklärung für 2007 und 2008. Er habe das Motorboot im Rahmen des Betriebs seiner Wasserskischule eingesetzt. Im August bzw September 2008 sei er darüber informiert worden, dass er eine "Motorbootabgabenerklärung" abzugeben habe. Seine Ehefrau, die für die administrativen Angelegenheiten der Wasserskischule zuständig gewesen sei, habe ihm im September 2008 die diesbezüglichen Formulare vorgelegt. In Folge seien diese Formulare ausgefüllt und vom Beschwerdeführer unterschrieben worden. Seine Ehefrau habe die Formulare kopiert, die Originale einkuvertiert, die Kopien in den dafür vorgesehenen Ordner gelegt und das Kuvert abgefertigt. Für ihn habe kein Zweifel daran bestanden, dass diese Erklärungen der Behörde auch ordnungsgemäß zugegangenen seien. Zum Beweis der tatsächlichen Postaufgabe beantragte der Beschwerdeführer seine eigene Einvernahme sowie die seiner Ehefrau.

Mit dem Wiedereinsetzungsantrag legte der Beschwerdeführer auch die (unter Verwendung von Formularen erstellten) Erklärungen über die Einnahmen der Jahre 2007 und 2008 sowie eine eidesstättige Erklärung seiner Ehefrau zur Postaufgabe vor. Darin bestätigte die Ehefrau im Wesentlichen die Ausführungen ihres Mannes und führte ergänzend aus, dass sie die verwendeten Formulare anlässlich der Einwinterung des Motorbootes erhalten habe. Sie habe das Kuvert mit den beiden Erklärungen zur Firmenpost gegeben. Sie sei sich absolut sicher, dass das Kuvert mit der üblichen Firmenpost zur Postaufgabestelle gebracht und auch versandt worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde im Instanzenzug ua die Berufung gegen die Abgabenvorschreibung (Spruchpunkt I.) und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Spruchpunkt II.) ab. Zur Abgabenvorschreibung (Spruchpunkt I.) führte die belangte Behörde aus, die Gefahr der Beförderung einer Sendung durch die Post trage der Absender. Dieser müsse auch sicherstellen, dass die Briefsendung tatsächlich bei der Behörde eingelangt sei. Der Beschwerdeführer hätte sich durch einen Telefonanruf bei der Behörde darüber Gewissheit verschaffen müssen. Dies hätte nicht die Grenzen der zumutbaren Sorgfalt überschritten. Hinsichtlich des Spruchpunktes II. führte die belangte Behörde aus, die Frist zur Vorlage der Einnahmeerklärung für das Jahr 2007 sei mit 31. Dezember 2008, für das Jahr 2008 mit 31. Dezember 2009 abgelaufen. Die "Einnahmeerklärungen" seien erst mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei der Behörde eingelangt. Die eidesstättige Erklärung der Ehefrau des Beschwerdeführers enthalte zwar die Versicherung, dass die "Einnahmeerklärungen" verfasst und von ihr zur Post gebracht worden seien, es gebe aber keine Hinweise auf die näheren Umstände der Postaufgabe. Lediglich in der Berufung gegen den Abgabenbescheid sei der Zeitpunkt der Postaufgabe mit Montag, den 22. September 2008, angegeben worden. Auch wenn die Ehefrau des Beschwerdeführers die Administration stets zur vollsten Zufriedenheit des Beschwerdeführers übernommen habe, wäre es trotzdem an ihm gelegen gewesen, die von ihm in Auftrag gegebenen Tätigkeiten persönlich zu kontrollieren bzw ein laufendes Kontrollsystem einzurichten. Auch der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Sachverhalt sei nicht geeignet, um die (geforderte) zumutbare Sorgfaltspflicht als erfüllt anzusehen. Der Beschwerdeführer hätte nämlich kontrollieren müssen, ob die beiden Erklärungen tatsächlich bei der Abgabenbehörde erster Instanz eingelangt seien. Sein Verhalten übersteige demnach jedenfalls den minderen Grad des Verschuldens.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sich der Beschwerdeführer gegen Spruchpunkt I. (Abweisung der Berufung gegen den Abgabenbescheid) und Spruchpunkt II. (Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages) des angefochtenen Bescheides wendet. Er beantrage die Aufhebung des angefochtenen Bescheids wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Beschwerdeführer erstattete eine Gegenäußerung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl I Nr 122/2013 die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Gemäß § 1 Abs 1 des Kärntner Motorbootabgabegesetzes 1992 (K-MBAG), LGBl Nr 10/1993, ist eine Abgabe (Motorbootabgabe) für bestimmte schiffahrtsbehördlich zugelassene Motorfahrzeuge zu entrichten.

Von der Abgabepflicht sind gemäß § 3 Abs 1 Z 5 K-MBAG Motorfahrzeuge ausgenommen, die ausschließlich gewerbsmäßig verwendet werden.

Die aus einer ausschließlich gewerbsmäßigen Verwendung eines Motorfahrzeugs erzielten Einnahmen (Abs 2) sind gemäß § 3 Abs 3 K-MBAG nach den Grundsätzen des § 131 Abs 1 BAO fortlaufend aufzuzeichnen. Diese Aufzeichnungen sind bei sonstigem Entfall der Ausnahme von der Abgabepflicht bis längstens 31. Dezember des dem jeweiligen Abgabenzeitraum folgenden Jahres der Abgabebehörde vorzulegen.

Die Vorlage dieser Aufzeichnungen ist somit als ein Anbringen zur Geltendmachung der Abgabenfreiheit iSd § 3 Abs 3 K-MBAG anzusehen. Dieses Anbringen hätte im Beschwerdefall bis zum 31. Dezember 2008 (betreffend die Motorbootabgabe für 2007) bzw bis zum 31. Dezember 2009 (betreffend die Motorbootabgabe für 2008) bei der Abgabenbehörde eingebracht werden müssen.

