VwGH 2012/17/0554

VwGH2012/17/055429.4.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrat Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag. Nussbaumer-Hinterauer und Dr. Leonhartsberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerden 1. der R AG in Wien und 2. des Dr. HS in Wien, beide vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Partnerschaft von Rechtsanwälten in 1010 Wien, Parkring 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats Wien vom 12. Oktober 2012, Zl. UVS-06/FM/29/10227/2011-2, betreffend Übertretung des Börsegesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

32003L0006 Marktmissbrauch-RL;
32003L0124 MarktmissbrauchDV-RL Art1 Abs2;
62011CJ0019 Geltl VORAB;
BörseG 1989 §48a Abs1 Z1 idF 2009/I/022;
BörseG 1989 §48a Abs1 Z1 lita;
BörseG 1989 §48a Abs1 Z1;
BörseG 1989 §48d Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.546,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Spruchpunkt I. des Straferkenntnisses der Finanzmarktaufsicht (FMA) vom 11. August 2011 wurde dem Zweitbeschwerdeführer zur Last gelegt, es gemäß § 9 Abs. 1 VStG als Vorstand der RI AG zu verantworten zu haben, dass es die RI AG an ihrem Unternehmenssitz unterlassen habe, eine sie unmittelbar betreffende Insider-Information, und zwar, dass der Vorstand der RZ AG beschlossen habe, ein Mergerprojekt zwischen der RZ AG und der RI AG zu starten, ab 4. November 2009

1. unverzüglich gemäß § 48d Abs. 1 BörseG der Öffentlichkeit bekannt zu geben,

2. gemäß § 82 Abs. 7 BörseG vor der Veröffentlichung der FMA mitzuteilen sowie

3. gemäß § 82 Abs. 7 BörseG vor der Veröffentlichung dem Börseunternehmen mitzuteilen.

Der Zweitbeschwerdeführer habe dadurch

zu 1. § 48d Abs. 1 Börsegesetz, BGBl. Nr. 555/1989 idF BGBl. I Nr. 136/2008 iVm § 48a Abs. 1 Z 1 Börsegesetz, BGBl. Nr. 555/1989 idF BGBl. Nr. 22/2009 iVm § 48 Abs. 1 Z 2 Börsegesetz, BGBl. Nr. 555/1989 idF BGBl. I Nr. 60/2007,

zu 2. § 82 Abs. 7 Börsegesetz, BGBl. Nr. 555/1989 idF BGBl. I Nr. 22/2009 iVm § 48 Abs. 1 Z 6 Börsegesetz, BGBl. Nr. 555/1989 idF BGBl. I Nr. 60/2007, und

zu 3. § 82 Abs. 7 Börsegesetz, BGBl. Nr. 555/1989 idF BGBl. I Nr. 22/2009 iVm § 48 Abs. 1 Z 6 Börsegesetz, BGBl. Nr. 555/1989 idF BGBl. I Nr. 60/2007,

verletzt. Es wurden hiefür zu

  1. 1. eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 18.000,--, zu
  2. 2. eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 6.000,-- und zu
  3. 3. eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 6.000,--,

    und für den Fall der Uneinbringlichkeit jeweils eine Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt.

    Die Information sei jedenfalls ab Ende der Vorstandsklausur der RZ AG am 4. November 2009 als Insiderinformation vorgelegen. Bei dieser Information habe es sich um eine öffentlich nicht bekannte, genaue Information gehandelt, die direkt die RI AG betroffen habe und die, wenn sie öffentlich bekannt geworden wäre, geeignet gewesen wäre, den Kurs der Aktien der RI AG erheblich zu beeinflussen, weil sie ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung genutzt hätte.

    Erst mit der Veröffentlichung der Ad-hoc-Meldung der RI AG vom 22. Februar 2010 sei bekannt gegeben worden, dass die Vorstände der RI AG und der RZ AG derzeit als eine von mehreren möglichen strategischen Optionen den Zusammenschluss von RI AG und RZ AG genauer prüfen ließen.

    Mit Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Bescheides wurde ausgesprochen, dass die RI AG gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die über den Zweitbeschwerdeführer verhängte Geldstrafe und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand hafte.

    Im Strafbescheid der FMA wurde als entscheidungsrelevanter Sachverhalt neben den Daten zu den beteiligten Gesellschaften und der Stellung des Zweitbeschwerdeführers in der RI AG und eines weiteren Vorstandsmitglieds, welches für die Erstattung von Ad-hoc-Meldungen zuständig war (es handelt sich dabei um den Beschwerdeführer zur hg. Zl. 2012/17/0563), Folgendes festgestellt:

    Am 22. Februar 2010 hätten die RI AG und die RZ AG über den Zusammenschluss der RI AG mit wesentlichen Teilen des Bankbetriebs der RZ AG als eine mögliche strategische Option informiert. In Reaktion auf diese Meldung sei der Kurs der RI-Aktie innerhalb der nächsten drei Handelstage massiv unter Druck geraten und um mehr als 20 % gesunken.

    Am 19. April 2010 hätten die Vorstände der beiden Unternehmen ihre Entscheidung bekannt gegeben, die Verschmelzung den Aktionären der beteiligten Gesellschaften zum Beschluss vorzulegen. Auf den Hauptversammlungen der RZ AG und ihrer 100 %- Tochtergesellschaft C Beteiligungs AG am 7. Juli 2010 und auf jener der RI AG am 8. Juli 2010 hätten die Anteilseigner mit der erforderlichen Dreiviertelmehrheit der der Verschmelzung vorangehenden Spaltung bzw. der Fusion zugestimmt. Die Spaltung sei am 9. Oktober 2010 und die Verschmelzung am 10. Oktober 2010 ins Firmenbuch eingetragen worden. Mit Firmenbucheintragung sei auch die Transaktion wirksam geworden.

    Für den Zusammenschluss seien in einem ersten Schritt die zu fusionierenden Geschäftsbereiche der RZ AG abgespalten und auf die C Beteiligungs AG übertragen worden. Anschließend sei die C Beteiligungs AG in die RI AG verschmolzen worden.

    Durch die Verschmelzung sei die auf die Märkte Zentral- und Osteuropas fokussierte RI AG mit den Hauptgeschäftsfeldern der RZ AG zusammengeführt worden. Ausgenommen von der Fusion sei das Geschäft der RZ AG, das mit ihrer Funktion als Spitzeninstitut der R Bankengruppe Österreich verbunden sei.

    Die RZ AG sei Mehrheitsaktionärin der RI AG. Bis zur Wirksamkeit der Fusion habe die RZ AG mittelbar rund 72,8 % der RI-Aktien gehalten. Nach der Fusion habe sich der mittelbare Anteil der RZ AG an der neuen RBI AG auf rund 78,5 % erhöht. Die übrigen rund 21,5 % befänden sich im Streubesitz von nationalen sowie internationalen institutionellen Investoren und Privatanlegern.

    Zwischen der RZ AG und der RI AG bestehe eine enge personelle Verflechtung. So sei der Zweitbeschwerdeführer bis zur Wirksamkeit der Fusion sowohl Vorstandsmitglied der RZ AG als auch der RI AG gewesen. Die übrigen bis zur Wirksamkeit der Fusion bestellten Vorstandsmitglieder der RZ AG seien bis zur Wirksamkeit der Fusion alle auch Aufsichtsratsmitglieder der RI AG gewesen.

