VwGH 2013/04/0065

VwGH2013/04/006526.2.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und den Hofrat Dr. Kleiser und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des M K in B, vertreten durch die Aichinger, Bucher & Partner Rechtsanwälte GmbH in 9500 Villach, Italienerstraße 13/5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 12. März 2013, Zl. KUVS-2704-2728/4/2012, betreffend Übertretungen des Maß- und Eichgesetzes (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend), zu Recht erkannt:

Normen

MEG 1950 §15 Z5 lita;
MEG 1950 §63 Abs1;
MEG 1950 §7 Abs2;
MEG 1950 §7 Abs3;
MEG 1950 §8 Abs1;
VStG §9;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten (belangte Behörde) wurde dem Beschwerdeführer im Instanzenzug angelastet, er habe es in 25 im angefochtenen Bescheid (jeweils mit Datum, Ort und Angabe des ungeeichten Messgerätes) näher bezeichneten Fällen (Spruchpunkten) als Bürgermeister und somit als gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Gemeinde B zu verantworten, dass (jeweils) der eichpflichtige Kaltwasserzähler im Versorgungsnetz der Gemeinde, dessen Messwerte zur Verrechnung der Wassergebühren bzw. der Abwasserentsorgung herangezogen würden, bereitgehalten worden sei, obwohl das für den rechtsgeschäftlichen Verkehr verwendete Messgerät nicht gültig geeicht gewesen sei.

Dadurch habe der Beschwerdeführer in den Spruchpunkten 1. bis 25. § 63 Abs. 1 iVm § 7 Abs. 2, § 8 Abs. 1 Z 3 lit. b und § 15 Z 5 lit. a Maß- und Eichgesetz, BGBl. Nr. 152/1950 idF BGBl. I Nr. 115/2010 (MEG), verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 63 Abs. 1 MEG zu den Spruchpunkten 1. bis 25. jeweils eine Geldstrafe von EUR 300,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von je 9 Stunden) verhängt.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, bei den (in den Spruchpunkten) aufgelisteten Messgeräten handle es sich um Kaltwasserzähler, mit denen gemessen werde, wie viel Wasser vom öffentlichen Versorgungsnetz der Gemeinde bezogen werde. Auf Grund des Messergebnisses erfolge die Berechnung der Wassergebühr und der Kanalgebühr.

Im August 2004 habe die Gemeinde B sämtliche Wasserzähler den Hauseigentümern überlassen und führe seitdem auch keine Eichungen mehr durch. Mit dem Schreiben der Gemeinde, in dem der Hauseigentümer aufgefordert werde, den Wasserzählerstand vom Messgerät abzulesen, ergehe auch der Hinweis, der Hauseigentümer solle darauf achten, dass die in seinem Eigentum stehenden Wasserzähler regelmäßig zu eichen seien und die dafür vorgesehene Nacheichfrist 5 Jahre betrage. Ein Grund für die Übertragung der Wasserzähler in das Eigentum der Haueigentümer sei gewesen, dass sich viele Personen vor allem unter den Zweitwohnsitzern im Ausland aufhielten, diese sich im Durchschnitt nur 4 bis 5 Wochen in der Gemeinde aufhielten, sodass es besonders schwierig sei, Zugang zu den Wasserzählern zu erhalten und es einen enormen Verwaltungsaufwand bedeute, wenn eine Eichung von der Gemeinde vorgenommen werden solle.

Der Vertreter des Eichamtes habe ausgesagt, die Anzeige sei deshalb an die Gemeinde gerichtet worden, weil diese Verrechnungen über den Zählerstand des Kaltwasserzählers durchführe. Werde eine Eichung nicht vorgenommen, so komme es abhängig von der Wasserqualität zu falschen Messergebnissen. Seitens des Beschwerdeführers sei bestätigt worden, dass die Messgeräte zur Messung des Wasserverbrauchs verwendet würden.

