Normen
BAO §250 Abs1;
BAO §276 Abs2;
BAO §85 Abs2;
BAO §250 Abs1;
BAO §276 Abs2;
BAO §85 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer brachte am 15. Juli 2008 die Umsatzsteuererklärung 2007 beim Finanzamt ein, in der steuerfreie Umsätze von 103,83 EUR sowie Vorsteuern von 863,70 EUR ausgewiesen werden.
Abweichend zur Erklärung setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer 2007 mit Bescheid vom 16. Dezember 2008 mit 0 EUR fest, wogegen der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2008 berief.
Mit Berufungsbescheid vom 12. Februar 2009 hob die belangte Behörde den Umsatzsteuerbescheid vom 16. Dezember 2008 - unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz - gemäß § 289 Abs. 1 BAO auf, weil das Finanzamt die Unternehmereigenschaft des Beschwerdeführers in Bezug auf einzelne Geschäfte außer Acht gelassen und die geltend gemachten Vorsteuern zur Gänze gestrichen habe.
Nach Durchführung eines Vorhalteverfahrens erließ das Finanzamt einen mit 25. November 2009 datierten Umsatzsteuerbescheid 2007, in dem es die erklärten Umsätze dem ermäßigten Steuersatz von 10% unterzog und - mit der Begründung, es könnten nur Vorsteuern anerkannt werden, die mit dem Betrieb der Buchherstellung im Zusammenhang stünden - Vorsteuern von 153,88 EUR berücksichtigte.
Der Beschwerdeführer berief auch gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 25. November 2009, führte in seinem diesbezüglichen (mit "30. November 2008" datierten) Schriftsatz aus, dass "die richtig berechnete Umsatzsteuer 2007" -863,70 EUR betrage, und beantragte, "den Bescheid vom 25. November 2009 aufzuheben und mit -863,70 EUR festzusetzen".
Das Finanzamt wies die Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 25. November 2009 mit Berufungsvorentscheidung vom 7. Jänner 2011 als unbegründet ab und führte aus, dass Vorsteuern im Zusammenhang mit der Vermietung an Erika K bzw. der Verwertung von Werknutzungsrechten nicht anzuerkennen seien und die Vorsteuern im Zusammenhang mit dem Betrieb der Buchherstellung geschätzt werden müssten, weil der Beschwerdeführer "trotz mehrmals in den Vorjahren bereits entschiedener Sache (UFS, VwGH)" keine Trennung der Vorsteuern vorgenommen habe. "Aufgrund der vorgelegten Rechnungen und Bankbelege wurden VSt iHv 153,88EUR anerkannt (20% aus netto 310,94 Telefon, 172,90 Druckerei, 193,15 Büro und 3,33 Material, 10% aus netto 178,28 Fahrtkosten)".
Mit Schriftsatz vom 13. Jänner 2011 beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und brachte ergänzend zur Berufung vor, er habe nur Vorsteuern aus der Buchproduktion geltend gemacht. Da das Finanzamt die Buchproduktion anerkenne, müssten auch die zur Buchproduktion notwendigen Geräte sowie die Strom- und Heizkosten anerkannt werden. Der Drucker werde ganzjährig gewartet und bezahle der Beschwerdeführer "dafür ein Pauschale incl. Toner (siehe die dem Finanzamt übergebenen Rechnungen, Buchungsposten 7006, 7031, 7056, 7067, sowie Computerservice Bp. Nr. 7038)". Für die Buchproduktion benötige man Strom und Gas, weshalb auch die Vorsteuern aus den "Rechnungen von wienenergie, die das Finanzamt von mir erhalten hat (Bp. 7003, 7004, 7005, 7011, 7012, 7036)" zu berücksichtigen seien. "Ich beantrage daher, meiner Berufung Folge zu leisten und die Umsatzsteuerfestsetzung 2007 gemäß meiner Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2007 festzusetzen."
Nach Vorlage der Berufung trug die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 7. Oktober 2011 erstmals gemäß § 279 Abs. 1 iVm § 85 Abs. 2 BAO auf, der Berufung vom "30. November 2008 (wohl gemeint 2009)" anhaftende Mängel iSd § 250 Abs. 1 lit. b (Erklärung in welchen Punkten der Umsatzsteuerbescheid vom 25. November 2009 angefochten werde) und lit. d (Begründung) BAO binnen zwei Wochen zu beheben. Gleichzeitig wies sie den Beschwerdeführer darauf hin, dass die Berufung bei Versäumung dieser Frist als zurückgenommen gelte.