    In der Folge wurde im erstinstanzlichen Bescheid der Fusionsprozess im Detail dargestellt. Im Herbst 2008 seien generelle strategische Optionen der RZ-Gruppe in alle möglichen Richtungen angedacht worden. Im Herbst 2009 sei die Diskussion erneut auf "High-Level-Basis" aufgenommen worden. Im September bzw. Oktober 2009 seien insgesamt 17 verschiedene Optionen über die zukünftige Entwicklung der RZ-Gruppe evaluiert und vom RZ-Vorstand "aus dem Bauchgefühl heraus mit Schulnoten bewertet" worden.

    Am 4. November 2009 habe von 9.00 bis 15.15 Uhr eine Vorstandsklausur der RZ AG stattgefunden, bei welcher der gesamte damalige RZ-Vorstand mit Ausnahme von Herrn B anwesend gewesen sei. Der Zweitbeschwerdeführer sei zu diesem Zeitpunkt nicht nur Vorstandsmitglied der RZ AG, sondern auch Vorstandsvorsitzender der RI AG gewesen.

    Nach Abhandlung des ersten Tagesordnungspunktes (Dekonsolidierung RI AG) hätten Mitarbeiter des Bereichs Corporate Development der RZ AG "Überlegungen und Auswirkungen eines Mergers zwischen RZ AG und RI AG präsentiert und analysiert". Weiters seien die möglichen Zeitpläne, insbesondere auch in Abstimmung mit einem Secondary Public Offering (SPO) dargestellt worden.

    Anschließend seien in der Vorstandsklausur etwaige Vor- und Nachteile einer solchen Transaktion, der richtige Zeitpunkt, die Frage mit/ohne Kapitalerhöhung, Funding, mögliche Auswirkungen auf Rating und Börsekurs sowie die Effekte auf die R-Kundengarantiegemeinschaft Österreich (RKÖ) umfassend diskutiert worden. Man habe sich auch kritisch mit anderen Optionen auseinander gesetzt.

    Hervorgehoben wurde im erstinstanzlichen Bescheid weiters eine Wortmeldung des Zweitbeschwerdeführers, wonach "bei Bekanntgabe des Mergers mit einem (kurzfristigen) Kursabsturz von rund 20 % bis 25 %" zu rechnen sei. Diese Aussage des Zweitbeschwerdeführers habe sich auf eine unkontrollierte Bekanntgabe des Mergers, also auf eine Veröffentlichung des Mergers ohne Bekanntgabe weiterer, detaillierter (genauerer) Informationen zur geplanten Transaktion bezogen.

    Schließlich sei am Ende der Vorstandsklausur von allen anwesenden Vorstandsmitgliedern der RZ AG einstimmig der Beschluss gefasst worden, ein Mergerprojekt zwischen der RZ AG und der RI AG zu starten.

    Die tatsächliche Umsetzung des Fusionsprojektes sei am 4. November 2009 zwar offen, aber nicht unwahrscheinlich gewesen.

    Weder am 4. November 2009 noch zu irgendeinem späteren Zeitpunkt sei von der RI AG die Entscheidung getroffen worden, die Bekanntgabe der Information, dass ein Mergerprojekt zwischen RZ AG und RI AG gestartet worden sei, aufzuschieben.

    Im erstinstanzlichen Bescheid werden sodann die nächsten Schritte, nämlich "Festlegung der Projektstruktur, Argumentarium gegenüber dem Sektor, Gespräche zwischen Herrn Dr. R und Präsident K sowie den Generaldirektoren der drei großen Landeszentralen, der Effekt auf Rating/Fundingkosten (inkl. Konsultation der Deutschen Bank AG), Agenda Holding sowie die Klärung der Verwendung von Partizipationskapital", dargestellt.

    Auf Grund der von der RZ-Gruppe unterstellten hohen Kursrelevanz des Projektes für den Fall einer endgültigen Entscheidung sei unmittelbar bzw. kurz nach dem Start des Projekts auch ein Ad-hoc-Vertraulichkeitsbereich gebildet worden und seien die mit vertraulichen Informationen aus dem Projekt befassten Mitarbeiter sowie externe Berater, welche zunehmend in das Projekt eingebunden worden seien, entsprechend dem RZ AG-internen Compliance-Regelwerk in diesem Vertraulichkeitsbereich erfasst worden.

    Im erstinstanzlichen Bescheid werden sodann die weiteren innerhalb der RI AG gesetzten Schritte dargestellt. Am 22. Februar 2010 seien nachmittags laut APA-Meldung Gerüchte über Pläne für eine komplette Umstrukturierung des R-Konzerns kursiert. Reuters habe unter Berufung auf mehrere Informanten berichtet, dass McKinsey bis Ende März ein diesbezügliches Konzept vorlegen solle.

    Da die Mutmaßungen grundsätzlich dem Sachstand entsprochen hätten, habe es die RI AG auf Grund ihrer Börsennotierung als erforderlich angesehen, den Markt über die vorgenommene Evaluierung strategischer Optionen, insbesondere eines möglichen Zusammenschlusses von RI AG und RZ AG zu informieren.

    Die daraufhin am 22. Februar 2010 veröffentlichten Ad-hoc-Meldungen wurden im erstinstanzlichen Bescheid wiedergegeben. Nach umfangreicher Darlegung der Beweiserhebung und Beweiswürdigung wurde in einer detaillierten Darstellung die rechtliche Begründung für die Annahme der Behörde erster Instanz, dass eine genaue Information im Sinn des § 48a Abs. 1 Z 1 lit. a BörseG vorgelegen sei, gegeben. Die Behörde erster Instanz vertrat insbesondere die Auffassung, dass es nicht stets auf die Eintrittswahrscheinlichkeit des zukünftigen Umstandes ankomme. Abschließend wurde die Strafbemessung begründet.

1.2. Gegen diesen Bescheid wurde Berufung erhoben. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis. Dem Zweitbeschwerdeführer wurde gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG die Zahlung eines Beitrags zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von insgesamt EUR 6.000,-- vorgeschrieben.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides aus, der Zweitbeschwerdeführer bestreite, "dass bereits der Start des Merger-Projektes, der - mit Unwägbarkeiten und Unsicherheiten behaftet - am 4. 11. 2009 als eine mögliche Option beschlossen worden sei, als Insiderinformation zu qualifizieren sei". Zu diesem Zeitpunkt habe es noch keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für ein bestimmtes Ergebnis des offenen Prüfungsprozesses gegeben.

Nach Wiedergabe wesentlicher Aussagen in der mündlichen Verhandlung sowohl des Zweitbeschwerdeführers als auch von Zeugen wird festgehalten, dass der bereits von der Erstbehörde im erstinstanzlichen Bescheid festgestellte Sachverhalt unbestritten sei. Daraus ergebe sich im Einklang mit der Aussage des Zeugen Dr. K in der mündlichen Verhandlung der von der belangten Behörde im Folgenden festgestellte Sachverhalt.

Die RI AG sei eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Wien, deren Aktien im Amtlichen Handel, Marktsegment Prime Market, der Wiener Börse zu einer bestimmten ISIN-Nr. notierten. Die Mehrheit der Aktien der RI AG seien von der RZ AG gehalten worden, die übrigen Aktien hätten sich im Streubesitz von nationalen sowie internationalen institutionellen Investoren und Privatanlegern befunden.

Der Zweitbeschwerdeführer sei seit 14. Juni 2001 sowie im Zeitraum vom 4. November 2009 bis 22. Februar 2010 Vorstand der RI AG gewesen. Nach der internen Ressortverteilung im Vorstand der RI AG sei die Verantwortung zur Erstellung von Ad-hoc-Meldungen im Zuständigkeitsbereich des Vorstandsmitglieds Mag. G gewesen.