Unstrittig sei daher, dass die Kaltwasserzähler in der Gemeinde in das Eigentum der Gebäudeeigentümer bzw. Grundeigentümer übertragen worden seien und die Wasserbezugsgebühr sowie die Kanalgebühr durch die Gemeinde nach der von den Kaltwasserzählern gemessenen Wassermenge berechnet werde.

Damit sei klar, dass die aufgelisteten Kaltwasserzähler im rechtsgeschäftlichen Verkehr (zumindest) bereit gehalten würden und damit gemäß § 8 Abs. 1 MEG der Eichpflicht unterlägen.

Aus den Bestimmungen des Kärntner Gemeindewasserversorgungsgesetzes 1997, LGBl. 107 idF LGBl. 42/2010 (K-GWVG), wonach die Eigentümer verpflichtet seien, die zur Ermittlung des Wasserverbrauches erforderlichen Wasserzähler anzubringen (§ 3 Abs. 3), weiters die Gemeinde berechtigt sei, die Errichtung, Erhaltung und Wartung des Wasserzählers zu überwachen und die Beseitigung von Missständen und Mängeln anzuordnen (§ 7 Abs. 1), den Organen und Beauftragten der Gemeinde auch Zutritt zu den Bauwerken und Grundstücken zu gewähren sei (§ 7 Abs. 2) sowie die Gemeinde die Überprüfung des Wasserzählers zu veranlassen habe, wenn dies vom Abgabenschuldner verlangt werde (§ 24 Abs. 3), sei erkennbar, dass selbst wenn der Wasserzähler ins Eigentum des Grundstücksbesitzers übertragen worden sei, dieser nicht frei über diesen verfügen könne. Vielmehr sei z. B. eine Überprüfung des Wasserzählers durch die Gemeinde zu veranlassen.

Die vorliegenden Wasserzähler seien zwar nicht im unmittelbaren Zugriffsbereich der Gemeinde, trotzdem würden sie von der Gemeinde bereitgehalten, um den Wasserbezug zu messen und anhand dieser Messung auch die entsprechende Berechnung des Wasserbezugs bzw. der Kanalbenützung vorzunehmen. Alleine die Tatsache, dass das Messgerät an einem Ort positioniert sei, der dem jederzeitigen Zutritt der Gemeinde nicht obliege, ändere nichts am Verwendungszweck des Messgerätes. Ausgehend davon, dass das MEG bewusst nicht auf die Eigentums-, Besitz- und Inhaberverhältnisse bei der Eichpflicht abstelle, sondern die Eichpflicht demjenigen auftrage, der das Messgerät verwende oder bereithalte, ergäbe sich im Beschwerdefall klar, dass das Messgerät von der Gemeinde zum Messen des Wasserbezugs (zumindest) bereit gehalten worden sei.

Daher liege eine Übertretung nach den im Spruch genannten Bestimmungen des MEG vor.

Sodann folgen Ausführungen zur verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung des Beschwerdeführers als Bürgermeister der Gemeinde B sowie zur Strafbemessung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Vorauszuschicken ist, dass es sich vorliegend um keinen Übergangsfall nach dem VwGbk-ÜG handelt und somit gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

2. Im Beschwerdefall ist entscheidend, ob die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zu Recht vorwerfen durfte, er habe es als Bürgermeister der Gemeinde zu verantworten, dass ungeeichte Kaltwasserzähler im rechtsgeschäftlichen Verkehr bereitgehalten worden seien.

Mit dieser Frage hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits im hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2011, Zl. 2009/04/0152, beschäftigt, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden kann (insbesondere zur maßgeblichen Rechtslage, zur Tatumschreibung des Bereithaltens der Messanlagen im eichpflichtigen Verkehr und zur Verantwortlichkeit des Bürgermeisters ohne Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs. 2 VStG).

