VwGH 2012/04/0145

VwGH2012/04/014525.3.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck, die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser und Dr. Mayr sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde der Ö Aktiengesellschaft in W, vertreten durch die Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in 1100 Wien, Wienerbergstraße 11, gegen den Bescheid des Bundesvergabeamtes vom 22. Juni 2012, Zl. N/0053- BVA/08/2012-93, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (weitere Partei: Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft; mitbeteiligte Partei: M Gesellschaft m.b.H. in E), zu Recht erkannt:

Normen

32004L0017 Vergabekoordinierungs-RL Wasser Energie Verkehr;
32004L0018 Vergabe-RL öffentliche Bauaufträge;
ABGB §7;
BVergG 1997 §52;
BVergG 2002 §94;
BVergG 2002 §98 Z8;
BVergG 2006 §164;
BVergG 2006 §229 Abs1;
BVergG 2006 §229 Abs2;
BVergG 2006 §229;
BVergG 2006 §73;
B-VG Art7 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Die Beschwerdeführerin (Auftraggeberin) führte beginnend im Jahr 2011 ein offenes Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich nach den Bestimmungen für Sektorenauftraggeber (3. Teil des Bundesvergabegesetzes 2006 - BVergG 2006) durch.

Auftragsgegenstand waren Baumeisterarbeiten für ein Baulos betreffend die Koralmbahn (konkret für eine Brücke über die D). Die Zuschlagserteilung sollte nach dem Billigstbieterprinzip erfolgen.

Die mitbeteiligte Partei legte - ebenso wie die SB GmbH - ein Angebot. Am 4. Mai 2012 verschickte die Beschwerdeführerin die Zuschlagsentscheidung zugunsten der SB GmbH. Gegen diese Zuschlagsentscheidung brachte die mitbeteiligte Partei einen Nachprüfungsantrag ein.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid gab das Bundesvergabeamt (im Folgenden: Behörde) diesem Antrag statt und erklärte die Zuschlagsentscheidung der Beschwerdeführerin vom 4. Mai 2012 zugunsten der SB GmbH, ergangen im offenen Vergabeverfahren "Koralmbahn, ... Baulos 60.6 - D-Querung, Baumeisterarbeiten", für nichtig (Spruchpunkt I.). Weiters wurde dem Pauschalgebührenersatzbegehren der mitbeteiligten Partei stattgegeben (Spruchpunkt II.).

Die Behörde stellte zunächst die relevanten Ausschreibungsbestimmungen dar, in denen die Auftraggeberin u.a. festgelegt habe, § 229 Abs. 1 BVergG 2006 anzuwenden. Im Leistungsverzeichnis sei normiert, dass die Bewerber bzw. Bieter die allgemeine berufliche Zuverlässigkeit gemäß § 229 Abs. 1 BVergG 2006 besitzen müssen. Diese Festlegungen seien unangefochten geblieben. Unstrittig sei, dass die SB GmbH das billigste Angebot gelegt habe und die mitbeteiligte Partei mit ihrem Variantenangebot zweitbilligste Bieterin gewesen sei.

Weiters stellte die Behörde fest, dass Herr Ing. G S bis Anfang Februar 2012 alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer der SB GmbH gewesen sei, anschließend sei er "bis dato" alleinvertretungsbefugter Prokurist der SB GmbH gewesen. Am 18. Jänner 2012 sei Ing. G S vom Landesgericht K mit näher bezeichnetem Urteil wegen gewerbsmäßiger Abgabenhinterziehung zu einer unbedingten Geldstrafe von EUR 650.000,-- rechtskräftig verurteilt worden. Die SB GmbH sei mit gleichem Urteil rechtskräftig zu einer Verbandsgeldbuße von EUR 500.000,-- (davon EUR 100.000,-- unbedingt) verurteilt worden. Die Beschwerdeführerin habe - so die Behörde weiter - von dieser Verurteilung durch die mediale Berichterstattung erfahren und diesbezüglich ein Aufklärungsschreiben an die SB GmbH gerichtet. Nach Einholung eines Rechtsgutachtens zur Frage der Zulässigkeit der Auftragsvergabe an die SB GmbH, in dem die Möglichkeit der "Selbstreinigung" analog § 73 Abs. 2 BVergG 2006 vertreten worden sei, habe die Beschwerdeführerin weitere Prüfschritte im Zusammenhang mit dem Angebot der SB GmbH unternommen und schließlich am 4. Mai 2012 die angefochtene Zuschlagsentscheidung versendet.

