VwGH 2014/16/0004

VwGH2014/16/000428.3.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über den Antrag des Mag. P in M, vertreten durch die Kosch & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Stubenring 18, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur vollständigen Mängelbehebung in dem eine Angelegenheit der Haftung nach §§ 9 und 80 BAO betreffenden hg. Beschwerdeverfahren Zl. 2013/16/0240, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Mit Verfügung vom 8. Jänner 2014, 2013/16/0240-2, stellte der Verwaltungsgerichthof dem Antragsteller die drei Ausfertigungen des von ihm eingebrachten, als Revision geltenden Beschwerdeschriftsatzes und den diesem angeschlossenen angefochtenen Bescheid gemäß § 34 Abs. 2 VwGG zur Behebung von Mängeln zurück. Dem Antragsteller wurde es freigestellt, einen neuen, den Mängelbehebungsauftrag voll Rechnung tragenden Schriftsatz unter Wiedervorlage der zurückgestellten unverbesserten als Revision geltenden Beschwerde samt ihren Ausfertigungen einzubringen. Ausdrücklich wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass der ergänzende Schriftsatz in dreifacher Ausfertigung vorzulegen ist und dass die zurückgestellte Revision samt ihren Ausfertigungen (einschließlich der angeschlossen gewesenen, gesetzlich vorgeschriebenen Beilagen) auch dann vorzulegen ist, wenn zur Ergänzung ein neuer Schriftsatz eingebracht wird.

Der Antragsteller wurde auch darauf hingewiesen, dass die Versäumung der Frist als Zurückziehung der Revision gilt.

Innerhalb offener Frist brachte der Antragsteller einen als "Verbesserung der Beschwerde" bezeichneten Mängelbehebungsschriftsatz vom 4. Februar 2014 ein, welcher auf seinem Deckblatt folgenden Vermerk enthält:

"VM ert. gem. 8/1 RAO

3-fach

3 Beilagen 3-fach"

Diesem Schriftsatz waren die drei Ausfertigungen des ursprünglich eingebrachten Beschwerdeschriftsatzes angeschlossen, nicht jedoch der angeschlossen gewesene, dem Antragsteller zurückgestellte angefochtene Bescheid.

Da der Antragsteller dem erteilten Mängelbehebungsauftrag somit nicht vollständig nachgekommen war, stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28. Februar 2014, 2013/16/0240-4, das Verfahren gemäß § 33 Abs. 1 VwGG iVm § 34 Abs. 2 leg. cit. ein.

Im vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 12. März 2014 trägt der Antragsteller vor, sein Vertreter sei durch ein unvorhergesehenes Ereignis an der rechtzeitigen Wiedervorlage des angefochtenen Bescheides gehindert gewesen.

Innerhalb offener Verbesserungsfrist sei vom (in der vertretenden Rechtsanwälte GmbH) zuständigen Rechtsanwalt der Schriftsatz auf Verbesserung in dreifacher Ausfertigung unterfertigt und gemeinsam mit allen Beilagen, darunter auch dem Originalbescheid, zur Aufgabe als eingeschriebener Brief der Mitarbeiterin M J übergeben worden. M J habe den Verbesserungsschriftsatz samt den letztlich an den Verwaltungsgerichtshof übermittelten Beilagen in das Postkuvert gesteckt und eingeschrieben aufgegeben, jedoch den Bescheid irrtümlich liegengelassen und nicht mitgesendet. M J sei der Irrtum unterlaufen, die Originalausfertigung des Bescheides gemeinsam mit der hergestellten Kopie dieses Bescheides, welche für den Handakt habe zurückbleiben sollen, in den Handakt zu legen. Sodann habe sie den Akt mit einem beim Parteienvertreter üblichen Wiedervorlagetermin für das Einlangen der Gegenäußerung versehen und den Akt abgelegt. Es sei ihr nicht aufgefallen, dass im Kuvert für den Verwaltungsgerichtshof der Originalbescheid nicht enthalten gewesen sei. Eine Kontrolle durch den Rechtsanwalt sei unterblieben, weil dieser den Verbesserungsschriftsatz dreifach unterschrieben habe, dabei alle Beilagen einschließlich des Originalbescheides vorgefunden und die Ausfertigungen des Schriftsatzes samt Beilagen zur Postbeförderung an M J übergeben habe. Er habe noch angeordnet, dass von allen Beilagen und vom Bescheid Aktenkopien herzustellen seien. Diese Kopien seien in der Folge von M J auch hergestellt worden, dabei sei aber irrtümlich der Originalbescheid eben in den Handakt zurückgelegt worden.

Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne der obigen Ausführungen dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 21. November 2013, 2013/16/0196, mwN).

Unterfertigt der Parteienvertreter einen Schriftsatz zur Mängelbehebung, ist er verpflichtet, zu überprüfen, ob mit der beabsichtigten Prozesshandlung dem gerichtlichen Auftrag fristgerecht entsprochen wird. In Anbetracht der Bedeutung, die der Vollständigkeit der Erfüllung eines Ergänzungsauftrages zukommt, ist der Parteienvertreter verhalten, auch die Vollständigkeit der Erfüllung der Aufträge zu überprüfen. Dazu gehört, dass er anlässlich der Unterfertigung des Ergänzungsschriftsatzes sein Augenmerk auch darauf richtet, ob am Ergänzungsschriftsatz die erforderliche Anzahl der Ausfertigungen und Beilagen vermerkt ist und diese dem Schriftsatz auch angeschlossen sind. Eine bloß mündlich erteilte Anordnung bei Fehlen eines schriftlichen Vermerkes auf dem Ergänzungsschriftsatz oder zur Änderung oder Ergänzung eines - wie im Beschwerdefall - unzureichenden schriftlichen Vermerks reicht aus dem Grunde der späteren verlässlichen Überprüfbarkeit nicht aus (vgl. den erwähnten hg. Beschluss vom 21. November 2013).

Der Mängelbehebungsschriftsatz vom 4. Februar 2014 trug den eingangs geschilderten Vermerk, welcher den angefochtenen Bescheid nicht anführt und aufgrund dessen die Angestellten der Rechtsanwaltsgesellschaft keine Veranlassung gehabt hätten, weitere Unterlagen als die "3 Beilagen 3-fach", womit anscheinend die drei Ausfertigungen des ursprünglichen als Revision geltenden Beschwerdeschriftsatzes gemeint, aber nicht ausdrücklich bezeichnet waren, als Beilagen abzufertigen. Durch eine derartige Fassung der Beilagenverfügung wird - selbst für den Fall, dass die geforderte Beilage (im Revisionsfall der zurückgestellte angefochtene Bescheid) den Mängelbehebungsschriftsatz bei dessen Unterfertigung angeschlossen gewesen wäre - eine gefahrengeneigte Situation geschaffen, bei der es nachvollziehbar ist, dass das in Rede stehende Schriftstück (hier die dem Antragsteller zurückgestellte Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) nicht tatsächlich übersandt wurde.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht ein Parteienvertreter seiner Sorgfaltspflicht nicht, wenn er Schriftsätze unterfertigt, die einen unrichtigen oder unvollständigen Beilagenvermerk aufweisen, weil er in einem solchen Fall damit rechnen muss, dass nur jene Beilagen abgefertigt werden, die in der Beilagenordnung angeführt sind (vgl. nochmals den erwähnten hg. Beschluss vom 21. November 2013).

Daher ist es dem Vertreter des Antragstellers als eigenes, über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden anzulasten, dass er vor Unterfertigung des vorbereiteten Verbesserungsschriftsatzes nicht darauf gedrungen hat, die Beilagenverfügung darauf richtigzustellen oder zu ergänzen.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Mängelbehebungsfrist war somit abzuweisen.

Wien, am 28. März 2014

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