3. Die Besonderheit des vorliegenden Beschwerdefalls liegt darin, dass (nach den unstrittigen Feststellungen des angefochtenen Bescheides) die Messgeräte von der Gemeinde in das Eigentum der Gebäudeeigentümer bzw. Grundeigentümer übertragen wurden.

Die belangte Behörde vertritt nun die Auffassung, die Übertragung in das Eigentum der Gebäude- bzw. Grundeigentümer habe nichts daran geändert, dass die ungeeichten Messgeräte weiterhin durch die Gemeinde im rechtsgeschäftlichen Verkehr (zumindest) bereitgehalten worden seien, weil die Wasserbezugsgebühr sowie die Kanalgebühr durch die Gemeinde nach der von den Kaltwasserzählern gemessenen Wassermenge berechnet werde.

Die Beschwerde wendet gegen diese Auffassung zusammengefasst ein, es sei von einem "Bereithalten" durch die jeweiligen Gebäude- bzw. Grundeigentümer auszugehen. Diese seien nach dem K-GWVG verpflichtet, die Wasserzähler anzubringen, nähmen auch die jährlichen Ablesungen vor und hätten im Gegensatz zur Gemeinde einen direkten Zugriff auf die Wasserzähler. Daher treffe ausschließlich die Gebäude- bzw. Grundeigentümer und nicht die Gemeinde die Eichpflicht.

4. Gemäß § 7 Abs. 2 MEG ist dafür verantwortlich, dass das Messgerät geeicht ist, wer ein eichpflichtiges Messgerät verwendet oder bereit hält.

Gemäß § 7 Abs. 3 MEG ist ein Messgerät bereitgehalten im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn die äußeren Umstände erkennen lassen, dass es ohne besondere Vorbereitung in Gebrauch genommen werden kann. Ein Messgerät gilt nicht als bereitgehalten, wenn glaubhaft gemacht werden kann, dass es ausschließlich dekorativen oder musealen Zwecken dient.

Gemäß § 8 Abs. 1 MEG unterliegen der Eichpflicht die in dieser Bestimmung genannten Messgeräte, wenn sie im amtlichen oder im rechtsgeschäftlichen Verkehr verwendet oder bereitgehalten werden.

Twaroch/Freistetter/Leitner gehen davon aus, dass es das MEG vermeide, die Eichpflicht der Messgeräte dem Inhaber, Besitzer oder Eigentümer aufzuerlegen. In der Mehrzahl der Fälle sei der nach § 7 Abs. 2 MEG Verantwortliche gleichzeitig auch der Eigentümer des eichpflichtigen Messgerätes. Etwa bei Elektrizitäts- , Gas- oder Wasserzählern werde das Versorgungsunternehmen für die Erfüllung der Eichpflicht verantwortlich sein, weil von ihm die Anzeige des Messgerätes der Verrechnung zugrunde gelegt werde; auf das Eigentum am Zähler komme es nicht an (Twaroch/Freistetter/Leitner, Maß- und Eichrecht, Akkreditierung von Eich- und Kalibrierstellen (2004), 83, Anm. 1 zu § 7 Abs. 2).

Diese Auffassung kann mit dem Wortlaut insbesondere des § 7 Abs. 3 MEG begründet werden: Diese Bestimmung definiert das Bereithalten iSd MEG und stellt dabei nicht auf die sachenrechtliche Einordnung des Messgerätes (Inhaberschaft, Besitz oder Eigentum), sondern auf die äußeren Umstände ab. Diese müssen erkennen lassen, dass das Messgerät ohne besondere Vorbereitung in Gebrauch genommen - und in diesem Sinne also (im rechtsgeschäftlichen Verkehr) verwendet - werden kann. Somit ist begrifflich ein Konnex zwischen der Verwendung und des Bereithalten im MEG vorgegeben. Das Bereithalten eines Messgerätes ist bereits dann gegeben, wenn einerseits das Messgerät ohne Weiteres im rechtsgeschäftlichen Verkehr benutzt werden kann und andererseits Maßnahmen zur Abwendung einer möglichen Benutzung unterlassen wurden (vgl. zu Letzterem Twaroch/Freistetter/Leitner, aaO, Anm. 2 zu § 7 Abs. 3 MEG).

