VwGH Ro 2014/12/0037

VwGHRo 2014/12/003723.6.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Zens, Dr. Thoma und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kupec, in der Rechtssache des MMag. W J in J, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Landesschulrat für Steiermark wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheit einer Mehrdienstleistungsvergütung (weitere Partei: Bundesministerin für Bildung und Frauen, früher: Unterricht, Kunst und Kultur), 1. über den Vorlageantrag vom 13. Februar 2014 gegen die Zurückweisung eines "Fristsetzungsantrages" als unzulässig mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 3. Februar 2014, Zl. W213 2000673- 1/3Z (hg. Zl. Fr 2014/12/0001), sowie 2. über den Vorlageantrag vom 24. März 2014 gegen die Zurückweisung einer gegen diese Entscheidung erhobenen Revision mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 5. März 2014, Zl. W213 2000673-1/9Z (hg. Zl. Ro 2014/12/0037),

Normen

B-VG Art130 Abs1 Z3 idF 2012/I/051;
B-VG Art151 Abs51 Z9 idF 2012/I/051;
VwGbk-ÜG 2013 §5 Abs1;
VwGbk-ÜG 2013 §5 Abs2;
VwGG §25a Abs1 idF 2013/I/033;
VwGG §30b Abs1 idF 2013/I/033;
VwGG §30b idF 2013/I/033;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §8 Abs1;

 

Spruch:

1. den Beschluss gefasst:

Der Vorlageantrag vom 13. Februar 2014 wird als unzulässig zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Die Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 3. Februar und vom 5. März 2014 werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der (nunmehrige) Revisionswerber brachte in seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Säumnisbeschwerde vom 30. Dezember 2013, Zl. 2013/12/0251, vor, er stehe in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund. Seine letzte Dienststelle als Lehrer sei die BHAK/BHAS G gewesen. Am 28. Oktober 2008 habe er einen (näher beschriebenen) Antrag auf Vergütung von Mehrdienstleistungen für die Schuljahre 2005/2006 und 2007/2008 gestellt, über den weder der Landesschulrat für Steiermark als Dienstbehörde noch die mit Devolutionsantrag vom 16. Mai 2013 angerufene Bundesministerin entschieden habe.

Das Verfahren über die Säumnisbeschwerde wurde mit hg. Verfügung vom 9. Jänner 2014 (idF des Berichtigungsbeschlusses vom 8. Mai 2014) dem Bundesverwaltungsgericht zuständigkeitshalber abgetreten. Der Akt ist bei diesem Gericht am 30. Jänner 2014 eingelangt.

Mit Beschluss vom 3. Februar 2014 wies das Bundesverwaltungsgericht "den Fristsetzungsantrag ... gemäß § 30a Abs. 1 iVm § 30a Abs. 8 iVm § 38 VwGG als unzulässig zurück".

Begründend führte es nach Darstellung des Verfahrens und der Rechtslage aus, die Beschwerde sei erst am 1. Jänner 2014 iSd § 34 Abs. 1 VwGVG dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt worden, zumal dieses davor nicht existent gewesen sei. Im Übrigen fehlten Bestimmungen, nach denen sich das Bundesverwaltungsgericht Entscheidungsfristen von auf Grundlage der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 "nicht mehr existenter Verwaltungsbehörden oder des Asylgerichtshofes" und damit eine allenfalls bereits eingetretene Säumnis zurechnen lassen müsste. Die Entscheidungsfrist des § 34 Abs. 1 VwGVG habe somit am 1. Jänner 2014 begonnen und ende mit Ablauf des 30. Juni 2014. Mangels Fristversäumnis oder Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Bundesverwaltungsgericht sei der Fristsetzungsantrag daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst gemäß § 30b VwGG den Vorlageantrag vom 13. Februar 2014 sowie in der Folge Revision, in der er geltend machte, seine Säumnisbeschwerde sei ohne gesetzliche Grundlage in einen Fristsetzungsantrag umgedeutet und auf dieser Basis zu Unrecht zurückgewiesen worden.

Mit Beschluss vom 5. März 2014 wies die belangte Behörde diese Revision gemäß § 30a Abs. 1 VwGG als unzulässig zurück.

Begründend verwies sie zunächst auf den dargestellten Verfahrensgang. Gemäß § 25a Abs. 2 VwGG sei gegen Beschlüsse der Verwaltungsgerichte (unter anderem) nach § 30a Abs. 1 VwGG keine Revision (sondern lediglich der - bereits erhobene - Vorlageantrag gemäß § 30b Abs. 1 VwGG) zulässig. Die dennoch erhobene Revision sei daher zurückzuweisen gewesen.