In ihren rechtlichen Erwägungen hielt die Behörde zunächst fest, dass die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen nach § 3 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 erfülle und daher vorliegend als Sektorenauftraggeberin gemäß § 164 BVergG 2006 anzusehen sei. Demnach habe die Beschwerdeführerin gemäß § 229 Abs. 2 BVergG 2006 die in § 229 Abs. 1 BVergG 2006 angeführten Ausschlussgründe zwingend vorzusehen. Darüber hinaus habe die Beschwerdeführerin in den unangefochten gebliebenen Ausschreibungsunterlagen mehrfach die Anwendung des § 229 Abs. 1 BVergG 2006 ausdrücklich festgelegt. Im vorliegenden Fall habe sich im Zeitraum zwischen Angebotsöffnung und Zuschlagserteilung durch die rechtskräftige Verurteilung des damaligen Geschäftsführers der SB GmbH ein "eignungsvernichtender Ausschlussgrund" realisiert. Dieser hätte zum Ausschluss der SB GmbH und sohin zum Ausscheiden ihrer Angebote gemäß § 269 Abs. 1 Z 1 BVergG 2006 führen müssen. Nach Auffassung der Behörde könne es dahinstehen, ob die Nichtigerklärung nicht auch deshalb zu erfolgen hätte, weil der rechtskräftig verurteilte Ing. G S weiterhin alleinvertretungsbefugter Prokurist der SB GmbH und damit Entscheidungsträger gewesen sei.

Da es die Beschwerdeführerin unterlassen habe, in den Ausschreibungsunterlagen im Zusammenhang mit der Anwendung des § 229 Abs. 1 BVergG 2006 "gleichheitskonform iS einer verfassungskonformen Vergaberechtsanwendung" vorzusehen, dass ein potenziell unzuverlässig erscheinender Bieter gemäß § 73 Abs. 2 BVergG 2006 "per analogiam" dennoch seine Zuverlässigkeit dartun könne, würde es ein gegen § 187 Abs. 1 BVergG 2006 verstoßendes Abgehen von der bestandfesten Ausschreibung bedeuten, wenn man der SB GmbH entgegen der präkludierten Ausschreibung nunmehr dennoch eine "Glaubhaftmachungsmöglichkeit ihrer Zuverlässigkeit und Eignung" einräumen würde. Dem Begehren auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sei daher stattzugeben gewesen.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 20. September 2012, B 941/12-3, ab und trat sie über nachträglichen Antrag der Beschwerdeführerin mit Beschluss vom 19. November 2012 gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Die Beschwerdeführerin ergänzte ihre Beschwerde auftragsgemäß.

Die Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

II.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:

1. Gemäß § 8 des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, hat der Verwaltungsgerichtshof in Beschwerdeverfahren, in denen der Verfassungsgerichtshof bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 eine Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat, die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des B-VG und des VwGG weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

2. Die relevanten Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2006 (BVergG 2006), BGBl. I Nr. 17 in der (auf Grund der Übergangsbestimmung des § 345 Abs. 15 Z 3 BVergG 2006 und angesichts der Verfahrenseinleitung im Jahr 2011) maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 15/2010, lauten auszugsweise wie folgt:

"Beurteilung der beruflichen Zuverlässigkeit

§ 73. (1) Der Auftraggeber hat der Beurteilung der Zuverlässigkeit des Unternehmers insbesondere die gemäß § 72 Abs. 2 verlangten Nachweise und die gemäß § 72 Abs. 1 zweiter Satz eingeholte Auskunft zugrunde zu legen. Ergibt sich aus diesen Bescheinigungen, dass ein rechtskräftiges Urteil im Sinne des § 68 Abs. 1 Z 1 oder 4 vorliegt oder stellt der Auftraggeber aufgrund dieser Bescheinigungen eine Verfehlung im Sinne des § 68 Abs. 1 Z 5 nachweislich fest oder erlangt der Auftraggeber auf andere Weise von einem solchen Urteil oder einer solchen Verfehlung nachweislich Kenntnis, so ist bei diesem Unternehmer die geforderte Zuverlässigkeit nicht gegeben, es sei denn, er macht glaubhaft, dass er trotz dieses Umstandes zuverlässig ist.

(2) Zur Glaubhaftmachung im Sinne des Abs. 1 zweiter Satz

letzter Halbsatz hat der Unternehmer darzulegen, dass er konkrete

technische, organisatorische oder personelle Maßnahmen getroffen

hat, die geeignet sind, das nochmalige Setzen der betreffenden

strafbaren Handlungen bzw. Verfehlungen zu verhindern. Als

derartige Maßnahmen gelten etwa

1. die Einführung eines qualitativ hochwertigen

Berichts- und Kontrollwesens,

2. die Einschaltung eines Organs der inneren Revision

zur regelmäßigen Überprüfung der Einhaltung der maßgeblichen

Vorschriften,

3. die Einführung von internen Haftungs- und

Schadenersatzregelungen zur Einhaltung der maßgeblichen Vorschriften.

(3) Der Auftraggeber hat das Vorbringen des Unternehmers zu prüfen und bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit die vom Unternehmer gesetzten Maßnahmen in ein Verhältnis zur Anzahl und zur Schwere der begangenen strafbaren Handlungen bzw. Verfehlungen zu setzen. Bei der Beurteilung der Schwere der rechtskräftigen Bestrafung gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG ist insbesondere die Zahl der illegal beschäftigten Arbeitnehmer und die Dauer der illegalen Beschäftigung zu berücksichtigen. Liegen mehr als zwei rechtskräftige Bestrafungen gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG vor oder erfolgten zwei rechtskräftige Bestrafungen gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG in kurzen Zeitabständen, ist ein strengerer Maßstab anzulegen.

...

Öffentliche Auftraggeber als Sektorenauftraggeber

§ 164. Soweit ein öffentlicher Auftraggeber gemäß § 3 Abs. 1 eine Sektorentätigkeit (§§ 167 bis 172) ausübt, ist er Sektorenauftraggeber.

...

Ausschlussgründe

§ 229. (1) Unbeschadet des Abs. 2 können Sektorenauftraggeber Unternehmer von der Teilnahme am Vergabeverfahren ausschließen, wenn

...

4. gegen sie oder - sofern es sich um juristische Personen, eingetragene Personengesellschaften oder Arbeitsgemeinschaften handelt - gegen physische Personen, die in der Geschäftsführung tätig sind, ein rechtskräftiges Urteil wegen eines Deliktes ergangen ist, das ihre berufliche Zuverlässigkeit in Frage stellt;

...

(2) Sektorenauftraggeber gemäß § 164 (öffentliche Auftraggeber) haben die in Abs. 1 angeführten Ausschlussgründe jedenfalls vorzusehen. Sektorenauftraggeber gemäß § 164 können von einem Ausschluss von Unternehmern gemäß Abs. 1 Abstand nehmen, wenn

1. auf deren Beteiligung in begründeten Ausnahmefällen

aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses nicht verzichtet werden kann, oder

..."

3. Unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall als Sektorenauftraggeberin iSd § 164 BVergG 2006 (somit als öffentliche Auftraggeberin gemäß § 3 Abs. 1 BVergG 2006, die eine Sektorentätigkeit ausübt) anzusehen ist. Unmittelbar maßgeblich für die Eignung der Unternehmer sind daher die §§ 228 bis 234 BVergG 2006, wobei fallbezogen lediglich § 229 BVergG 2006, der die Ausschlussgründe normiert, von Belang ist.

