VwGH Ro 2014/08/0019

VwGHRo 2014/08/001931.7.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Revision der C T in Graz, vertreten durch die Mörth Ecker Filzmaier Rechtsanwaltspartnerschaft in 8010 Graz, Maiffredygasse 8/I, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 9. Dezember 2013, Zl. LGS600/SfA/0566/2013-Sche/DS, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;
AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Revisionswerberin steht mit Unterbrechungen seit Juni 2003 im Bezug von Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Ihr letztes längeres Beschäftigungsverhältnis - als Küchenhilfe - dauerte nach den Feststellungen der belangten Behörde von Mai 2011 bis Jänner 2012.

Am 24. September 2013 wurde ihr von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) eine vollversicherte Beschäftigung als Küchenhilfe und Reinigungskraft beim Sozialökonomischen Betrieb Ö. mit Arbeitsbeginn am 26. September 2013 zugewiesen. Die Revisionswerberin kam zu einem Vorstellungsgespräch, erschien dann aber nicht zum vereinbarten Arbeitsbeginn. Zufolge den Feststellungen der belangten Behörde erklärte sie gegenüber dem Dienstgeber auf dessen telefonische Nachfrage, dass die zugesagte Arbeit nun doch nichts für sie sei und sie es sich anders überlegt habe.

Laut Niederschrift vom 5. November 2013 nannte sie dem AMS als Grund für die Nichtannahme der Beschäftigung, dass sie nicht mit Fleisch arbeiten könne und wolle. Der Dienstgeber erklärte, dass die Revisionswerberin am 24. September 2013 ein Vorstellungsgespräch bei Ö. gehabt habe. Dabei habe sie nicht erwähnt, dass sie nicht mit Fleisch arbeiten könne. Die Revisionswerberin bestätigte in der Niederschrift diese Angaben.

Die regionale Geschäftsstelle sprach daraufhin mit Bescheid vom 18. November 2013 aus, dass die Revisionswerberin gemäß § 10 iVm § 38 AlVG für die Zeit vom 26. September 2013 bis zum 20. November 2013 ihren Anspruch auf Notstandshilfe verliere, weil sie die Arbeitsaufnahme als Küchenhilfe verweigert habe.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Revisionswerberin vor, dass sie das Stellenangebot aus folgenden Gründen nicht angenommen habe: Zum einen seien die geforderten Arbeitszeiten für sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht einzuhalten gewesen (der Arbeitsbeginn wäre um 5:00 Uhr gewesen, der erste Bus fahre aber erst um 5:30 Uhr; einen Führerschein besitze sie nicht); zum anderen sei die Arbeit für sie aus sittlichen Gründen nicht möglich, weil sie seit 1999 Vegetarierin sei, der Arbeitsplatz aber in einer Küche sei und somit die Verarbeitung und Zubereitung von Fleisch voraussetze.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab.

In der Begründung stellte sie zunächst im Wesentlichen den eingangs geschilderten Sachverhalt fest und gab § 10 Abs. 1 und 3 AlVG wieder. Anschließend führte sie aus, dass die nur durch einige wenige und sehr kurzfristige Dienstverhältnisse unterbrochene, überdurchschnittlich lange Arbeitslosigkeit als "sehr atypisch" beurteilt werden müsse und den Schluss auf "motivationale Defizite" zulasse. Dieser Eindruck werde zusätzlich dadurch untermauert, dass die Revisionswerberin im April 2013 zum wiederholten Mal an einer Wiedereingliederungsmaßnahme teilgenommen habe, jedoch wegen unentschuldigter Fehltage ausgeschlossen worden sei. Ihre eingeschränkte Arbeitswilligkeit habe sie weiters im Juni 2013 unter Beweis gestellt, als sie sich auf die offene Stelle bei der Firma A. Personalservice nicht beworben habe, ohne berücksichtigungswürdige Nachsichtsgründe angeben zu können.