Am 13. Oktober 2011 brachte der Beschwerdeführer einen Schriftsatz ein, in welchem er - wie im Vorlageantrag - u. a. ausführte, dass die geltend gemachten Vorsteuern nur mit der Buchproduktion zusammen hingen. "Wenn die Kosten und Vorsteuer des Buchbindens in der Höhe von Euro 172,90 + 20% Mwst Euro 34,58 anerkannt werden, müssen auch die Vorsteuer und Kosten des Druckens (gebucht unter Reparaturen) in der Höhe von Euro 1593,81 + 20% Mwst. Euro 318,76 anerkannt werden. Da Drucker und Computer Strom zum Betrieb benötigen und zusammen mit dem Druckpapier auf gleicher Temperatur gehalten werden müssen, ergibt sich auch der Gas- und Stromverbrauch von Euro 1797,34 + 20% Mwst. Euro 359,47."
Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 27. Oktober 2011 erklärte die belangte Behörde die Berufung als gemäß § 85 Abs. 2 BAO zurückgenommen und begründete dies wie folgt:
"Da nur der Spruch eines Bescheides der Rechtskraft fähig ist, kann nur der Spruch (Teile des Spruches) Anfechtungsgegenstand iSd § 250 Abs 1 lit b sein. Die Angabe der Berufungspunkte grenzt den Bereich ab, über den in der meritorischen Berufungserledigung jedenfalls abzusprechen ist (Ritz, BAO3, § 250, Tz 7 und 8). Gemäß § 198 Abs 2 BAO haben Abgabenbescheide im Spruch die Art und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zu enthalten. Bemessungsgrundlagen für die Umsatzsteuer sind im Wesentlichen die Umsätze (gegliedert nach Steuersätzen) sowie die Vorsteuern (Ritz, aaO, § 198, Tz 18, mwN). In diesem Sinn hätte die Berufung den Bescheid hinsichtlich des Spruchbestandteiles 'steuerpflichtige Umsätze von EUR 103,83' anfechten müssen. Die Anfechtung in diesem Punkt ist notwendig, damit die Anfechtungspunkte Deckung im Abänderungsantrag iSd § 250 Abs 1 lit. c BAO auf erklärungskonforme Festsetzung der Umsatzsteuer 2007 finden. Ohne die Steuerfreiheit der erklärten Umsätze ergibt sich bereits rein rechnerisch keine Umsatzsteuer im Sinne der Abgabenerklärung, worauf der Berufungsantrag aber gerichtet ist. Der Spruchbestandteil 'Vorsteuern' wird von der Berufung idF der Schriftsätze vom 31.01.2011 und vom 13.10.2011 im von der Amtspartei nicht anerkannten Ausmaß angefochten.
Keine Begründung iSd § 250 Abs 1 lit d BAO stellt die nicht näher begründete Behauptung dar, die vorgeschriebene Abgabe sei zu hoch, der Bescheid unrichtig, ungesetzlich oder entspreche nicht dem Gesetz (Ritz, BAO3, § 250, Tz 15, mwN). Die ursprüngliche Berufungsbegründung entspricht diesen vom VwGH entschiedenen Fällen und geht auch idF der Schriftsätze vom 31.01.2011 und vom 13.10.2011 bezüglich Vorsteuern aus Zahlungen an Autoren und steuerfreie Ausfuhrlieferung nicht darüber hinaus, sodass sie insoweit nicht als Begründung im Rechtssinne zu beurteilen ist.
Mit Schriftsatz vom 13.10.2011 wurde dem Mängelbehebungsauftrag daher nicht vollständig entsprochen. Selbst dann, wenn der UFS seiner Entscheidungspflicht hinsichtlich aller Berufungspunkte nachkäme, könnte er dem Berufungsantrag daher dennoch nicht stattgeben.