4. Die Beschwerdeführerin wendet sich in der Beschwerde im Wesentlichen gegen die Auffassung der Behörde, wonach eine "Selbstreinigung" - nämlich dem Bieter die Möglichkeit einzuräumen, trotz Vorliegens eines Ausschlussgrundes iSd § 229 Abs. 1 BVergG 2006 seine Zuverlässigkeit glaubhaft zu machen - nicht zulässig gewesen wäre und die Beschwerdeführerin - hätte sie eine solche gestatten wollen - dies in den Ausschreibungsbedingungen ausdrücklich hätte vorsehen müssen.

Die Beschwerdeführerin stellt nicht in Abrede, dass die hier vorliegende strafrechtliche Verurteilung des Ing. G S grundsätzlich den Ausschlussgrund des § 229 Abs. 1 Z 4 BVergG 2006 verwirklicht. Allerdings erachtet sie eine analoge Anwendung der "Selbstreinigungsmöglichkeit" des § 73 BVergG 2006 für geboten. Die den Auftraggebern im Sektorenbereich generell zugestandene größere Flexibilität werde dadurch nicht eingeschränkt. Auch die Behörde gehe - so die Beschwerdeführerin - offenbar davon aus, dass die Ermöglichung einer "Selbstreinigung" im Sektorenbereich gleichheitskonform geboten sei.

Nach Auffassung der Beschwerdeführerin bestehe diesbezüglich eine planwidrige Lücke. Während im 2. Teil des BVergG 2006 (somit für den "klassischen" Bereich) § 68 die materiellen Ausschlussgründe enthalte und § 73 das Verfahren bei der Beurteilung der beruflichen Zuverlässigkeit (und hier insbesondere das rechtliche Gehör und die "Verfahrensfairness") normiere, enthalte der 3. Teil (Sektorenteil) lediglich eine Regelung der materiellen Ausschlussgründe. Hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Vorgehensweise und somit auch in Bezug auf die "Selbstreinigung" bestehe demgegenüber eine Lücke. Diese sei als planwidrig zu qualifizieren, weil eine Ausnahme des Sektorenbereichs von der "Selbstreinigungsmöglichkeit" unsachlich erscheine.

Anders als die Behörde meine, sei den Festlegungen in der Ausschreibung betreffend die Anwendbarkeit des § 229 Abs. 1 BVergG 2006 auch nicht die Bedeutung beizumessen, dass damit eine "Selbstreinigung" ausgeschlossen bzw. nicht zugelassen werden sollte. Die Beschwerdeführerin wendet sich weiters gegen die behördliche Auffassung, wonach eine Erwähnung der "Selbstreinigung" in der Ausschreibung notwendig gewesen wäre. Es wäre vielmehr bedenklich, würde man die Möglichkeit der "Selbstreinigung" der Disposition des Auftraggebers überlassen, zumal es sich dabei um ein Recht des Bieters handle. Durch die Nichterwähnung der "Selbstreinigung" in der Ausschreibung sei deren Möglichkeit somit nicht bestandfest ausgeschlossen worden.

5. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits mehrfach zur Frage der Zulässigkeit der Analogie im öffentlichen Recht geäußert. Im Erkenntnis vom 17. Oktober 2012, Zl. 2012/08/0050, hat er wie folgt festgehalten:

"Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die grundsätzliche Zulässigkeit der Analogie auch im öffentlichen Recht wiederholt anerkannt. Voraussetzung hiefür ist freilich das Bestehen einer echten (d.h. planwidrigen) Rechtslücke. Sie ist dort anzunehmen, wo das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, unvollständig, also ergänzungsbedürftig, ist, und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Da das öffentliche Recht, im Besonderen das Verwaltungsrecht, schon von der Zielsetzung her nur einzelne Rechtsbeziehungen unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses zu regeln bestimmt ist, muss eine auftretende Rechtslücke in diesem Rechtsbereich im Zweifel als beabsichtigt angesehen werden. Eine durch Analogie zu schließende Lücke kommt nur dann in Betracht, wenn das Gesetz anders nicht vollziehbar ist oder wenn das Gesetz in eine Regelung einen Sachverhalt nicht einbezieht, auf welchen - unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes und gemessen an den mit der Regelung verfolgten Absichten des Gesetzgebers - ebendieselben Wertungsgesichtspunkte zutreffen wie auf die im Gesetz geregelten Fälle und auf den daher - schon zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung - auch dieselben Rechtsfolgen angewendet werden müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 1998, Zl. 96/08/0207, mwN)."