Bereits im Jahr 2008 seien in der RZ AG strategische Optionen für die Zukunft der RZ-Gruppe angedacht worden, so seien damals von Investmentbanken dem RZ AG-Vorstand ein Projekt eines möglichen Zusammenschlusses mit der RI AG unter Beibehaltung einer Holdingfunktion für die dann verbleibende RZ AG vorgestellt worden.

Nach der Insolvenz von Lehman Brothers seien die angedachten Optionen betreffend Umstrukturierung im Konzern vorläufig nicht weiter verfolgt worden und Fragen der Eigenkapitalausstattung im Vordergrund gestanden. Wegen der Sorge, dass sich die RI AG und RZ AG auseinander entwickelten und sich im Kundengeschäft bei Commerzkunden konkurrenzierten, seien Überlegungen hinsichtlich einer verstärkten Zusammenführung von RI AG und RZ AG im Konzern weiter verfolgt worden.

Die belangte Behörde stellte im Anschluss daran in weitgehender Übernahme der Sachverhaltsfeststellungen der Erstbehörde den Verlauf der Vorstandsklausur vom 4. November 2009 dar, wobei zusätzlich festgehalten wird, dass sich einer der Teilnehmer beim Zweitbeschwerdeführer erkundigt habe, wie dringend die RI AG eine Kapitalerhöhung benötige. Der Zweitbeschwerdeführer habe geantwortet, dass die RI AG ohne Verschärfung der Krise sowie ohne Akquisition bis zum 4. Quartal 2010 wohl das Auslangen finden werde. Dr. R habe darauf verwiesen, dass im präsentierten Merger-Modell neues Kapital bereits "in 6/2010 fließen würde". Der Zweitbeschwerdeführer habe nach Argumenten gesucht, um solch einen Schritt dem Sektor überzeugend verkaufen zu können. Dr. R habe in der dramatisch sinkenden Kapital- und Funding-Belastung für die Landeszentralen den entscheidenden Mehrwert aus der Sicht des Sektors gesehen, der Zweitbeschwerdeführer habe mehrmals den wirtschaftlichen Mehrwert der Transaktion hinterfragt und geäußert, er rechne bei Bekanntgabe des Mergers mit einem kurzfristigen Kursabsturz von 20 bis 25 %. Dr. St habe appelliert, rasch an die Umsetzung zu gehen, um die Krisenresistenz der Gruppe deutlich zu steigern.

Die belangte Behörde gab sodann den vom Vorstand der RZ AG am 4. November 2009 gefassten Beschluss wieder, "auf Basis der Ergebnisse Herbst 2008 ein Mergerprojekt zwischen RZ AG und RI zu starten", und listete die im Beschluss genannten "nächste Schritte" (sieben Punkte) auf. Abgesehen vom Mergerprojekt seien vorläufig keine zusätzlichen Alternativen ernsthaft weiter verfolgt worden.

Infolge des Vorstandsbeschlusses vom 4. November 2009 seien Due-Diligence-Prüfungen konzernintern bzw. durch beigezogene externe Experten durchgeführt, gesellschaftsrechtliche Fragen abgeklärt und erörtert worden, welche Auswirkungen eine Zusammenführung von RZ AG und RI AG auf die von der RZ AG nach englischem Recht emittierten Anleihen haben könnte (mögliche Fälligstellung). An dem Projekt sei u.a. in wöchentlich stattfindenden Jours Fixes gearbeitet und dazu Reports erstellt worden. Beschlüsse dazu seien auf Grund der Berichte in einem etwa alle drei Wochen tagenden Steering Committee gefasst worden, dem u. a. Dr. R von der RZ AG und der Zweitbeschwerdeführer, damals im Vorstand der RZ AG und der RI AG, angehört hätten.

Die mit vertraulichen Informationen zum Projekt Befassten seien entsprechend dem RZ AG-internen Compliance-Regelwerk in einem Ad-hoc-Vertraulichkeitsbereich erfasst worden.

Wie der Zeuge Dr. K in der Berufungsverhandlung angegeben habe, hätten alle Vorstandsmitglieder der RI AG Vertraulichkeitserklärungen unterschrieben, inhaltlich näher befasst sei mit dem Mergerprojekt aber nur der Zweitbeschwerdeführer und das oben bereits genannte Vorstandsmitglied Mag. G gewesen.

Die Compliance-Agenden und auch die Vornahme von Ad-hoc-Meldungen seien von der entsprechenden Abteilung der RZ AG auch für die RI AG wahrgenommen worden.

Nachdem am 22. Februar 2010 nachmittags Gerüchte über Pläne für eine komplette Umstrukturierung des R-Konzerns in der Medienöffentlichkeit aufgetaucht seien, seien von der RI AG zwei Ad-hoc-Mitteilungen veröffentlicht und zuvor an die FMA und die Wiener Börse AG übermittelt worden. In der Folge wurden die beiden Meldungen vom 22. Februar 2010 (19.51 und 19.56 Uhr) im Wortlaut wiedergegeben.

Der Kurs der RI-Aktie sei innerhalb der nächsten drei Handelstage massiv unter Druck geraten und um mehr als 20 % gesunken.

Am 19. April 2010 habe die RI AG weitere Details zur geplanten Fusion veröffentlicht. In der Folge wurden im angefochtenen Bescheid wesentliche Passagen dieser Meldung im Wortlaut wiedergegeben.

Am 7. Juli 2010 sei von der RZ-Hauptversammlung die Abspaltung der betreffenden Geschäftsbereiche der RZ AG beschlossen worden. Diese seien im Zuge der Fusion in die 100- prozentige, indirekt gehaltene RZ AG-Tochter C übertragen worden. Ebenfalls am 7. Juli 2010 habe auch die Hauptversammlung der C stattgefunden, die die Verschmelzung der C mit der RI AG genehmigt habe. Am 8. Juli 2010 habe die Hauptversammlung der RI AG stattgefunden, die die Verschmelzung der C mit der RI AG beschlossen habe.

Am 11. Oktober 2010 habe die neue RBI den Betrieb aufgenommen, nachdem die Spaltung am 9. Oktober 2010 und die Fusion am 10. Oktober 2010 in das Firmenbuch eingetragen worden sei.

Weder am 4. November 2009 noch zu irgendeinem späteren Zeitpunkt sei von der RI AG die Entscheidung getroffen worden, die Bekanntgabe der Information, dass ein Beschluss über den Start eines Mergerprojektes zwischen RZ AG und der RI AG gefasst worden sei, aufzuschieben.

Nach Wiedergabe der §§ 48a Abs. 1 und 48d Börsegesetz, BGBl. Nr. 555/1989 (ersterer in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2009, letzterer in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2008) und des § 82 Börsegesetz in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2009 sowie des § 48 Börsegesetz in der Fassung BGBl. I Nr. 60/2007 wird festgestellt, dass auf Grund der Notierung der Aktien der RI AG im Amtlichen Handel die RI AG Emittentin von Finanzinstrumenten gewesen sei.

Die Information über den Beschluss im Vorstand der RZ AG einer möglichen Fusion zwischen RZ AG und RI AG sei bis zum 22. Februar 2010 unstrittig nicht öffentlich bekannt gewesen.