Der Revisionswerber stellte am 24. März 2014 den Antrag, die Revision gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 3. Februar 2014 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen.

 

In dieser Rechtssache hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage sowie nach Erstattung einer Gegenschrift durch die Bundesministerin für Bildung und Frauen erwogen:

Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG idF der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51, ordnet an:

"(1) Die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden

  1. 1. ...
  2. 2. ...
  3. 3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;"

    Art. 151 Abs. 51 Z 9 B-VG, angefügt durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51, lautet:

    "9. In den beim Verwaltungsgerichtshof und beim Verfassungsgerichtshof mit Ablauf des 31. Dezember 2013 anhängigen Verfahren treten die Verwaltungsgerichte an die Stelle der unabhängigen Verwaltungsbehörden, sonstigen unabhängigen Verwaltungsbehörden und, soweit es sich um Beschwerdeverfahren handelt, aller sonstigen Verwaltungsbehörden mit Ausnahme jener Verwaltungsbehörden, die in erster und letzter Instanz entschieden haben oder zur Entscheidung verpflichtet waren, sowie mit Ausnahme von Organen der Gemeinde. Nach Beendigung des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof betreffend den Bescheid oder die Säumnis einer unabhängigen Verwaltungsbehörde oder vor dem Verfassungsgerichtshof betreffend den Bescheid einer solchen ist das Verfahren gegebenenfalls vom Verwaltungsgericht fortzusetzen."

    § 5 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbkÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, lautet samt Überschrift:

    "Beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht

§ 5. (1) Die beim Verwaltungsgerichtshof mit Ablauf des 31. Dezember 2013 anhängigen Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine unabhängige Verwaltungsbehörde gelten als Verfahren über einen Fristsetzungsantrag.

(2) Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden in sonstigen bei ihm mit Ablauf des 31. Dezember 2013 anhängigen Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht an das zuständige Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens abzutreten. Die Entscheidungsfrist für das Verwaltungsgericht beginnt mit dem Einlangen der Akten beim Verwaltungsgericht neu zu laufen."

§ 8 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, sieht für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht vor:

"Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde

§ 8. (1) Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) kann erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist."

Das Bundesverwaltungsgericht hat bei seinen dargestellten Entscheidungen übersehen, dass nicht ihm eine Säumnis vorgeworfen wird, sondern eine an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Säumnisbeschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch die (damalige) Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur vorlag. In das darüber zu führende Verfahren ist es ab dem 1. Jänner 2014 auf Grund der Abtretung der eingangs beschriebenen Säumnisbeschwerde durch den Verwaltungsgerichthof, bei welcher es sich der Sache nach um eine solche nach § 5 Abs. 2 VwGbk-ÜG handelte, eingetreten.

Es ist daher das Verfahren gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG vor dem Bundesverwaltungsgericht abzuführen. Für die Zurückweisung eines - nach dem wiedergegebenen Verfahrensgegenstand in dieser Form auch nicht gestellten - Fristsetzungsantrages fehlt dagegen, ebenso wie für die der Sache nach erfolgte Zurückweisung der Säumnisbeschwerde vom 30. Dezember 2013, jede Grundlage.

Damit erweist sich allerdings der erwähnte Vorlageantrag vom 13. Februar 2014 als unzulässig, weil er inhaltlich nicht einen Fristsetzungsantrag nach § 30b Abs. 1 VwGG (sondern eine abgetretene Säumnisbeschwerde) betrifft, und war somit - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - zurückzuweisen (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 227).

Der Vorlageantrag vom 24. März 2014 ist rechtzeitig und zulässig.

Er ist auch berechtigt, weil der mit Revision angefochtene Beschluss - wie oben dargelegt - nicht die Zurückweisung eines Fristsetzungsantrages zum Gegenstand hatte. Der Zurückweisungsbeschluss vom 5. März 2014 war daher auf Grund des Vorlageantrages aufzuheben (vgl. zum Ganzen neuerlich Eder/Martschin/Schmid, aaO).

Auf Grund der - mangels in den angefochtenen Beschluss aufgenommenen Ausspruchs iSd § 25a Abs. 1 VwGG - ordentlichen Revision war nach dem Gesagten der Beschluss vom 3. Februar 2014 gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes zu beheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.

Wien, am 23. Juni 2014

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