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit dem öffentlichen Auftragswesen bereits anerkannt, dass einzelne nur für den "klassischen" Bereich vorgesehene Bestimmungen auch für den Sektorenbereich gelten (siehe etwa hinsichtlich der §§ 94 und 98 Z 8 des Bundesvergabegesetzes 2002 das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2006, Zl. 2004/04/0078).

6. Im vorliegenden Fall erscheint eine derartige Analogie aus nachstehenden Gründen geboten.

6.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 24. Juni 1998, G 462/97, VfSlg. 15.216/1998, zur - damals bestehenden - Verknüpfung zwischen Bestrafungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und der Beurteilung der beruflichen Zuverlässigkeit nach dem Bundesvergabegesetz Folgendes festgehalten:

"(Der Verfassungsgerichtshof) bezweifelte nicht, daß Verurteilungen nach dem AuslBG an sich geeignet sind, die Zuverlässigkeit von Unternehmungen in Frage zu ziehen, und hatte auch keine Bedenken dagegen, daß eine mangelnde Zuverlässigkeit zu den im Vergaberecht vorgesehenen Konsequenzen führt. Er hielt es jedoch für unsachlich, Bestrafungen nach dem AuslBG zwingend mit der vergaberechtlichen Konsequenz des Ausscheidens im Zuschlagsverfahren zu verknüpfen, ohne daß dem betroffenen Unternehmen die Möglichkeit eingeräumt ist, darzutun, weshalb es trotz vorliegender Bestrafungen nicht als unzuverlässig anzusehen ist. Im Verfahren zur Erlangung der Unbedenklichkeitsbescheinigung ist dem Unternehmen - anders als im insoweit durchaus vergleichbaren Fall eines Verfahrens zur (Entziehung) einer Gewerbeberechtigung nach § 87 Abs 1 Z 3 GewO 1994 - nämlich keine Möglichkeit eingeräumt, seine Auffassung zur Frage der Auswirkung der Bestrafung auf seine Zuverlässigkeit mit der Wirkung vorzutragen, daß sich die Behörde damit auseinandersetzen müßte. So kann das Unternehmen etwa nicht dartun, daß es trotz Vorliegens von Bestrafungen aus bestimmten Gründen nicht unzuverlässig ist, etwa weil es entsprechende Vorkehrungen gegen eine Übertretung getroffen hat, über die sich ein verantwortlicher Beauftragter hinweggesetzt hat. Nicht einmal dann, wenn das Unternehmen dartun und belegen könnte, daß ein Beauftragter entgegen eine arbeitsrechtliche Weisung gehandelt hat und das Unternehmen dies sogar zum Anlaß von Maßnahmen gegen den Beauftragten genommen hat, könnte das Unternehmen die vergaberechtliche Konsequenz des Fehlverhaltens abwenden. Daß eine solche zwingende Verknüpfung vor den Anforderungen des dem Gleichheitsgrundsatz innewohnenden Sachlichkeitsgebotes Bestand haben kann, konnte das Verfahren nicht dartun. Auch in der Literatur (vgl. Mayer, Auftragssperre wegen illegaler Ausländerbeschäftigung, RdW 1997, 600 ff.) wird diese Auffassung bestätigt."

