VwGH Ro 2014/17/0123

VwGHRo 2014/17/012315.12.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky sowie Hofrat Dr. Köhler und Hofrätin Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Revision des Bundesministers für Finanzen in 1010 Wien, Johannesgasse 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 9. Mai 2014, Zl. LVwG-410284/4/Gf/Rt, betreffend Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz (mitbeteiligte Partei: M V in W, vertreten durch Dr. Gerald Haas, Dr. Anton Frank, Mag. Ursula Schilchegger-Silber, Mag.Dr. Andreas Rabl, Dr. Andreas Auer, Dr. Tanja Gottschling und MMag. Lisa Maria Jarmer, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Bauernstraße 9/WDZ 3), zu Recht erkannt:

Normen

12010E056 AEUV Art56;
62012CJ0390 Pfleger VORAB;
AVG §45 Abs3;
GSpG 1989 §53 Abs1 Z1 lita;
VStG §24;
VStG §25 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §38;
VwGVG 2014 §44;
12010E056 AEUV Art56;
62012CJ0390 Pfleger VORAB;
AVG §45 Abs3;
GSpG 1989 §53 Abs1 Z1 lita;
VStG §24;
VStG §25 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §38;
VwGVG 2014 §44;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wels vom 4. Juli 2012 wurde gegenüber dem Mitbeteiligten als Eigentümer gemäß § 53 Abs. 1 Z. 1 lit. a Glücksspielgesetz (GSpG) die Beschlagnahme von zwei Glücksspielgeräten und Schlüsseln ausgesprochen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Mitbeteiligte vor, er sei nicht Eigentümer der beschlagnahmten Glücksspielgeräte.

Der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) des Landes Oberösterreich stellte in der Folge einen Antrag auf Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV an den EuGH und setzte das Verfahren aus.

Mit Urteil vom 30. April 2014, Rs C-390/12 , Robert Pfleger ua, sprach der EuGH aus, dass der Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen eine Regelung im Glücksspielbereich nicht zu Sanktionen führen kann, wenn diese Regelung mit Art. 56 AEUV nicht vereinbar sei (bezüglich des näheren Inhaltes dieses Urteils wird auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. Ro 2014/17/0121, verwiesen).

Ohne ein weiteres Verfahren durchzuführen, sprach das gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 zweiter Satz B-VG nunmehr zuständige Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 9. Mai 2014 aus, der Beschwerde werde gemäß § 50 VwGVG dahin stattgegeben, dass der anefochtene Bescheid aufgehoben werde (Spruchpunkt I.). Weiters wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sei (Spruchpunkt II.).

In der Begründung gelangte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zu dem Ergebnis, dass der Beschwerde gemäß § 50 VwGVG dahin stattzugeben gewesen sei, dass der angefochtene Bescheid, mit dem eine nach § 53 GSpG wegen eines unzulässigen Eingriffs in das Glücksspielmonopol des Bundes angeordnete Beschlagnahme bestätigt worden sei, wegen Widerspruchs der diese Beschlagnahme tragenden nationalen Regelungen zum Unionsrecht aufzuheben gewesen sei. Bezüglich der weiteren - inhaltsgleichen - Begründung wird ebenfalls auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. Ro 2014/17/0121, verwiesen.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision des Bundesministers für Finanzen mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden und die - vor dem Verwaltungsgericht erhobene - Beschwerde des Mitbeteiligten als unbegründet abweisen.

Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er beantragte, die Revision gemäß § 34 VwGVG zurückzuweisen bzw. gemäß § 35 VwGVG abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Bezüglich der anzuwendenden Rechtslage, der Zulässigkeit der Revision, des Inhaltes der Revision des Bundesministers für Finanzen und der Entscheidung in der Sache wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. Ro 2014/17/0121, verwiesen.