5. Nach dem festgestellten Sachverhalt ist unstrittig, dass die Wasserzähler von der Gemeinde in das Eigentum der Gebäudeeigentümer bzw. Grundeigentümer übertragen wurden, was beinhaltet, dass sie von der Gemeinde zur Verfügung gestellt wurden. Weiters ist unstrittig, dass die Wasserbezugsgebühr sowie die Kanalgebühr durch die Gemeinde auch nach der Übertragung nach der von den Kaltwasserzählern gemessenen Wassermenge berechnet wurden.

Ausgehend davon ist die belangte Behörde nach der oben angeführten Rechtslage im Beschwerdefall zu Recht davon ausgegangen, dass seitens der Gemeinde ungeeichte Kaltwasserzähler im rechtsgeschäftlichen Verkehr bereitgehalten worden seien.

6. Insoweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang vorbringt, die belangte Behörde habe den Umstand der Zumutbarkeit der Überprüfung der Messgeräte durch die Gemeinde nicht bzw. nur unzureichend berücksichtigt, ist darauf hinzuweisen, dass die maßgeblichen Bestimmungen des MEG über die Eichpflicht nicht auf eine derartige Zumutbarkeit abstellen. Im Hinblick auf die subjektive Tatseite ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der angelasteten Verwaltungsübertretung um ein Ungehorsamsdelikt handelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2011, Zl. 2009/04/0152, mwN). Ausgehend davon hat der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass ihn an der Verletzung dieser Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

7. Die Beschwerde macht schlussendlich geltend, die belangte Behörde habe die unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer von beinahe zwei Jahren nicht als Milderungsgrund (iSd § 35 Abs. 2 StGB) gewertet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass das Gesetz bei der Strafbemessung in einer dem Art. 6 EMRK widersprechenden Weise angewendet wurde, wenn eine überlange Verfahrensdauer nicht festgestellt und strafmildernd bewertet wurde. Die Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist dabei an Hand der besonderen Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Schwierigkeit des Falles, des Verhaltens der Partei und der staatlichen Behörden im betreffenden Verfahren und der Bedeutung der Sache für die Partei zu beurteilen. Die maßgebliche Frist beginnt, sobald die Partei durch offizielle Mitteilung oder auch in sonstiger Weise in Kenntnis gesetzt wird, dass gegen sie wegen des Verdachts, eine strafbare Handlung begangen zu haben, Ermittlungen mit dem Ziel strafrechtlicher Verfolgung durchgeführt werden (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 24. September 2010, Zl. 2009/02/0329, mwN).

Im Beschwerdefall erlangte der Beschwerdeführer durch die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 10. August 2011 (zugestellt am 17. August 2011) erstmals offiziell Kenntnis von dem gegen ihn erhobenen Tatvorwurf; als Anfangszeitpunkt des Verfahrens ist daher dieser Tag anzunehmen. Das Verfahren wurde in zweiter Instanz nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 12. März 2013 abgeschlossen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 21. März 2013 zugestellt.

Ausgehend von einer solcherart errechneten Verfahrensdauer von ca. 19 Monaten kann der belangten Behörde im Beschwerdefall nicht entgegengetreten werden, wenn sie die behauptete überlange Verfahrensdauer nicht als Milderungsgrund berücksichtigt hat (vgl. nochmals das das hg. Erkenntnis vom 24. September 2010, Zl. 2009/02/0329).

8. Da sich die Beschwerde aus diesen Erwägungen als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

9. Von der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art. 6 Abs. 1 EMRK wurde durch die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, einem Tribunal im Sinne der EMRK, Genüge getan.

10. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 26. Februar 2014

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