Dass die RI AG als Emittentin von Aktien von dem Beschluss, ihre Fusion mit wesentlichen Teilen der RZ AG voranzutreiben, direkt betroffen gewesen sei, liege auf der Hand und sei auch nie bestritten worden. Das Merging-Projekt habe im Juli bzw. Oktober (2010) durch Fassung der Organbeschlüsse über Spaltung und anschließende Fusion sowie mit den Eintragungen im Firmenbuch seinen Abschluss gefunden. Dem vorangegangen sei ein Prozess, in dem Due-Diligence-Prüfungen durchgeführt und Rechtsfragen abgeklärt worden seien (etwa gesellschaftsrechtlicher Natur oder hinsichtlich der nach englischem Recht begebenen Anleihen der RZ AG). Seinen Ausgang habe dieser - der Natur der Sache entsprechend einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmende - Vorgang in dem in Rede stehenden Beschluss des Vorstandes der RZ AG vom 4. November 2009, nämlich dieses Merger-Projekt - und keine andere der zuvor seit 2008 ventilierten Optionen (etwa Kapitalerhöhung, Zusammenschluss mit Teilen des Volksbankensektors, Hereinnahme eines strategischen Investors) - in Angriff zu nehmen, genommen.

Auch wenn naturgemäß die Ergebnisse der mit dem Vorstandsbeschluss vom 4. November 2009 über den Start des Merger-Projektes in Angriff genommenen Schritte im Zeitpunkt des Beschlusses noch nicht festgestanden seien, so sei doch "unbeschadet der Wahrscheinlichkeit, dass das Ergebnis letztlich zu einem Merging führt", jedenfalls schon in dem Beschluss vom 4. November 2009 eine genaue Information zu erblicken. Bereits dieser Beschluss habe als Faktum für sich genommen konkrete Schlüsse für einen verständigen Anleger und Auswirkungen auf den Kurs der RI AG-Aktie zugelassen. Dies zeige sich anschaulich daran, dass bereits der Zweitbeschwerdeführer - ex ante - in der Vorstandsklausur vom 4. November 2009 selbst auf zu erwartende Kurseinbrüche von an die 20 bis 25 % hingewiesen habe. Diese Einschätzung sei letztlich auch empirisch bestätigt worden, indem nach der - durch gerüchteweise in den Medien aufgetauchte Informationen veranlassten - Ad-hoc-Meldung vom 22. Februar 2010 der Kurs der RI AG-Aktie tatsächlich um 20 % nachgegeben habe. Festzustellen sei in diesem Zusammenhang, dass am 22. Februar 2010 (lediglich) bekanntgegeben worden sei, dass die RI AG und die RZ AG einen Zusammenschluss als eine von mehreren Optionen prüften, also etwa jene Information, die bereits am 4. November 2009 ab dem beschlossenen Start des Merger-Projektes vorgelegen sei, ohne dass für die Öffentlichkeit der Grad der Wahrscheinlichkeit, dass es zum Zusammenschluss kommen werde, ersichtlich gewesen sei.

Auch eine Information über einen Zwischenschritt eines zeitlich gestreckten Vorganges könne sehr wohl eine genaue Information im Sinn des § 48a Abs. 1 BörseG darstellen (dazu wird auf das Urteil des EuGH vom 28. Juni 2012 zum Begriff der Insider-Information im Sinn der Richtlinien 2003/6/EG und 2003/124/EG in der Rechtssache C-19/11 , Markus Geltl, hingewiesen).

Durch die erstzitierte Richtlinie solle die Integrität der Finanzmärkte der Union sichergestellt und das Vertrauen der Anleger in diese Märkte gestärkt werden. Dieses Vertrauen beruhe insbesondere darauf, dass die Anleger einander gleichgestellt und u. a. vor der unrechtmäßigen Verwendung von Insider-Informationen geschützt würden. Die Integrität des Marktes werde (zu ergänzen offenbar: durch) die unverzügliche und angemessene öffentliche Bekanntgabe von Informationen gefördert, während eine selektive Weitergabe von Informationen durch Emittenten dazu führen könne, dass das Vertrauen der Anleger in die Integrität der Finanzmärkte schwinde. Würden die Begriffe "Reihe von Umständen" und "Ereignis" dahin ausgelegt, dass Zwischenschritte eines zeitlich gestreckten Vorganges außer Betracht blieben, bestünde die Gefahr einer Beeinträchtigung der genannten Ziele. Wäre nämlich ausgeschlossen, dass eine Information, die einen Schritt eines zeitlich gestreckten Vorgangs betreffe, präziser Natur im Sinne von Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/6 sein könne, würde die in ihrem Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 vorgesehene Verpflichtung, diese Information der Öffentlichkeit bekannt zu geben, entfallen, auch wenn sie ganz spezifischen Charakter hätte und auch die übrigen Tatbestandsmerkmale einer Insider-Information vorlägen. In einer solchen Situation könnten sich bestimmte Inhaber dieser Information in einer günstigeren Position als die anderen Anleger befinden und daraus zum Nachteil derjenigen, die die Information nicht kennten, Nutzen ziehen. Das Risiko, dass eine solche Situation eintrete, wäre umso höher, als es unter bestimmten Umständen möglich wäre, das Ergebnis eines konkreten Vorgangs als Zwischenschritt eines anderen, umfassenderen Vorgangs zu qualifizieren.

Der am 4. November 2009 gefasste Beschluss, ein Merger-Projekt zwischen der RZ AG und der RI AG zu starten, sei daher für sich genommen als Insider-Information im Sinn des die zitierten EU-Richtlinien umsetzenden § 48a Abs. 1 Z 1 Börsegesetz zu erachten und nicht erst das zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Start des Projekts in seiner Eintrittswahrscheinlichkeit noch nicht quantifizierbare tatsächliche Zustandekommen des Mergers.

Bereits der Beschluss über den Start eines Merger-Projektes zwischen der RZ AG und der RI AG in der Vorstandsklausur der RZ AG vom 4. November 2009 sei daher ein Ereignis, dessen Bekanntwerden bei einer ex ante-Betrachtung geeignet erschienen sei, den Kurs von Finanzinstrumenten, im konkreten Fall der Aktie der RI AG, erheblich zu beeinflussen.

Die RI AG sei daher verpflichtet gewesen, die ihr in Person ihres Organes, des Zweitbeschwerdeführers, am 4. November 2009 vorgelegene Information, dass der Vorstand der RZ AG am 4. November 2009 beschlossen habe, ein Merger-Projekt zwischen RZ AG und RI AG zu starten, als eine Insider-Information im Sinne des § 48a Abs. 1 Z 1 lit. a BörseG unverzüglich zu veröffentlichen und davor der FMA und dem Börseunternehmen mitzuteilen. Dies sei nicht getan worden, sondern sei eine Ad-hoc-Meldung erst am 22. Februar 2010 erfolgt, also erst mehr als zweieinhalb Monate nach dem Ereignis. Dies könne - unbeschadet der Frage, ob die Meldung die zu veröffentlichende Information vollständig und korrekt wiedergebe - keinesfalls als "ohne unnötigen Aufschub" angesehen werden.

Der objektive Tatbestand der dem Zweitbeschwerdeführer angelasteten Übertretung gemäß §§ 48d Abs. 1 in Verbindung mit 48a Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit 48 Abs. 1 Z 2 BörseG sowie der dem Zweitbeschwerdeführer angelasteten Übertretungen gemäß § 82 Abs. 7 in Verbindung mit § 48 Abs. 1 Z 6 BörseG sei somit jeweils erfüllt.

Nach Ausführungen zur subjektiven Tatseite und zur Strafbemessung, in denen insbesondere festgehalten wurde, dass die von der Erstbehörde festgesetzte Strafe dem Unrechtsgehalt der Taten und dem Grad des Verschuldens des Zweitbeschwerdeführers angemessen erschienen, wurde ausgeführt, dass die Geldstrafen auch in Anbetracht der im Schätzungswege anzunehmenden überdurchschnittlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Zweitbeschwerdeführers nicht überhöht erschienen.

