VwGH Ro 2014/16/0009

VwGHRo 2014/16/000929.4.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Anträge der I, vertreten durch die Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Böhmerwaldstraße 14, 1. auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der mit Beschluss vom 30. Jänner 2014 gesetzten Frist zur vollständigen Mängelbehebung in dem eine Angelegenheit der Rechtsgebühr nach § 33 TP 17 GebG (Wettgebühr) betreffenden hg. Beschwerdeverfahren Zl. Ro 2014/16/0009, sowie 2. auf Wiederaufnahme des mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. März 2014, Zl. Ro 2014/16/0009- 4, eingestellten Beschwerdeverfahrens, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Die Anträge werden abgewiesen.

Begründung

Mit Verfügung vom 30. Jänner 2014 hatte der Verwaltungsgerichthof die Antragstellerin gemäß § 34 Abs. 2 VwGG aufgefordert, ihre vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 21. November 2013, B-1289/2013, dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene, zur Zl. Ro 2014/16/0009 protokollierte Beschwerde zur Behebung näher bezeichneter Mängel zu ergänzen. Gleichzeitig wurde aufgetragen, dass die zurückgestellte Beschwerde (einschließlich der angeschlossen gewesenen, gesetzlich vorgeschriebenen Beilagen) auch dann wieder vorzulegen ist, wenn zur Ergänzung ein neuer Schriftsatz eingebracht wird. Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, dass die Versäumung der Frist als Zurückziehung der Beschwerde gelte.

Der Verbesserungsschriftsatz der Antragstellerin vom 27. Februar 2014 enthält im Rubrum den Vermerk:

"3-fach

Einzahlungsbeleg für Pauschalgebühr samt Erklärung Firmenbuchauszug bet-at-home.com Internet Limited (Englisch)" Dem Verbesserungsschriftsatz waren das Original der

zurückgestellten unverbesserten Beschwerde und der ebenfalls zurückgestellte angefochtene Bescheid nicht angeschlossen.

Die Antragstellerin ist daher der erwähnten hg. Aufforderung zur Mängelbehebung innerhalb der ihr gesetzten Frist nicht vollständig nachgekommen, weshalb das Verfahren mit Beschluss vom 6. März 2014, Zl. Ro 2014/16/0009-4, eingestellt worden ist.

Im vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 21. März 2014 bringt die Antragstellerin vor, ihr Vertreter habe zunächst den Schriftsatz zur Mängelbehebung, also zur Ausführung einer Revision, erstellt und ihn samt Beilagen der Revision zur Versendung in einer Postmappe zusammengestellt und kontrolliert. Nicht zuletzt auf Grund des Umfangs der Beilagen seien in einer weiteren zweiten Postmappe die vom Verwaltungsgerichtshof geforderten zwei weiteren Ausfertigungen der ursprünglichen Beschwerde sowie die vom Verfassungsgerichtshof abgetretene und zurückgestellte Beschwerde samt Beilagen vom geschäftsführenden Rechtsanwalt selbst zusammengestellt, entsprechend kontrolliert und unterfertigt worden. Beide Postmappen seien danach der Assistentin des Rechtsanwalts mit der ausdrücklichen Anweisung, den Schriftsatz zur Mängelbehebung samt Beilagen sowie die vom Verfassungsgerichtshof abgetretene und zurückgestellte Beschwerde samt Beilagen sogleich gemeinsam abzufertigen und gemeinsam zu kuvertieren. Dabei seien offenbar für dieses - und ein weiteres beim Verwaltungsgerichtshof anhängiges gleichgelagertes - Verfahren die entsprechenden Schriftstücke der zweiten Postmappe versehentlich nicht in das (gemeinsame) Kuvert gegeben worden, sondern bei der zuständigen Assistentin in Vergessenheit oder in Verstoß geraten. Im Rubrum seien nur solche Beilagen erwähnt worden, welche für die Behandlung der Revision von Bedeutung seien. Dazu zähle die ursprüngliche Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht, weil diese für das Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes über eine Revision ohne jede Bedeutung sei. Somit liege überhaupt keine Fristversäumnis der Antragstellerin vor und sei der Mängelbehebungsauftrag überschießend gewesen.

Da der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde mit Beschluss vom 21. November 2013, B 1289/2013, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung abgetreten hat, sind gemäß § 28 Abs. 5 BFGG iVm. § 8 VwGbk-ÜG die Bestimmungen des B-VG und des VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.

Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne der obigen Ausführungen dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 28. März 2014, 2014/16/0004, mwN).

Unterfertigt der Parteienvertreter einen Schriftsatz zur Mängelbehebung, ist er verpflichtet, zu überprüfen, ob mit der beabsichtigten Prozesshandlung dem gerichtlichen Auftrag fristgerecht entsprochen wird. In Anbetracht der Bedeutung, die der Vollständigkeit der Erfüllung eines Ergänzungsauftrages zukommt, ist der Parteienvertreter verhalten, auch die Vollständigkeit der Erfüllung der Aufträge zu überprüfen. Dazu gehört, dass er anlässlich der Unterfertigung des Ergänzungsschriftsatzes sein Augenmerk auch darauf richtet, ob am Ergänzungsschriftsatz die erforderliche Anzahl der Ausfertigungen und Beilagen vermerkt ist und diese dem Schriftsatz auch angeschlossen sind. Eine bloß mündlich erteilte Anordnung bei Fehlen eines schriftlichen Vermerks auf dem Ergänzungsschriftsatz oder zur Änderung oder Ergänzung eines - wie im Beschwerdefall - unzureichenden schriftlichen Vermerks reicht aus dem Grunde der späteren verlässlichen Überprüfbarkeit nicht aus (vgl. den erwähnten hg. Beschluss vom 28. März 2014).

