VwGH 2013/22/0027

VwGH2013/22/00277.5.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des M, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 23. August 2012, Zl. 157.860/4-III/4/12, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

EMRK Art8 Abs2;
EMRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3 Z8;
NAG 2005 §43 Abs3;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2014:2013220027.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die Bundesministerin für Inneres (im Folgenden: Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, vom 20. Oktober 2011 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Die Behörde führte aus, dass sich der Beschwerdeführer seit 22. Jänner 2005 im Bundesgebiet befinde. Sein Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesasylamtes, dem Beschwerdeführer zugestellt am 29. August 2005, in erster Instanz in Verbindung mit einer Ausweisung abgewiesen worden. Die dagegen erhobene Beschwerde sei mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 27. März 2009 abgewiesen worden.

Der Beschwerdeführer lebe in einer Lebensgemeinschaft mit einer serbischen Staatsangehörigen, am 11. November 2007 sei der gemeinsame Sohn geboren worden, seine Lebensgefährtin und sein Sohn verfügten über gültige Aufenthaltstitel. Am 13. Juli 2009 habe der Beschwerdeführer einen (ersten) Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 4 NAG eingebracht. Dieser Antrag sei mit erstinstanzlichem Bescheid vom 7. Dezember 2010 als unzulässig zurückgewiesen, die dagegen erhobene Berufung mit Bescheid vom 16. Februar 2011 abgewiesen worden.

Der nunmehr gegenständliche Antrag des Beschwerdeführers vom 20. Oktober 2011 sei mit den familiären Bindungen zu seiner Lebensgefährtin und zu seinem Sohn, mit einem Sprachzeugnis auf dem Niveau A2 und mit einer - noch vorzulegenden - Einstellungszusage begründet worden.

In ihren rechtlichen Erwägungen ging die Behörde davon aus, dass auf Grund der - seit der Erlassung der Ausweisung und seit der ersten Antragstellung - verstrichenen Zeit die Notwendigkeit einer neuerlichen Beurteilung nach Art. 8 EMRK bestehe, was aber nicht bedeute, dass zwangsläufig ein Aufenthaltstitel zu erteilen sei. Die Behörde berücksichtigte bei ihrer Interessenabwägung das vorgelegte Sprachzeugnis, die Lebensgemeinschaft mit einer (in Österreich aufenthaltsberechtigten) serbischen Staatsangehörigen und die Beziehung zum gemeinsamen Sohn. Abweichend vom Vorbringen des Beschwerdeführers sei lediglich ein Sprachzeugnis - nicht aber eine Einstellungszusage - vorgelegt worden. Mit den privaten und familiären Verhältnissen des Beschwerdeführers habe sich bereits der Asylgerichtshof im Zuge seiner Ausweisungsentscheidung auseinandergesetzt. Weiters verwies die Behörde auf den illegalen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit der rechtskräftigen Abweisung seines Asylantrages. Der Beschwerdeführer sei - so die Behörde weiter - von 8. bis 22. Februar 2012 wegen des Verdachts der Vergewaltigung in Haft gewesen. Das diesbezügliche Strafverfahren sei noch offen. Zudem sei er mehrmals wegen Übertretungen nach dem Suchtmittelgesetz zur Anzeige gebracht worden. Insgesamt habe der Beschwerdeführer die österreichische Rechtsordnung massiv missachtet, zumal er nach Erlassung der Ausweisung und nach Abweisung seines Antrages vom 13. Juli 2009 das Bundesgebiet nicht verlassen habe.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die Behörde erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass es sich beim vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall nicht um einen Übergangsfall nach dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, handelt und somit gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

Weiters ist festzuhalten, dass im vorliegenden Fall im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (am 27. August 2012) das NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2011 anzuwenden ist.

§ 43 NAG lautet auszugsweise wie folgt:

"Niederlassungsbewilligung

§ 43. ...

(3) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine 'Niederlassungsbewilligung' zu erteilen, wenn

1. kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt und

2. dies gemäß § 11 Abs. 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

..."

