Normen
MRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die Bundesministerin für Inneres (in der Folge kurz als "Behörde" bezeichnet) den Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Ghana, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck der Familienzusammenführung gemäß § 21 Abs. 1 und Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe am 5. Mai 2011 beim Landeshauptmann von Wien, Magistratsabteilung 35, einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gestellt. Gleichzeitig habe er die Zulassung zur Inlandsantragstellung beantragt.
Im Jahr 2006 - so die weitere Bescheidbegründung - sei der Beschwerdeführer mit einem Reisepass jedoch ohne Visum nach Spanien gereist. Dort habe er weder einen Aufenthaltstitel noch Asyl beantragt. In Spanien habe der Beschwerdeführer im Jahr 2009 seine nunmehrige Gattin, eine in Österreich als Asylberechtigte lebende Staatsangehörige von Guinea, kennengelernt. Im gleichen Jahr habe der Beschwerdeführer seine Ehegattin und deren Tochter, der ebenfalls der Status der Asylberechtigten zukomme, nach Österreich begleitet. Am 2. August 2010 sei der gemeinsame Sohn geboren worden. Der Beschwerdeführer habe seine Ehefrau am 20. Jänner 2011 in Spanien - offenbar während eines dortigen kurzfristigen gemeinsamen Aufenthaltes - geheiratet. Der Beschwerdeführer lebe gemeinsam mit seiner Ehegattin, deren Tochter und dem gemeinsamen Sohn im Familienverband.
Der Antrag auf Zulassung der Inlandsantragstellung sei im Wesentlichen damit begründet worden, dass die Ehegattin in der Kinderbetreuung die Hilfe des Beschwerdeführers benötige. Dem sei entgegenzuhalten, dass der gesundheitliche Zustand der Kinder nicht derart sei, dass ein über das übliche Maß hinausgehendes Bedürfnis an Betreuung erkennbar wäre. Außerdem beziehe die Ehegattin des Beschwerdeführers über die Sozialversicherung Kinderbetreuungsgeld und könne überdies die Wiener Kinderbetreuungsstellen in Anspruch nehmen. Vor allem in Zusammenschau mit dem rechtswidrigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und dem Umstand, dass dieser sein Familienleben zu einem Zeitpunkt begründet habe, als er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus habe bewusst sein müssen, sei eine Ausreise aus dem Bundesgebiet zum Zweck der Antragstellung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zumutbar.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Aktenvorlage erwogen:
Soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist, sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Februar 2012 sind die Bestimmungen des NAG idF des BGBl. I Nr. 112/2011 anzuwenden.
Bei der nach § 21 Abs. 3 NAG erforderlichen Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK berücksichtigte die Behörde den rechtswidrigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich seit 2009, das Entstehen des Privat- und Familienlebens zu einem Zeitpunkt, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sei, bestehende Bindungen zu seinem Heimatstaat, fehlende Kenntnisse der deutschen Sprache und die strafrechtliche Unbescholtenheit. Sie ging weiters davon aus, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers, eine Staatangehörige von Guinea, in Österreich als anerkannter Konventionsflüchtling lebt.
Insgesamt wertete die Behörde die Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet zur Antragstellung aus dem Ausland als zumutbar.
Dies würde allerdings bedeuten, dass der Beschwerdeführer das Familienleben mit seiner Ehefrau, deren Tochter und dem gemeinsamen Sohn vorübergehend entweder aufzugeben hätte oder in einem anderen Land fortsetzen müsste.
Damit kommt dem von der Behörde nicht weiter thematisierten Umstand Bedeutung zu, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers anerkannter Flüchtling ist. Sie hat verkannt, dass bei der Beurteilung, ob ein Eingriff nach Art. 8 EMRK zulässig ist, zu beachten ist, ob eine Fortsetzung des Familienlebens außerhalb Österreichs möglich ist und ob eine aus Asylgründen bedingte Trennung der Familie den Eingriff in das Familienleben als unzulässig werten lassen könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 2013, Zl. 2013/22/0224). In einem solchen Fall ist der damit verbundene Eingriff in das Familienleben zwar nicht jedenfalls unzulässig, es muss dann aber dem öffentlichen Interesse an der Vornahme dieser Maßnahme ein sehr großes Gewicht beizumessen sein, wie etwa bei Straffälligkeit des Fremden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 2012, Zl. 2011/22/0081).
Da es die Behörde - ausgehend von der offenkundigen Rechtsansicht, der Flüchtlingseigenschaft der Ehefrau des Beschwerdeführers komme keine Bedeutung zu - unterließ, Feststellungen zu treffen, ob ein gemeinsames Familienleben außerhalb Österreichs möglich wäre, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014. Wien, am 7. Mai 2014
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