Eine Herabsetzung der verhängten Strafen sei daher nicht in Betracht gekommen.

Abschließend wird hinsichtlich der Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens auf § 64 Abs. 1 und 2 VStG verwiesen.

1.3. Gegen diesen Bescheid richten sich die vorliegenden Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

1.4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet und den Zuspruch der Kosten für die Aktenvorlage beantragt.

 

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der Rechtssachen in dem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

2.1.1. Gemäß § 79 Abs. 11 VwGG in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

2.1.2. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Börsegesetzes 1989, BGBl. Nr. 555/1989, in der 2009 geltenden Fassung (§ 48 und § 48d in der Fassung BGBl. I Nr. 60/2007, § 48a und § 82 Abs. 7 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2009), lauten:

"Strafbestimmungen

§ 48. (1) Wer

  1. 1. ...,
  2. 2. gegen eine Verpflichtung gemäß § 48d Abs. 1 bis 6, 9 oder 10, erster Satz, oder gemäß § 48f oder gegen eine Verpflichtung gemäß einer auf Grund von § 48d Abs. 11 oder § 48f Abs. 10 erlassenen Verordnung der FMA verstößt, oder einen Beschuldigten entgegen einem gemäß § 48q Abs. 3 verhängten Berufsverbot beschäftigt,

    ...

    6. als Emittent seine Verpflichtung zur

    Veröffentlichung, Übermittlung oder Mitteilung gemäß den §§ 75a und 82 bis 89 nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt oder seine Verpflichtungen gemäß § 82 Abs. 5 verletzt,

    ...

    begeht eine Verwaltungsübertretung und ist hinsichtlich der Z 1 mit einer Geldstrafe bis zu 50 000 Euro und hinsichtlich der Z 2 bis 8 mit einer Geldstrafe bis zu 30 000 Euro zu bestrafen, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

    ...

(4) Verwaltungsstrafen gemäß Abs. 1, 2 und 5 sowie gemäß § 44 Abs. 1 werden von der FMA verhängt. Das VStG ist anzuwenden. Das Börseunternehmen ist hinsichtlich der Abs. 1 und 2 und des § 44 Abs. 1 verpflichtet, der FMA die ihm bekannt gewordenen, maßgeblichen Sachverhalte unaufgefordert, vollständig und unverzüglich bekannt zu geben.

...

§ 48a. (1) Für Zwecke der §§ 48a bis 48r gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1. 'Insider-Information' ist eine öffentlich nicht

bekannte, genaue Information, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs sich darauf beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen, weil sie ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde.

a) Eine Information gilt dann als genau, wenn sie eine

Reihe von bereits vorhandenen oder solchen Tatsachen und Ereignissen erfasst, bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft eintreten werden, und darüber hinaus bestimmt genug ist, dass sie einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Tatsachen oder Ereignisse auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten zulässt.

..."

"§ 48d (1) Die Emittenten von Finanzinstrumenten haben Insider-Informationen, die sie unmittelbar betreffen, unverzüglich der Öffentlichkeit bekannt zu geben. Das Eintreten einer Reihe von Umständen oder eines Ereignisses - obgleich noch nicht formell festgestellt - ist von den Emittenten unverzüglich bekannt zu geben. Alle erheblichen Veränderungen im Hinblick auf eine bereits offengelegte Insider-Information sind unverzüglich nach dem Eintreten dieser Veränderungen bekanntzugeben. Dies hat auf demselben Wege zu erfolgen wie die Bekanntgabe der ursprünglichen Information. Die Veröffentlichung einer Insider-Information an das Publikum hat so zeitgleich wie möglich für alle Anlegerkategorien in den Mitgliedstaaten, in denen diese Emittenten die Zulassung ihrer Finanzinstrumente zum Handel auf einem geregelten Markt beantragt oder bereits erhalten haben, zu erfolgen. Die Emittenten haben alle Insider-Informationen, die sie der Öffentlichkeit bekannt geben müssen, während eines angemessenen Zeitraums auf ihrer Internet-Seite anzuzeigen.

(2) Ein Emittent kann die Bekanntgabe von Insider-Informationen gemäß Abs. 1 erster Satz aufschieben, wenn diese Bekanntgabe seinen berechtigten Interessen schaden könnte, sofern diese Unterlassung nicht geeignet ist, die Öffentlichkeit irrezuführen, und der Emittent in der Lage ist, die Vertraulichkeit der Information zu gewährleisten.

1. Berechtigte Interessen liegen insbesondere vor bei:

a) laufenden Verhandlungen oder damit verbundenen

Umständen, wenn das Ergebnis oder der normale Ablauf dieser Verhandlungen von der Veröffentlichung wahrscheinlich beeinträchtigt werden würden. Insbesondere wenn die finanzielle Überlebensfähigkeit des Emittenten stark und unmittelbar gefährdet ist - auch wenn er noch nicht unter das geltende Insolvenzrecht fällt - kann die Bekanntgabe von Informationen für einen befristeten Zeitraum verzögert werden, sollte eine derartige Bekanntgabe die Interessen der vorhandenen und potentiellen Aktionäre ernsthaft gefährden, indem der Abschluss spezifischer Verhandlungen vereitelt werden würde, die eigentlich zur Gewährleistung einer langfristigen finanziellen Erholung des Emittenten gedacht sind;

b) einer vom Geschäftsführungsorgan eines Emittenten

getroffenen Entscheidung oder bei abgeschlossenen Verträgen, wenn diese Maßnahmen der Zustimmung durch ein anderes Organ des Emittenten bedürfen, sofern die Struktur eines solchen Emittenten die Trennung zwischen diesen Organen vorsieht und eine Bekanntgabe der Informationen vor der Zustimmung zusammen mit der gleichzeitigen Ankündigung, dass diese Zustimmung noch aussteht, die korrekte Bewertung der Informationen durch das Publikum gefährden würde.

2. Die Emittenten haben, um die Vertraulichkeit von

Insider-Informationen zu gewährleisten, den Zugang zu diesen

Informationen zu kontrollieren. Insbesondere haben sie

a) wirksame Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern,

dass andere Personen als solche, deren Zugang zu Insider-Informationen für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben innerhalb des emittierenden Instituts unerlässlich ist, Zugang zu diesen Informationen erlangen;

b) die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um zu

gewährleisten, dass jede Person, die Zugang zu derlei Informationen hat, die sich daraus ergebenden rechtlichen Pflichten anerkennt und sich der Sanktionen bewusst ist, die bei einer missbräuchlichen Verwendung bzw. einer nicht ordnungsgemäßen Verbreitung derartiger Informationen verhängt werden;

c) die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, die eine

unmittelbare Bekanntgabe der Informationen für den Fall gestatten, dass der Emittent nicht in der Lage war, die Vertraulichkeit der entsprechenden Insider-Informationen unbeschadet des Abs. 3 zweiter Satz zu gewährleisten.

Der Emittent hat die FMA unverzüglich von der Entscheidung, die Bekanntgabe der Insider-Informationen aufzuschieben, zu unterrichten.

..."

"§ 82. (1) ...

...