Eine mit inhaltlichen Mängeln behaftete Berufung ist einer meritorischen Entscheidung nicht zugänglich. Eine Berufung gegen einen Abgabenbescheid ist dann als ohne inhaltliche Mängel iSd § 250 Abs 1 lit. a bis d BAO anzusehen, wenn der angefochtene Bescheid zumindest bestimmbar bezeichnet wird, Anfechtungspunkte und Begründungspunkte dem Grunde und der Höhe nach konform gehen und der sich unter der Annahme einer vollen Berufungsstattgabe ergebende Abänderungsbetrag dem im Berufungsantrag angeführten Betrag entspricht, wobei Berechenbarkeit ausreicht."
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde - erwogen:
Gemäß § 250 Abs. 1 BAO idF vor dem FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, muss die Berufung enthalten:
- a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;
- b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;
- c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;
- d) eine Begründung.
Wenn eine Berufung nicht den im § 250 Abs. 1 BAO idF vor dem FVwGG 2012 umschriebenen Erfordernissen entspricht, so hat die Abgabenbehörde erster Instanz gemäß § 85 Abs. 2 BAO idF des AbgVRefG, BGBl. I Nr. 20/2009, dem Berufungswerber die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Berufung nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt.
Nach § 279 Abs. 1 BAO idF vor dem FVwGG 2012 haben im Berufungsverfahren die Abgabenbehörden zweiter Instanz die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden erster Instanz auferlegt und eingeräumt sind.
Die belangte Behörde trug dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 7. Oktober 2011 gemäß § 279 Abs. 1 iVm § 85 Abs. 2 BAO auf, zu erklären, in welchen Punkten der Umsatzsteuerbescheid 2007 vom 25. November 2009 angefochten werde (§ 250 Abs. 1 lit. b BAO), und zu begründen, wieso er die Berufung für berechtigt bzw. für Erfolg versprechend hält (§ 250 Abs. 1 lit. d BAO).
Was die "angefochtenen Punkte" betrifft, hat der Beschwerdeführer schon in der Berufung vom 30. November 2009 begehrt "den Bescheid vom 25. November 2009 aufzuheben". Ergänzend dazu hat er im Vorlageantrag vom 13. Jänner 2011 beantragt, die Vorsteuer gemäß seiner Umsatzsteuererklärung für 2007 festzusetzen. Damit lag ein tauglicher Entscheidungsgegenstand vor, wobei außer Betracht zu bleiben hat, ob die beantragte Entscheidung bei der gegebenen Sach- und Rechtslage in Betracht gekommen und die dem Antrag beigegebene Begründung im Sinne des Begehrens zielführend und schlüssig gewesen wäre (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2002, 97/13/0037, mwN). Darauf, dass die Anfechtungs- und Begründungspunkte dem Grunde und der Höhe nach konform gehen, kommt es - entgegen den diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Bescheid - nicht an.
Es trifft zu, dass die Berufung vom 30. November 2009 keine Begründung enthielt. Der Beschwerdeführer hat aber, unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung vom 7. Jänner 2011, wonach die Vermietung an Erika K bzw. die Verwertung von Werknutzungsrechten keine steuerlich anerkannten Einkunftsquellen darstellten und die damit im Zusammenhang stehenden Vorsteuern nicht anerkannt werden könnten, im Vorlageantrag vom 13. Jänner 2011 und im Mängelbehebungsschriftsatz vom 13. Oktober 2011 u.a. ausgeführt, dass er aus diesen Titeln keine Vorsteuern geltend gemacht habe (vielmehr auch konkret zu berücksichtigende Vorsteuerabträge nennt). Der Beschwerdeführer ist demnach der Aufforderung nachgekommen, zu begründen, wieso er die Berufung für berechtigt bzw. für Erfolg versprechend hält. Die fehlenden Ausführungen zur Steuerfreiheit der im Jahr 2007 erklärten Umsätze rechtfertigen die Feststellung einer Zurücknahme der Berufung nicht, weil eine Vorgangsweise gemäß § 85 Abs. 2 BAO schon dann nicht mehr in Betracht kommt, wenn eine Berufung ein Anfechtungssubstrat enthält, welches unabhängig von einem allfälligen weiteren Vorbringen einer meritorischen Berufungserledigung zugänglich ist (vgl. idS das hg. Erkenntnis vom 30. September 1998, 93/13/0258, VwSlg 7314/F).
Nach dem Gesagten hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, mit dem die Berufung als zurückgenommen erklärt wurde, mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 29. Juli 2014
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