Die offene Stelle im sozialökonomischen Betrieb Ö. sei nach den Bestimmungen des AlVG "vollkommen zumutbar" und geeignet gewesen, das Beschäftigungsproblem der Revisionswerberin zu lösen. Der Einwand, es sei ihr nicht zumutbar gewesen, den Arbeitsplatz zu erreichen, weil der Dienstbeginn um 5 Uhr in der Früh gewesen wäre und zu dieser Zeit keine Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln vorhanden wäre, könne nicht als Nachsichtsgrund herangezogen werden. Es sei ermittelt worden, dass die Wegstrecke zwischen dem Arbeitsort K.-Gasse und dem Wohnort der Revisionswerberin genau 2 km betrage und es daher durchaus zumutbar erscheine, diese Wegstrecke zu Fuß zurückzulegen.

Die Dauer des Anspruchsverlusts für acht Wochen wurde damit begründet, dass bereits von 3. Juni 2013 bis 14. Juli 2013 eine Ausschlussfrist verhängt worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Übergangsrevision (§ 4 Abs. 1 erster Satz Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz - VwGbk-ÜG), über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch das Bundesverwaltungsgericht in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

1. Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des AMS vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Diese Bestimmungen sind gemäß § 38 AlVG auch auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Das Nichtzustandekommen eines den Zustand der Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen auf zwei Wegen verschuldet (d.h. dessen Zustandekommen vereitelt) werden: nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermines, Nichtantritt der Arbeit), oder aber, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2013, Zl. 2011/08/0052, mwN).

Ist die Beschäftigung nicht evident unzumutbar und hat das AMS nicht von vornherein Kenntnis von einem die Unzumutbarkeit der Beschäftigung begründenden Umstand, so kann es den Arbeitslosen zu dieser Tätigkeit zuweisen. Sind dem Arbeitslosen keine Anhaltspunkte für die Unzumutbarkeit der Tätigkeit bekannt, so trifft ihn zunächst die Verpflichtung, sich beim potentiellen Dienstgeber vorzustellen. Es liegt an ihm, die näheren Bedingungen der bekanntgegebenen Beschäftigungsmöglichkeit bei einem Vorstellungsgespräch zu erörtern (vgl. auch dazu das soeben zitierte Erkenntnis vom 25. Juni 2013 mwN).

2. Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass die Revisionswerberin zum vereinbarten Arbeitsbeginn nicht erschienen ist und so das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses vereitelt hat. Sie bestreitet allerdings, dass es sich um eine zumutbare Beschäftigung gehandelt hätte, weil der Arbeitsort zum einen nicht rechtzeitig mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar gewesen wäre und sie zum anderen als Vegetarierin mit Fleisch hätte arbeiten müssen.

Dabei handelt es sich jedoch um Umstände, die vorab mit dem Dienstgeber zu klären gewesen wären. Nur wenn sich im Gespräch mit dem Dienstgeber herausgestellt hätte, dass ein späterer Arbeitsbeginn nicht möglich gewesen wäre und dass die Revisionswerberin tatsächlich mit Fleisch hätte hantieren müssen, hätte sich die belangte Behörde näher damit auseinanderzusetzen gehabt, ob die Beschäftigung aus den genannten Gründen unzumutbar gewesen wäre. Die Revisionswerberin behauptet aber nicht, dass sie beim Vorstellungsgespräch irgendwelche Einwände gegen die Beschäftigung geäußert habe. Vielmehr ist sie zunächst ohne Angabe von Gründen nicht zum vereinbarten Arbeitsbeginn erschienen und hat erst im Nachhinein auf Probleme im Zusammenhang mit der Fleischverarbeitung hingewiesen; der Einwand der schweren Erreichbarkeit des Arbeitsorts wurde überhaupt erst in der Berufung erhoben.

Vor diesem Hintergrund durfte die belangte Behörde auch ohne weitere Ermittlungen davon ausgehen, dass die Revisionswerberin eine Vereitelungshandlung im Sinn des § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG gesetzt hat, die zum Anspruchsverlust führt. Dass sie ihrer Berechnung des Arbeitswegs die Entfernung zur nächstgelegenen Haltestelle und nicht die Entfernung zum Arbeitsort zugrunde gelegt hat, ist demnach nicht für das Verfahrensergebnis relevant.

3. Da sich die Revision somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Übergangsfälle" gemäß § 4 iVm § 3 Z 1 der

VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, idF BGBl. II Nr. 8/2014 weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 31. Juli 2014

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