(7) Jeder Emittent von Wertpapieren, die zum amtlichen Handel oder geregelten Freiverkehr zugelassen sind, hat die nach § 48d zu veröffentlichenden Tatsachen vor der Veröffentlichung der FMA und dem Börseunternehmen mitzuteilen. Die FMA ist ermächtigt, durch Verordnung die Art der Übermittlung zu regeln, wobei im Interesse der raschen Informationsübermittlung unter Berücksichtigung des jeweiligen Standes der Technik bestimmte Kommunikationstechniken vorgeschrieben werden können.

(8) Die Veröffentlichung nach Abs. 4, § 48d, § 75a Abs. 1, § 87 Abs. 1 und 6 sowie § 93 Abs. 1 bis 6 sowie die Angabe des gemäß § 81a Z 7 lit. b gewählten Herkunftsmitgliedstaates ist über ein elektronisch betriebenes Informationsverbreitungssystem, das zumindest innerhalb der Europäischen Gemeinschaft verbreitet ist, vorzunehmen. Welche Informationsverbreitungssysteme diese Anforderungen erfüllen, wird durch Verordnung der FMA festgestellt."

2.1.3. Art. 1 Nr. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/6 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. 1. 2003, ABl. L 16 vom 12. 4. 2003, S 16, über Insidergeschäfte und Marktmanipulationen (im Folgenden: Marktmissbrauchsrichtlinie) lautet:

"Artikel 1

Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten folgende Definitionen:

1. 'Insider Information': eine nicht öffentlich bekannte präzise Information, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs sich darauf beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen".

Der 16. Erwägungsgrund zur Marktmissbrauchsrichtlinie lautet:

"(16) Insider-Informationen sind nicht öffentlich bekannte präzise Informationen, die einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente direkt oder indirekt betreffen. Informationen, die geeignet wären, die Kursentwicklung und Kursbildung auf einem geregelten Markt als solche erheblich zu beeinflussen, können als Informationen betrachtet werden, die einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere sich darauf beziehende derivative Finanzinstrumente indirekt betreffen."

Art. 6 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie lautet:

"(1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass alle Emittenten von Finanzinstrumenten Insider-Informationen, die sie unmittelbar betreffen, so bald als möglich der Öffentlichkeit bekannt geben."

Art. 1 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2003/124/EG der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation (ABl. L 339, S. 70) lauten:

"(1) Für die Anwendung von Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2003/6/EG ist eine Information dann als präzise anzusehen, wenn damit eine Reihe von Umständen gemeint ist, die bereits existieren oder bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren werden, oder ein Ereignis, das bereits eingetreten ist oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten wird, und diese Information darüber hinaus spezifisch genug ist, dass sie einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten zulässt.

(2) Für die Anwendung von Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2003/6/EG ist unter einer 'Insider-Information, die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente spürbar zu beeinflussen' eine Information gemeint, die ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde."

2.2. Die belangte Behörde ist - nach detaillierter Darstellung des Inhalts des Protokolls der Vorstandsklausur vom 4. November 2009 und des als Ergebnis dieser Klausur gefassten Beschlusses - davon ausgegangen, dass "unbeschadet der Wahrscheinlichkeit, dass das Ergebnis letztlich zu einem Merging führt, jedenfalls schon in dem Beschluss vom 4. November 2009 eine genaue Information" (im Sinn des § 48a Abs. 1 Z 1 BörseG) zu erblicken sei. Bereits dieser Beschluss habe für einen verständigen Anleger konkrete Schlüsse auf den Kurs der RI-Aktie zugelassen. Dies zeige sich auch anschaulich daran, dass der Zweitbeschwerdeführer bereits am 4. November 2009 auf zu erwartende Kurseinbrüche von an die 20 % bis 25 % hingewiesen habe. Die belangte Behörde ist dabei davon ausgegangen, dass das Merging Projekt im Juli bzw. Oktober 2010 seinen Abschluss gefunden habe und dass dem ein Prozess vorangegangen sei, in dem Due-Diligence-Prüfungen durchgeführt und Rechtsfragen abgeklärt worden seien. Seinen Ausgang habe dieser Vorgang aber in dem in Rede stehenden Beschluss vom 4. November 2009 genommen. Abgesehen vom Mergerprojekt seien vorläufig keine zusätzlichen Alternativen ernsthaft weiterverfolgt worden.

Die beschwerdeführenden Parteien treten dieser Annahme insbesondere mit dem Hinweis entgegen, es könne nicht jede Information "unabhängig von ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit eine Ad-hoc-Pflicht auslösen". Es würden in einem Unternehmen laufend eine Vielzahl verschiedener Projekte geprüft. Jeder per Vorstandsbeschluss vorgenommene "Startschuss" für die Prüfung eines Projekts (wobei im Beschwerdefall nicht einmal ein solcher vorgelegen sei, da es sich lediglich um eine Vorstandsklausur der RZ AG gehandelt habe und nicht um eine der Emittentin selbst) würde bei Verfolg der im angefochtenen Bescheid vertretenen Auffassung eine Ad-hoc-Pflicht auslösen.

2.3. Entscheidungswesentlich ist im Beschwerdefall, ob die belangte Behörde zutreffend davon ausgehen konnte, dass der Beschluss vom 4. November 2009 eine "genaue Information" im Sinn des § 48a Abs. 1 Z 1 BörseG war.

Nach Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht, System I, § 20 Rn 15, sollte mit der Neufassung des Tatbestandsmerkmals der "genauen" Information als Voraussetzung für das Vorliegen einer Insiderinformation ein flexibles Kriterium eingeführt werden. Es müsse sich nunmehr nicht mehr um eine bestehende - und nachvollziehbare - Tatsache handeln. Unter Hinweis auf Literatur wird festgehalten, dass bloße Gerüchte keine Insiderinformationen seien (vgl. insbesondere bereits Hausmaninger, Insidertrading, 1997, 187 ff). Die Insiderinformation sei an zwei Kriterien zu messen: zum einen müsse eine hinreichende Eintrittswahrscheinlichkeit bestehen, zum anderen müsse die Information im "gegenwärtigen" Stadium auch bestimmt genug sein, um die Kursbeeinflussungseignung "schon jetzt" abschätzen zu können.

Zu der Frage, in welchem Stadium eines Merger-Projekts eine Ad-hoc-Meldung zu erstatten ist, haben Kalss/Zahradnik, BörseGNov 2004: Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, ecolex 2006, 393 (395), nach Darstellung des typischen Ablaufs einer "M&A-Transaktion" die Auffassung vertreten, dass keineswegs jede Vorstufe, insbesondere die Unterzeichnung einzelner vorausgehender Teil- bzw. Verhandlungsprozessdokumente (z.B. Letter of Intent) als offenlegungspflichtige Insiderinformation anzusehen sei. Entscheidungen würden nicht "auf einem Schlag getroffen", vielmehr durchliefen sie im Regelfall einen weitreichenden innerbetrieblichen Entscheidungsprozess. Gerade weil derartige Entscheidungsprozesse von unterschiedlichen Unsicherheiten geprägt seien, wäre die Publizitätspflicht zu einem Zeitpunkt, bei dem die Realisierungswahrscheinlichkeit noch relativ gering oder überhaupt nicht gegeben sei, sowohl für den Markt als auch für die beteiligten Unternehmen eine Gefahr.