Der Beschwerdeführer moniert zunächst, dass die von ihm im Verfahren vorgelegten Urkunden - sein Sprachzeugnis, die mit 18. Dezember 2011 datierte Einstellungszusage und zahlreiche Unterstützungserklärungen - nicht berücksichtigt worden seien. Das von der Behörde angesprochene Strafverfahren wegen des Verdachts der Vergewaltigung sei von Seiten der Staatsanwaltschaft mit 10. Juli 2012 eingestellt worden. Weiters verweist der Beschwerdeführer auf das Familienleben mit seiner Lebensgefährtin und seinem Sohn sowie auf seinen seit Jänner 2005 durchgehenden Aufenthalt in Österreich.

Der Beschwerde ist einzuräumen, dass die Interessenabwägung durch die Behörde im vorliegenden Fall eingehender ausfallen hätte können. So lässt sich dem angefochtenen Bescheid nicht entnehmen, inwieweit die Behörde auf die in den Verwaltungsakten dokumentierten Unterstützungserklärungen Bedacht genommen hat. Entgegen der Beschwerdeauffassung wurde aber das vorgelegte Sprachzeugnis auf dem Niveau A2 von der Behörde berücksichtigt. Fallbezogen musste in diesen Umständen noch keine für die Erteilung eines Aufenthaltstitels hinreichende soziale Integration gesehen werden. Soweit der Beschwerdeführer die Einstellungszusage ins Treffen führt, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Behörde in Einklang mit den Verwaltungsakten davon ausgegangen ist, eine solche sei nicht vorgelegt worden.

Die Behörde hat ihrer Entscheidung auch die familiären Bindungen des Beschwerdeführers zu seiner Lebensgefährtin und zum gemeinsamen Sohn zugrunde gelegt. Sie durfte aber ebenso berücksichtigen, dass sich der Aufenthalt des Beschwerdeführers auf einen unberechtigten Asylantrag gegründet hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat diesbezüglich wiederholt festgehalten, dass bei der Bewertung des persönlichen Interesses des Beschwerdeführers (an der Erteilung eines Aufenthaltstitels) iSd § 11 Abs. 3 Z 8 NAG berücksichtigt werden kann, dass der Beschwerdeführer auf der Grundlage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, die ihm während des Asylverfahrens zugekommen ist, nicht damit rechnen durfte, dauerhaft in Österreich bleiben zu können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. September 2013, Zl. 2013/22/0220). Im vorliegenden Fall entstanden die familiären Bindungen des Beschwerdeführers zu einem Zeitpunkt, zu dem infolge des unsicheren Aufenthaltes des Beschwerdeführers nicht darauf vertraut werden konnte, dieser werde dauernd in Österreich bleiben können. Dies gilt umso mehr für die Vertiefung der Beziehungen ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der gegen ihn erlassenen Ausweisung.

Weiters hat die Behörde zu Recht darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer weder nach der rechtskräftigen Ausweisung noch nach der Zurückweisung seines ersten Antrags auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung das Bundesgebiet verlassen und dadurch den geltenden fremdenrechtlichen Bestimmungen zuwidergehandelt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zu (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 2013/22/0220, mwN). Die Behörde konnte somit den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers das aus dieser Zuwiderhandlung resultierende gegenläufige öffentliche Interesse (an der Verweigerung des Aufenthaltstitels) gegenüberstellen.

Ausgehend davon sind die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände insgesamt nicht von solchem Gewicht, dass ihm unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ein Aufenthaltstitel hätte erteilt und akzeptiert werden müssen, dass er mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen. Daran vermag auch der Hinweis des Beschwerdeführers darauf, dass das gegen ihn eingeleitete Strafverfahren wegen des Verdachts der Vergewaltigung eingestellt worden sei, letztlich nichts zu ändern, weil die Behörde den Umstand der Inhaftierung aus Anlass dieses Verfahrens zwar angeführt, sich aber für ihre Entscheidung nicht erkennbar entscheidungserheblich darauf gestützt hat.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG sowie § 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, iVm § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 7. Mai 2014

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