Daraus ergibt sich für den Revisionsfall im Ergebnis Folgendes:

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hätte zunächst zu klären gehabt, ob die Bundespolizeidirektion Wels zur Entscheidung im vorliegenden Verfahren wegen einer Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz überhaupt zuständig gewesen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 2013, Zl. 2012/17/0507, auf das gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, ausgesprochen, dass es dazu notwendig gewesen wäre, Feststellungen zu den auf den gegenständlichen Glücksspielgeräten möglichen Höchsteinsätzen zu treffen.

Hätte sich ergeben, dass zur Entscheidung im vorliegenden Beschlagnahmeverfahren wegen der Möglichkeit, mit Höchsteinsätzen von mehr als EUR 10,-- pro Spiel an den Glücksspielgeräten zu spielen, die ordentlichen Gerichte und nicht die Verwaltungsbehörden zuständig waren, so wäre der Bescheid der Bundespolizeidirektion Wels vom 4. Juli 2012 vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mangels Zuständigkeit derselben zur Entscheidung aufzuheben gewesen.

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat aufgrund des Verkennens der Rechtslage keine Feststellungen getroffen, die eine Beurteilung der Frage zulassen, ob die Bundespolizeidirektion Wels zur Entscheidung im vorliegenden Beschlagnahmeverfahren zuständig war. Es hat dadurch das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Weiters wurde im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. Ro 2014/17/0121, bereits ausgesprochen, dass das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich - bei Bejahung der Zuständigkeit der erstinstanzlichen Verwaltungsbehörde - aufgrund des im Verwaltungsstrafverfahren vor den Verwaltungsgerichten gemäß § 38 VwGVG iVm § 25 Abs. 1 VStG geltenden Amtswegigkeitsprinzips und des Grundsatzes der Erforschung der materiellen Wahrheit Feststellungen hätte treffen müssen, aufgrund derer hätte beurteilt werden können, ob das Unionsrecht im vorliegenden Beschlagnahmeverfahren überhaupt anzuwenden ist. Bei Bejahung dieser Frage hätte das Landesverwaltungsgericht, um rechtens zu der Beurteilung zu gelangen, dass Bestimmungen des GSpG dem Unionsrecht widersprechen, nach Durchführung eines amtswegigen Ermittlungsverfahrens konkrete Tatsachenfeststellungen zu treffen gehabt, aus denen abzuleiten gewesen wäre, dass durch anzuwendende Bestimmungen des GSpG vorgenommene Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit im Sinne der Rechtsprechung des EuGH nicht gerechtfertigt sind. Dadurch, dass das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich aufgrund seiner unrichtigen Rechtsansicht nicht amtswegig ein Beweisverfahren durchgeführt und derartige Feststellungen getroffen hat, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts belastet.

Weiters wären den Parteien gemäß § 38 VwGVG i.V.m. § 24 VStG und § 45 Abs. 3 AVG die Ergebnisse des bislang durchgeführten bzw. durchzuführenden Ermittlungsverfahrens vorzuhalten und ihnen die Möglichkeit einzuräumen gewesen, dazu ein Vorbringen zu erstatten und Beweise für die eigenen Behauptungen anzubieten (Grundsatz der Wahrung des Parteiengehörs). In der Folge wären aufgrund eines erstatteten relevanten Parteienvorbringens und Beweisanbotes Ermittlungen durchzuführen und im angefochtenen Erkenntnis Feststellungen hiezu zu treffen gewesen. Indem diese Verfahrensschritte nicht gesetzt wurden, hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In den Abs. 2 bis 5 leg. cit. finden sich zulässige Ausnahmen von der Verhandlungspflicht. Ein Absehen von der Verhandlung wäre nach dieser Bestimmung zu beurteilen und zu begründen gewesen. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat auch in diesem Zusammenhang das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Zum notwendigen Inhalt der Entscheidungsbegründung eines Erkenntnisses eines Verwaltungsgerichtes wird auf das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 2014, Zl. Ro 2014/03/0076, verwiesen.

Aufgrund obiger Erwägungen war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 15. Dezember 2014

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