6.2. Als Folge dieses Erkenntnisses wurden dem § 52 des Bundesvergabegesetzes 1997 mit der Novelle BGBl. I Nr. 120/1999 die Abs. 3 bis 6 angefügt und den Bietern damit erstmals die Möglichkeit eingeräumt, trotz Vorliegens von Bestrafungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz die eigene Zuverlässigkeit glaubhaft zu machen. In den Erläuterungen zu dieser Bestimmung (Initiativantrag 1103/A, 20. GP, 18) wird ausdrücklich darauf Bezug genommen, dass der Bieter im Sinn des zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes nunmehr die Möglichkeit haben soll, darzulegen, dass seine Zuverlässigkeit trotz des Bestehens rechtskräftiger Bestrafungen nach dem AuslBG gegeben ist.

Mit der Novelle BGBl. I Nr. 86/2007 wurde diese, in das Bundesvergabegesetz 2006 übernommene Regelung auf die Beurteilung der beruflichen Zuverlässigkeit insgesamt ausgedehnt. Die Erläuterungen zu dieser Bestimmung (RV 127 BlgNR, 23. GP, 9) führen dazu wie folgt aus:

"Die Regelungen des bisherigen § 73 Abs. 2 bis 5 BVergG 2006, denen zufolge ein Bieter trotz Vorliegens einer rechtskräftigen Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975, seine Zuverlässigkeit glaubhaft machen kann, wird - wie dies die Rechtsprechung des VfGH und des EuGH fordert - insofern horizontalisiert, als diese Möglichkeit der Glaubhaftmachung der eigenen Zuverlässigkeit einem Bieter auch in den Fällen offen stehen soll, in denen die Zuverlässigkeit (eigentlich) auf Grund des Vorliegens einer rechtskräftigen Bestrafung bzw. einer festgestellten Verfehlung zu verneinen wäre."

Die Regelung des § 73 BVergG 2006 über die Glaubhaftmachung der eigenen Zuverlässigkeit trotz des Vorliegens von Umständen, die die Unzuverlässigkeit indizieren, ist daher vor dem Hintergrund der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes im zitierten Erkenntnis VfSlg. 15.216/1998 und den darin zum Ausdruck kommenden Sachlichkeitserwägungen zu sehen.

6.3. Im hier vorliegenden Fall enthalten die Bestimmungen für Sektorenauftraggeber in § 229 Abs. 1 BVergG 2006 eine Auflistung der Ausschlussgründe, die der Regelung des "klassischen" Teils in § 68 Abs. 1 BVergG 2006 nachgebildet ist. Gemäß § 229 Abs. 2 erster Satz BVergG 2006 haben Sektorenauftraggeber gemäß § 164 (wie die Beschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren) die in § 229 Abs. 1 BVergG 2006 angeführten Ausschlussgründe jedenfalls (grundsätzlich) vorzusehen. Eine nähere Regelung darüber, inwieweit Bieter trotz Vorliegens eines Ausschlussgrundes (somit eines Umstandes, der die Unzuverlässigkeit indiziert) ihre Zuverlässigkeit glaubhaft machen können - wie dies für den "klassischen" Bereich in § 73 BVergG 2006 vorgesehen ist - findet sich im Sektorenteil hingegen nicht. Den Erläuterungen zum BVergG 2006 (RV 1171 BlgNR, 22. GP, 117) lässt sich diesbezüglich nur entnehmen, dass die Bestimmungen des 3. Teiles über die Eignung bzw. die Eignungsprüfung für Sektorenauftraggeber Vereinfachungen gegenüber den für öffentliche Auftraggeber im Sinn des 2. Teiles maßgeblichen Vorschriften vorsehen.

6.4. Angesichts der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes im zitierten Erkenntnis VfSlg. 15.216/1998 kann dem Gesetzgeber nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht unterstellt werden, dass Bietern in einem Vergabeverfahren im Sektorenbereich keine Möglichkeit offen stehen sollte, bei Vorliegen von Umständen, die die Vermutung der Unzuverlässigkeit nach sich ziehen, ihre dennoch bestehende Zuverlässigkeit glaubhaft zu machen. Es ist somit vom Vorliegen einer echten Lücke auszugehen.

