VwGH 2013/11/0121

VwGH2013/11/012110.6.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des M H in S, vertreten durch die Anwaltspartnerschaft Krückl Lichtl Huber Eilmsteiner in 4020 Linz, Landstraße 50/Eingang Magazingasse, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich vom 12. April 2013, Zl. VwSen-253416/2/MK/HK, betreffend Übertretungen des AVRAG (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §28 Abs1 Z1;
AVRAG 1993 §7i Abs3;
AVRAG 1993 §7i Abs4;
VStG §21;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher eines Bauunternehmens schuldig erkannt, er habe in 34 näher dargestellten Fällen Arbeitnehmer beschäftigt, ohne den ihnen zustehenden Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien geleistet zu haben. Dadurch sei jeweils § 7i Abs. 3 AVRAG verletzt worden. Es wurde je eine Geldstrafe von EUR 2000,-- und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 34 Stunden verhängt.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet hat.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Da die vorliegende Beschwerde mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof bereits anhängig war, sind gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG darauf die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des AVRAG, BGBl. Nr. 459/1993, idF BGBl. I Nr. 24/2011, lauten (auszugsweise):

"§ 7i (1) ...

(3) Wer als Arbeitgeber/in ein/en Arbeitnehmer/in beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm/ihr zumindest den nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehenden Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zu leisten, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe zu bestrafen, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Sind von der Unterentlohnung höchstens drei Arbeitnehmer/innen betroffen, beträgt die Geldstrafe für jede/n Arbeitnehmer/in 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall 2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer/innen betroffen, für jede/n Arbeitnehmer/in 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall 4 000 Euro bis 50 000 Euro.

(4) Stellt die Bezirksverwaltungsbehörde fest, dass die Unterschreitung des Grundlohns gering oder das Verschulden des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin geringfügig ist, hat sie von der Verhängung einer Strafe abzusehen, sofern der/die Arbeitgeber/in dem/der Arbeitnehmer/in die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem dem/der Arbeitnehmer/in nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelt binnen einer von der Behörde festzusetzenden Frist nachweislich leistet und eine solche Unterschreitung des Grundlohns durch den/die Arbeitgeber/in das erste Mal erfolgt. Hat das Kompetenzzentrum LSDB, der zuständige Krankenversicherungsträger oder die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse bei erstmaliger Unterschreitung des Grundlohns von einer Anzeige abgesehen oder hat die Bezirksverwaltungsbehörde von der Verhängung einer Strafe abgesehen, ist bei der erstmaligen Wiederholung der Unterschreitung zumindest die Mindeststrafe zu verhängen. Im Fall des ersten und zweiten Satzes ist § 21 Abs. 1 VStG nicht anzuwenden. Weist der/die Arbeitgeber/in der Bezirksverwaltungsbehörde nach, dass er/sie die Differenz vom tatsächlich geleisteten und dem dem/der Arbeitnehmer/in nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelt geleistet hat, ist dies bei der Strafbemessung strafmildernd zu berücksichtigen.

..."

3. Die Beschwerde ist unbegründet.

3.1. Außer Streit steht, dass der Revisionswerber als Arbeitgeber 34 Arbeitnehmer über unterschiedliche Zeiträume (12 Tage bis 17 Monate) zwischen Mai 2011 und September 2012 unterentlohnt hat, indem er diesen nicht den ihnen nach dem jeweiligen Kollektivvertrag zustehenden Grundlohn bezahlt hat. Das Ausmaß der Unterentlohnung hat zwischen 1,1% und 26,5% betragen. Die Differenzbeträge wurden nachweislich nicht geleistet.

Der Beschwerdeführer bringt vor, in 11 Fällen sei die Unterschreitung von unter 5% gering und sein Verschulden sei insgesamt geringfügig; überdies habe ihm die Behörde entgegen § 7i Abs. 4 AVRAG keine Frist für die Lohnnachzahlungen gesetzt, sodass eine Strafe (noch) nicht hätte verhängt werden dürfen.

3.2. Ein Absehen von der Verhängung von Strafen wäre nach § 7i Abs. 4 AVRAG nur in Betracht gekommen, wenn a) die Unterschreitung des Grundlohns gering oder das Verschulden des Arbeitgebers geringfügig gewesen wäre und b) er die Differenz zum gebührenden Entgelt binnen einer von der Behörde festzusetzenden Frist nachweislich geleistet hätte.

Soweit der Beschwerdeführer eine geringe Unterschreitung in 11 von 34 Fällen vorbringt, ist ihm unter Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 23. September 2014, Zl. Ro 2014/11/0083, und vom 23. Oktober 2014, Zl. Ro 2014/11/0071, jeweils mwN, entgegenzuhalten, dass auch prozentuell niedrige Unterentlohnungen nur dann als gering eingestuft werden können, wenn sie durch eine kurze Dauer und niedrige absolute Geldbeträge gekennzeichnet sind. Selbst die gegenständlichen Unterentlohnungen von 1,1% bis 4,2% können dann nicht mehr als gering eingestuft werden, wenn sie sich - wie in den vom Beschwerdeführer angesprochenen Fällen - über einen Zeitraum von zumindest 2 Monaten, in der Mehrzahl der Fälle jedoch über 17 Monate erstrecken. Bei einer derart langen Dauer der Unterschreitung kann sich nämlich sogar bei einer Unterentlohnung von 1,1% rechnerisch kein geringer absoluter Fehlbetrag mehr ergeben.