Als ein im Zusammenhang mit der Vorbereitung eines Anteils- oder Unternehmenserwerbs denkbares Beispiel für eine derartige hinreichende Wahrscheinlichkeit (des Eintritts des Ereignisses) wird a.a.O. der "zufriedenstellende Abschluss" einer Due-Diligence-Prüfung genannt. Als Beleg dafür wird auf das FMA-Rundschreiben zu Ad-hoc-Publizität und Directors' Dealings, P 2.3.2.1. lit a verwiesen und hinzugefügt, dass "wohl zusätzlich auch eine Einigung über die wesentlichen Vertragspunkte vorliegen" müsse. Nur bei Bejahung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit könne von ausreichender Genauigkeit gesprochen werden. Für die Autoren ist diese Genauigkeit dann erreicht, "wenn nach kaufmännischem Ermessen kein vernünftiger Grund am Abschluss zu zweifeln besteht".

Zu mehrstufigen Entscheidungsprozessen, "etwa im Rahmen eines Unternehmenskaufs" wird zudem etwa von Brandl allgemein die Auffassung vertreten, dass die Qualifikation als Insider-Information dabei "nicht von den Beschlussfassungen der Organe" abhänge, sondern aus dem Blickwinkel "der Einschätzung der Kurserheblichkeit eines verständigen Anlegers zu betrachten sein" werde (Brandl in: Temmel (Hrsg.), Börsegesetz - Praxiskommentar, § 48a Rn 27).

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) sprach im Urteil vom 28. Juni 2012, Rs C-19/11 , Geltl, (vgl. dazu etwa Rehahn, Teilschritte gestreckter Vorgänge als Insiderinformationen, GPR 2012, 313; Kalss/Hasenauer, Adhoc-Publizität bei Beteiligungs- und Unternehmenstransaktionen, RdW 2012, 576 (580)) aus, nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation 2003 (ABl. L 339, S. 70) sei eine Information dann als präzise anzusehen, wenn zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt seien. Zum einen müsse mit der Information eine Reihe von Umständen gemeint sein, die bereits existierten oder bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen könne, dass sie in Zukunft existieren würden, oder ein Ereignis, das bereits eingetreten sei oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten werde. Zum anderen müsse sie spezifisch genug sein, dass sie einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten zulasse (Rn 29). Das Vertrauen der Anleger in die Finanzmärkte der Union beruhe insbesondere darauf, dass die Anleger einander gleichgestellt würden (Rn 33).

Der EuGH kam zum Ergebnis, dass eine Insider-Information bei einem zeitlich gestreckten Vorgang, wie etwa laufenden Verhandlungen, auch schon in einem Zwischenschritt gelegen sein könne, sofern eine präzise Information vorliege, die spezifisch genug sein müsse, dass sie einen Schluss auf die möglichen Auswirkungen der fraglichen Reihe von Umständen oder des fraglichen Ereignisses auf die Kurse von Finanzinstrumenten zulasse (Rn 27, 32 und 39). Zur Frage der Eintrittswahrscheinlichkeit führte der EuGH aus, dass nur die deutsche Fassung der Richtlinie 2003/124/EG auf eine "hinreichende Wahrscheinlichkeit" abstelle, während alle anderen Sprachfassungen auf ein Adverb wie "vernünftigerweise" zurückgriffen, womit ein auf Regeln der allgemeinen Erfahrung beruhendes Kriterium eingeführt werde (Rn 42 und 44). Um zu klären, ob vernünftigerweise anzunehmen sei, dass in der Zukunft eine Reihe von Umständen existierten oder ein Ereignis eintreten werde, sei im jeweiligen Einzelfall eine umfassende Würdigung der bereits verfügbaren Anhaltspunkte vorzunehmen (Rn 45). Die Verwendung der Worte "mit hinreichender Wahrscheinlichkeit" in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG könne nicht so verstanden werden, dass der Nachweis einer hohen Wahrscheinlichkeit der in Rede stehenden Umstände oder Ereignisse erforderlich wäre (Rn 46). Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124 stelle durch den Gebrauch der Worte "mit hinreichender Wahrscheinlichkeit" auf künftige Umstände und Ereignisse ab, bei denen eine umfassende Würdigung der bereits verfügbaren Anhaltspunkte ergebe, dass tatsächlich erwartet werden könne, dass sie in Zukunft existieren oder eintreten würden (Rn 49). Informationen über Umstände und Ereignisse, deren Eintritt nicht wahrscheinlich sei, seien (aber) nicht als präzise Informationen einzustufen. Andernfalls könnten die Emittenten nämlich meinen, zur Bekanntgabe von Informationen verpflichtet zu sein, denen es an Konkretheit mangle oder die nicht geeignet seien, den Kurs ihrer Finanzinstrumente zu beeinflussen (Rn 48). Die beiden Kriterien (Eintrittswahrscheinlichkeit und Kursbeeinflussung) stellten Mindestvoraussetzungen dar, von denen jede erfüllt sein müsse, damit von einer Insider-Information ausgegangen werden könne (Rn 52 und 53). Für die Eintrittswahrscheinlichkeit stellte der EuGH zwar klar, dass Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG auf künftige Umstände oder Ereignisse abziele, bei denen eine umfassende Würdigung der bereits verfügbaren Anhaltspunkte ergebe, dass tatsächlich erwartet werden könne, dass sie in Zukunft existieren oder eintreten würden (Rn 56). Er betonte aber auch, dass eine Information über ein Ereignis, dessen Eintritt wenig wahrscheinlich ist, durchaus den Kurs der Titel des betreffenden Emittenten spürbar beeinflussen könne. Daraus könne aber vernünftigerweise nicht abgeleitet werden, dass dieses Ereignis eintreten werde (Rn 54).

2.4. Die belangte Behörde hat den von der Erstbehörde festgestellten Sachverhalt als unbestritten angesehen und dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegt. Sie hat insbesondere festgestellt, dass in Folge des Vorstandsbeschlusses vom 4. November 2009 Due-Diligence-Prüfungen konzernintern bzw. durch beigezogene externe Experten durchgeführt und gesellschaftsrechtliche Fragen abgeklärt worden seien und erörtert worden sei, welche Auswirkungen eine Zusammenführung von RZB und RI auf die von der RZB nach englischem Recht emittierten Anleihen haben könnte (mögliche Fälligstellung). Die belangte Behörde stellte weiters fest, dass die beiden Ad-hoc-Meldungen vom 22. Februar 2010 veröffentlicht worden seien, nachdem Gerüchte über eine Umstrukturierung des R-Konzerns aufgetaucht seien. Auch die weitere Abfolge der Durchführung der Transaktion stellte die belangte Behörde wie im erstinstanzlichen Bescheid dargestellt fest.

2.5. § 48d Abs. 1 in Verbindung mit § 48a Abs. 1 Z 1 Börsegesetz in der oben angegebenen Fassung dienen der Umsetzung der genannten Richtlinien (insbesondere auch des Art. 6 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie) und sind insofern im Lichte der Richtlinie 2003/6/EG auszulegen, zumal sie mit dieser nahezu wörtlich übereinstimmen (im Fall des § 48a Abs. 1 Z 1 Börsegesetz wird nur an Stelle von "präzise" das Wort "genaue", im Fall des § 48d Abs. 1 Börsegesetz wird statt der Worte "so bald als möglich" in der Marktmissbrauchsrichtlinie das Wort "unverzüglich" verwendet, und in der Definition des § 48a Abs. 1 Z 1 Börsegesetz wurde am Ende auch die in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124/EG enthaltene Präzisierung, dass "ein verständiger Anleger (die Information) wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde", angefügt).