Auch das in den Erläuterungen angeführte Ziel der Vereinfachungen für Sektorenauftraggeber steht dieser Sichtweise nicht entgegen. Die unterschiedlichen Regelungen für den "klassischen" Bereich und den Sektorenbereich sind - ausgehend von den ebenfalls unterschiedlich ausgestalteten Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG - vor dem Hintergrund zu sehen, dass Sektorenauftraggebern ein größeres Maß an Flexibilität eingeräumt werden soll (vgl. dazu etwa M. Holoubek/C. Fuchs, in Schramm/Aicher/Fruhmann (Hrsg.), Bundesvergabegesetz 2006, § 163, Rz. 6; siehe weiters Erwägungsgrund 9 zur Richtlinie 2004/17/EG zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste). Diese Intention wird durch die Einräumung der Möglichkeit für Bieter, trotz Vorliegens bestimmter Umstände die eigene Zuverlässigkeit glaubhaft zu machen, aber nicht beeinträchtigt.

Ausgehend davon wäre im vorliegenden Fall § 73 BVergG 2006 betreffend die Möglichkeit der Glaubhaftmachung der eigenen Zuverlässigkeit analog anzuwenden gewesen.

Entgegen der Auffassung der Behörde wäre es dafür weder erforderlich gewesen, die Anwendbarkeit des § 73 BVergG 2006 in der Ausschreibung ausdrücklich vorzusehen, noch steht die explizite Festlegung in den Ausschreibungsunterlagen, wonach § 229 Abs. 1 BVergG 2006 anzuwenden sei (was sich in der vorliegenden Konstellation schon aus § 229 Abs. 2 erster Satz iVm § 164 BVergG 2006 ergibt) einer derartigen Anwendung entgegen. Aus keinem dieser Umstände kann nämlich geschlossen werden, dass eine analoge Anwendung von Bestimmungen des 2. Teils des BVergG 2006 und insbesondere von § 73 BVergG 2006 ausgeschlossen werden sollte, sodass mit dem Hinweis der belangten Behörde auf die Bestandskraft der Ausschreibung gegenständlich nichts gewonnen ist. Ausgehend von der vom Verwaltungsgerichtshof als geboten erachteten analogen Anwendung des § 73 BVergG 2006 ist in diesem Zusammenhang auch auf die hg. Rechtsprechung zu verweisen, wonach Festlegungen in der Ausschreibung im Zweifel gesetzeskonform zu lesen sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 2012, Zl. 2010/04/0018).

7. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Auseinandersetzung der Behörde mit der Frage der Zuverlässigkeit der SB GmbH aber als unzureichend. Dem angefochtenen Bescheid lassen sich zwar Hinweise darauf entnehmen, dass ihrer Auffassung nach auch bei Einräumung einer dahingehenden Möglichkeit die geforderte Glaubhaftmachung der eigenen Zuverlässigkeit durch die SB GmbH nicht erfolgreich gewesen wäre, weil der strafrechtlich verurteilte Ing. G S nach seiner Verurteilung zwar nicht mehr alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer, aber immer noch alleinvertretungsbefugter Prokurist der SB GmbH gewesen sei. Die Behörde hält aber ausdrücklich fest, dass es "dahinstehen" könne, ob die ausgesprochene Nichtigerklärung auch aus diesem Grund zu erfolgen hätte. Damit ist eine hinreichende Befassung mit der Frage, ob der SB GmbH eine Glaubhaftmachung iSd § 73 Abs. 2 BVergG 2006 gelungen ist, nicht erfolgt.

8. Ausgehend davon war der angefochtene Bescheid zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben (mit der Aufhebung der in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ausgesprochenen Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung fällt auch die Entscheidungsgrundlage für Spruchpunkt II. weg, weil der Ersatz der Pauschalgebühr gemäß § 319 Abs. 1 BVergG 2006 vom Obsiegen des Antragstellers abhängt).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht - gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF der Novelle BGBl. II Nr. 8/2014 - auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 25. März 2014

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