Das Rubrum des Mängelbehebungsschriftsatzes vom 27. Februar 2014 weist den eingangs geschilderten Wortlaut auf, welcher weder die vom Verfassungsgerichtshof abgetretene zurückgestellte Beschwerde samt zwei Ausfertigungen noch den angefochtenen Bescheid umfasst und aufgrund dessen die Assistentin des Rechtsanwalts keine Veranlassung gehabt hätte, neben dem Mängelbehebungsschriftsatz weitere Unterlagen als den Einzahlungsbeleg für die entrichtete Gebühr und den Firmenbuchauszug als Beilagen abzufertigen. Durch eine derartige Fassung der Beilagenverfügung wird - selbst für den Fall, dass die geforderten Beilagen (die vom Verfassungsgerichtshof abgetretene zurückgestellte Beschwerde samt Ausfertigungen und der ebenfalls zurückgestellte angefochtene Bescheid) in einer zweiten Postmappe einsortiert gewesen wären - eine gefahrengeneigte Situation geschaffen, bei der es nachvollziehbar ist, dass die in Rede stehenden Schriftstücke (die Verfassungsgerichtshofbeschwerde und der angefochtene Bescheid) nicht tatsächlich übersandt wurden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht ein Parteienvertreter seiner Sorgfaltspflicht nicht, wenn er Schriftsätze unterfertigt, die einen unrichtigen oder unvollständigen Beilagenvermerk aufweisen, weil er in einem solchen Fall damit rechnen muss, dass nur jene Beilagen abgefertigt werden, die in der Beilagenordnung angeführt sind (vgl. nochmals den erwähnten hg. Beschluss vom 28. März 2014). Mit der im Rubrum enthaltenen Aufzählung bloß jener Beilagen, die der Vertreter der Antragstellerin für die Behandlung seines Rechtsmittels als relevant erachtet, und ohne Nennung jener Beilagen, die sich in einer anderen Postmappe befinden und nur nach mündlicher Anordnung dennoch versendet werden sollen, nimmt er in Kauf, dass bei der Abfertigung die nicht schriftlich festgehaltenen Beilagen in Vergessenheit oder Verstoß geraten.

Daher ist es dem Vertreter der Antragstellerin als eigenes, über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden anzulasten, dass er vor Unterfertigung des vorbereiteten Verbesserungsschriftsatzes nicht dafür gesorgt hat, die vom Verwaltungsgerichtshof geforderten Urkunden in die Beilagenverfügung aufzunehmen.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Mängelbehebungsfrist war somit abzuweisen.

Das Vorbringen der Antragstellerin betreffend Entbehrlichkeit der Verfassungsgerichtshofbeschwerde für das vom Verwaltungsgerichtshof zu erledigende Verfahren stehen der beantragten Wiedereinsetzung schon deshalb entgegen, weil damit keine Fristversäumnis geltend gemacht wird.

Das zuletzt genannte Vorbringen der Antragstellerin wiederholt sie in ihrem weiteren Antrag vom 25. März 2014 auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VwGG, weil der Einstellungsbeschluss des Verwaltungsgerichtshofes auf einer nicht von der Partei verschuldeten irrigen Annahme der Versäumung der Mängelbehebungsfrist beruhe. Die ursprüngliche Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof sei für das Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes über eine Revision ohne jede Bedeutung.

Die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluss abgeschlossenen Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof ist gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VwGG auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn das Erkenntnis oder der Beschluss auf einer nicht von der Partei verschuldeten irrigen Annahme der Versäumung einer im VwGG vorgesehenen Frist beruht.

Es ist das Vorbringen der Antragstellerin schon deshalb nicht geeignet den genannten Wiederaufnahmegrund zu verwirklichen, weil es die Antragstellerin - wie sich aus dem oben dargestellten Sachverhalt ergibt - auch unterlassen hat, den ihr zurückgestellten angefochtenen Bescheid wieder vorzulegen und nicht aufgezeigt wird, wie dieser überprüft werden soll, wenn er nicht eingesehen werden kann. Somit setzt sich die Antragstellerin mit der im Einstellungsbeschluss des Verwaltungsgerichtshofes ebenso enthaltenen Begründung, dass der Mängelbehebungsauftrag mangels Wiedervorlage der mit der Verfassungsgerichtshofbeschwerde zurückgestellten Beilage, i.e. des angefochtenen Bescheides nicht vollständig erfüllt und dadurch die Verbesserungsfrist versäumt worden sei, nicht auseinander und reicht ihr Vorbringen nicht aus, den genannten Wiederaufnahmegrund zu erfüllen.

Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des durch hg. Beschluss vom 6. März 2014 eingestellten Verfahrens war daher unter Einem abzuweisen.

Wien, am 29. April 2014

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