Der Verwaltungsgerichtshof geht mit den oben dargestellten Auffassungen in der Literatur davon aus, dass § 48d Abs. 1 BörseG iVm § 48a Abs. 1 Z 1 BörseG dahin gehend zu verstehen ist, dass für das Vorliegen einer genauen Information im Sinne des § 48a Abs. 1 Z 1 lit. a BörseG nicht erforderlich ist, dass die für die Durchführung einer Transaktion erforderlichen Beschlüsse der Organe der beteiligten Gesellschaften schon getroffen sein müssen. Der Verwaltungsgerichtshof geht aber - ebenfalls mit den genannten Autoren und dem wiedergegebenen Urteil des EuGH - auch davon aus, dass es nach dem Gesetz auf eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (mit den vom EuGH dazu getroffenen Klarstellungen) der Durchführung der Transaktion ankommt (vgl. auch in diesem Sinn das hg. Erkenntnis vom 24. März 2014, Zl. 2012/17/0118).

Auch wenn somit im Rahmen eines gestreckten Prozesses auch Teilschritte vor dem Abschluss des Prozesses als eine genaue Information im Sinne des § 48a Abs. 1 Z 1 BörseG in Frage kommen können, stellt eine interne Beschlussfassung wie im Beschwerdefall der Vorstandsbeschluss vom 4. November 2009, die im Ergebnis auf die Durchführung von Prüfungen, ob eine bestimmte Variante tatsächlich gewählt werden soll, hinausläuft, keine derartige genaue Information dar.

Insoferne teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht die im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung, dass mit dem Beschluss vom 4. November 2009 "unbeschadet der Wahrscheinlichkeit, dass das Ergebnis letztlich zu einem Merging führt" (gemeint offenbar: "unbeschadet des Umstandes, dass am 4. November 2009 noch keine Gewissheit gegeben war, ob das Projekt tatsächlich zu einem Merger führt" bzw. "unbeschadet des Umstandes, dass die Wahrscheinlichkeit, ob es zu dem Merger kommen werde, am 4. November 2009 noch nicht genau angegeben werden konnte") bereits eine genaue Information vorgelegen sei. Diese sich aus der sprachlichen Unklarheit ergebende Unwägbarkeit belegt schon, dass nicht von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit im Sinne des Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/6/EG und 2003/124/EG und der Rechtsprechung des EuGH hiezu gesprochen werden konnte.

Sofern die von der belangten Behörde gewählte Formulierung bedeuten sollte, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit für die Frage, ob eine Insider-Information vorgelegen sei, ohne Belang sei, wäre die Auffassung nach dem Vorgesagten von vornherein rechtswidrig.

Aber auch dann, wenn die belangte Behörde nur zum Ausdruck bringen wollte, dass am 4. November 2009 zwar noch keine vollständige Gewissheit über den Abschluss des Mergers geherrscht habe, der Grad der Wahrscheinlichkeit aber immerhin ausreichend gewesen sei, um von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit zu sprechen, kann ihr nicht gefolgt werden.

Das Ergebnis der Vorstandssitzung vom 4. November 2009 und damit Inhalt des "Beschlusses vom 4. November 2009" war, "auf Basis der Ergebnisse Herbst 2008" ein Mergerprojekt zwischen RZ AG und RI AG "zu starten". In dem Protokoll über die Sitzung sind schlagwortartig "nächste Schritte" (wie "Projektstruktur", "Argumentarium Sektor", verschiedene Gespräche mit bestimmten Personen (im Verwaltungsstrafverfahren war insbesondere darauf hingewiesen worden, dass als Ergebnis der Klausur Gespräche mit den Eigentümern der RZ AG aufgenommen werden sollten), Effekt auf Rating, etc.) genannt. Aus diesen in Aussicht genommenen Schritten ist ersichtlich, dass es noch darum ging, die Durchführbarkeit des angedachten Projekts zu prüfen. Es fehlte zu diesem Zeitpunkt insbesondere auch jegliche Präzisierung, wie die Zusammenführung der Institute erfolgen sollte.

Wie die belangte Behörde selbst festgestellt hat, folgten auf den Beschluss noch eine Reihe von internen Prüfungen und Due-Diligence-Prüfungen sowie Erörterungen, wie sich eine Zusammenführung der Institute auf die von der RZ AG nach englischem Recht emittierten Anleihen auswirken würde. Die belangte Behörde hat auch die Bedenken des Zweitbeschwerdeführers in der Sitzung am 4. November 2009 wieder gegeben. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass durch den Beschluss vom 4. November 2009 bereits die Annahme ("vernünftigerweise" im Sinn des Urteils des EuGH in der Rechtssache Geltl) gerechtfertigt war, dass und in welcher Weise das Projekt auch tatsächlich durchgeführt werde.

In diesem Zusammenhang ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass auch die beiden im vorliegenden Fall (im Hinblick auf das Aufkommen von Gerüchten über eine bevorstehende Transaktion) schließlich veröffentlichten Ad-hoc-Meldungen vom 22. Februar 2010 noch keine konkreten Angaben über das Ob und das Wie der Transaktion enthalten konnten, sodass es als keinesfalls ausgemacht angesehen werden kann, dass zu diesem Zeitpunkt eine Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität bestand.

Dem Umstand, dass ab dem 4. November 2009 keine anderen Projekte außer dem dann verwirklichten Merger verfolgt (geprüft) wurden, kommt entgegen der Auffassung der belangten Behörde demgegenüber keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Die Argumentation der belangten Behörde würde bedeuten, dass immer dann, wenn "nur ein einziges Projekt erwogen wird", der Zeitpunkt für den Eintritt der Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität früher anzunehmen wäre, als in Fällen, in denen verschiedene strategische Optionen erwogen, einzelne aber (naturgemäß) später - nach der erforderlichen Entscheidung, welches Projekt umgesetzt wird - nicht weiter verfolgt werden.

Auch der Hinweis der belangten Behörde auf die vom Zweitbeschwerdeführer in der Klausur am 4. November 2009 geäußerte Befürchtung eines (kurzfristigen) Kursabsturzes ist in Verbindung mit dem tatsächlichen Eintreten eines solchen Kursverfalles nach den Ad-hoc-Meldungen vom 22. Februar 2010 nicht geeignet, die Rechtsauffassung der belangten Behörde zu stützen. Der Beschwerdefall zeigt gerade in dieser Hinsicht, dass Kalss/Zahradnik, BörseGNov 2004: Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, ecolex 2006, 393 (395), zuzustimmen ist, wenn sie bei einer Annahme einer Publizitätspflicht in einem sehr frühen Stadium interner Vorüberlegungen eine Gefahr für das Unternehmen erblicken. Wie auch der EuGH im Urteil in der Rechtssache C-19/11 , Geltl, festgehalten hat (Rn 54), kann aus der Eignung einer Mitteilung, den Kurs spürbar zu beeinflussen, nicht auf die Eintrittswahrscheinlichkeit für das Ereignis, das Gegenstand der Mitteilung wäre, geschlossen werden (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 24. März 2014, Zl. 2012/17/0118). Dass sich in der Praxis die Befürchtungen des Zweitbeschwerdeführers nach den Ad-hoc-Meldungen vom 22. Februar 2010 tatsächlich bewahrheiteten, kann zwar als empirische Bestätigung der von Kalss/Zahradnik, a.a.O., vertretenen These angesehen werden, besagt aber nichts für die Eintrittswahrscheinlichkeit des Ereignisses zum Zeitpunkt 4. November 2009.

Daraus folgt, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung im Vorstand am 4. November 2009 noch keine genaue Information im Sinne des § 48a Abs. 1 Z 1 lit. a BörseG vorlag.

2.6. Die belangte Behörde hat daher den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

2.7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 53 Abs. 2 VwGG aF in Verbindung mit § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 29. April 2014

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