Der Umstand, dass mehrere Arbeitnehmer von der Unterentlohnung iSd. § 7i Abs. 3 AVRAG betroffen waren, lässt das Verschulden des Beschwerdeführers nicht mehr als geringfügig ansehen (vgl. die RV 1076 Blg NR 24. GP, 7 zu § 7i AVRAG). In einer Konstellation wie der vorliegenden, in der 34 Arbeitnehmer betroffen waren, kann daher nicht angenommen werden, dass das Verschulden geringfügig wäre (vgl. die zitierten Erkenntnisse Zlen. Ro 2014/11/0083 und Ro 2014/11/0071). Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer - wie sich aus den unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde ergibt - kein wirksames Kontrollsystem eingerichtet hatte, um die Einhaltung der Lohnkriterien in seinem Betrieb sicherzustellen, sodass auch unter dem Aspekt des (bis 30. Juni 2013 noch in Kraft gestandenen) § 21 VStG nicht von einem geringfügigen Verschulden ausgegangen werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2007, Zl. 2005/03/0166, mwN).

Dem Argument schließlich, die Behörde habe dem Beschwerdeführer entgegen § 7i Abs. 4 AVRAG keine Frist für die Lohnnachzahlungen gesetzt, ist entgegenzuhalten, dass - wie sich ebenfalls aus den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid ergibt - der Beschwerdeführer vier Monate nach der Anzeigeerstattung durch die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse der Erstbehörde gegenüber bekanntgegeben hat, die Nachzahlungen nicht leisten zu können, ohne seinen Betrieb zu gefährden. Gleiches wird im Übrigen auch noch in der Beschwerde geltend gemacht. Vor diesem Hintergrund kann den Behörden nicht entgegengetreten werden, wenn sie eine Fristsetzung nicht mehr für erforderlich hielten.

Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer die Differenzbeträge nicht geleistet hatte, kam aber ein Absehen von der Verhängung von Strafen nach § 7i Abs. 4 AVRAG schon deshalb nicht in Betracht, weil im Beschwerdefall, wie eben gezeigt, weder geringe Unterentlohnung noch geringfügiges Verschulden vorlag.

3.3. Wie sich aus den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid weiter ergibt, hatte der Beschwerdeführer auch keine Anstrengungen unternommen, den entstandenen Schaden durch zumindest teilweise Nachzahlungen an seine Arbeitnehmer zu verringern. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Dauer und der großen Anzahl der Fälle von Unterentlohnungen ist der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie nicht vom Überwiegen der Milderungsgründe iSd § 20 VStG (Geständnis, nicht entschuldigender Rechtsirrtum über die zustehenden Grundlöhne) ausging, sondern die in § 7i Abs. 3 AVRAG vorgesehenen Strafen - ohnehin unter Heranziehung bloß der Mindestsätze - verhängt hat.

3.4. Der Beschwerdeführer regt abschließend an, der Verwaltungsgerichtshof möge eine Prüfung des in § 7i Abs. 3 AVRAG festgelegten Strafrahmens auf seine Verhältnismäßigkeit beim Verfassungsgerichtshof beantragen.

Zweck der Regelungen des AVRAG ist es, Lohn- und Sozialdumping zu verhindern, weil dadurch nicht nur Arbeitnehmer/innen das ihnen zustehende Entgelt für die erbrachte Arbeitsleistung vorenthalten, sondern auch ein fairer Wettbewerb zwischen den Unternehmen untergraben wird (vgl. die RV 1076 Blg NR 24. GP, 1). Dieses Ziel kann aber nur erreicht werden, wenn für die rechtmäßige Entlohnung von Arbeitskräften effiziente und durchsetzbare Kontrollmechanismen bestehen und im Fall von Übertretungen wirksame Sanktionen zur Verfügung stehen. Der Strafrahmen des § 7i Abs. 3 AVRAG ist jenem des § 28 Abs. 1 Z 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) nachgebildet (vgl. die RV 1076 Blg NR 24. GP, 8). Es ist nicht zu ersehen, dass die im Gesetz vorgesehenen Strafen oder auch die im vorliegenden Fall verhängten Strafen über das Maß des Erforderlichen hinausgingen, um die Einhaltung dieser Regelungen zu bewirken (vgl. das zu § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG ergangene hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2013, Zl. 2012/09/0082).

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher nicht veranlasst, gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG eine Prüfung des § 7i Abs. 3 AVRAG beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen.

4. Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung beruht (gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014) auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 10. Juni 2015

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