Ein Anbringen liegt aber erst dann vor, wenn eine solche Eingabe tatsächlich bei der Behörde einlangt; die Gefahr des Verlustes einer übersandten Eingabe trifft den Einschreiter (vgl VwGH vom 28. Juni 2001, 2000/16/0645, mwN).

Unstrittig ist im Beschwerdefall, dass die Aufzeichnungen über die Einnahmen aus der gewerblichen Verwendung eines Motorbootes der Jahre 2007 und 2008 erst im Zuge des Berufungs- und Wiedereinsetzungsverfahrens im Februar 2012, somit nach Ablauf der in § 3 Abs 2 K-MBAG genannten Jahresfrist, vorgelegt wurden.

Gemäß § 308 Abs 1 BAO ist gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Ein Verschulden der Partei an der Versäumung, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich dabei nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Begriff des minderen Grads des Versehens wird nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als leichte Fahrlässigkeit verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw der Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (vgl etwa VwGH vom 26. Mai 1999, 99/03/0029, mwN, und vom 23. November 2009, 2009/03/0089). Wer darüber hinaus einen Wiedereinsetzungsantrag auf das Verschulden einer Hilfsperson stützt, hat schon im Wiedereinsetzungsantrag durch ein substantiiertes Vorbringen darzulegen, aus welchen Gründen ihn selbst kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden trifft, etwa dass und in welcher Weise der Wiedereinsetzungswerber die erforderliche Kontrolle ausgeübt hat (vgl VwGH vom 27. Februar 1996, 95/08/0259, und vom 2. Juli 2010, 2010/17/0049).

Geht die Sendung nach Übergabe an die Post verloren und langt sie daher nicht bei der Behörde ein, ist dies ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, das zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand berechtigt (vgl VwGH vom 31. Oktober 1991, 90/16/0148). Der Verlust eines nicht eingeschriebenen Briefes stellt auch kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden dar, weil auch ohne diese besondere Form der Postaufgabe mit dem Einlangen des Schriftstückes bei der Behörde gerechnet werden kann (vgl VwGH vom 13. Oktober 2009, 2009/17/0154, und vom 13. Juli 2015, Ra 2015/02/0050). Auch in der Unterlassung der (allgemein jedenfalls nicht vorgeschriebenen) Überprüfung des Einlangens der Erklärungen bei der Abgabenbehörde erster Instanz kann kein auffallend sorgloses Verhalten erblickt werden (vgl VwGH vom 31. Oktober 1991, 90/16/0148).

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde im Beschwerdefall damit begründet, die Ehefrau des Beschwerdeführers habe im September 2008 und somit innerhalb der Frist des § 3 Abs 3 K-MBAG die Einnahmenerklärungen für die Jahre 2007 und 2008 gemeinsam mit der übrigen Firmenpost zur Postaufgabestelle gebracht und dort deren Versendung veranlasst. Das Nichteinlangen bei der Behörde könne nur auf einen Verlust der Sendung am Postweg oder auf andere nicht bekannte Gründe zurückzuführen sein.

Bei einem dermaßen begründeten Wiedereinsetzungsantrag darf die Behörde eine abweisende Entscheidung nicht auf die Erörterung der Verschuldensfrage beschränken, sondern muss unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse eines mängelfreien Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung die Behauptung der Partei prüfen, dass die nichtbescheinigte Sendung fristgerecht zur Post gegeben worden ist (Stoll, BAO-Kommentar 2985, mwN).

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid keine Feststellungen über den ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt getroffen. Sollten ihre Ausführungen zur Verschuldensfrage dahingehend zu verstehen sein, dass sie von der Unrichtigkeit des vom Beschwerdeführer behaupteten Sachverhalts (nämlich die ordnungsgemäße und fristgerechte Postaufgabe der ausgefüllten und unterschriebenen Erklärungen) ausgeht, so hätte sie dies mit Hilfe von nachvollziehbaren Feststellungen begründen müssen. Auch aus der Aktenlage ergibt sich nicht, dass die Abgabenbehörden Schritte zur Ermittlung des zu Grunde zu legenden Sachverhalts gesetzt hätten.

Sollte die belangte Behörde aber ohnehin von dem im Wiedereinsetzungsantrag behaupteten Sachverhalt ausgegangen sein, so wäre für den Verwaltungsgerichtshof aber nicht ersichtlich, warum eine von der belangten Behörde beanstandete fehlende Kontrolle seiner Ehefrau oder ein fehlendes "laufendes Kontrollsystem" ursächlich dafür gewesen sein sollten, dass die der Post übergebenen "Einnahmeerklärungen" nicht bei der Abgabenbehörde eingelangt sind.

Der angefochtene Bescheid war auf Grund dieser Erwägungen hinsichtlich seines Spruchpunktes II. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und lit c VwGG aufzuheben. Mit dieser Aufhebung erweist sich die Berufung gegen die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wieder als nicht erledigt. Dieser Umstand ist aber nicht geeignet, die im diesbezüglichen Abgabenverfahren ergangene abweisende Berufungsentscheidung mit Rechtswidrigkeit zu belasten. Das Vorliegen anderer Umstände, welche eine Rechtswidrigkeit der Abgabenvorschreibung bewirken würden, hat die Beschwerde aber nicht aufgezeigt, sodass sie hinsichtlich der Berufungsentscheidung (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides) gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG aF iVm § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013 idF BGBl II Nr 8/2014.

Wien, am 14. Oktober 2015

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