VwGH 2010/15/0211

VwGH2010/15/021122.5.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des E M in M, vertreten durch die Gneist Consulting Team Steuerberatung GmbH in 7343 Neutal, Werner von Siemens-Straße 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 10. November 2010, Zl. RV/1699-W/09, betreffend Einkommensteuer 2007, zu Recht erkannt:

Normen

EStG §16 Abs1;
EStG §4 Abs4;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2014:2010150211.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Ein Kostenzuspruch findet nicht statt.

Begründung

Der Beschwerdeführer machte in der Einkommensteuererklärung 2007 65.800 EUR als außergewöhnliche Belastung geltend, die vom Finanzamt mit der Begründung nicht anerkannt wurde, dass die Übernahme einer Bürgschaft für Schulden einer GmbH durch einen Gesellschafter und in weiterer Folge dessen Inanspruchnahme mangels Zwangsläufigkeit zu keiner außergewöhnlichen Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 führe.

Der Beschwerdeführer berief gegen den Einkommensteuerbescheid 2007, beantragte für den Fall der Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung, und brachte vor, dass er im Zusammenhang mit seiner in Konkurs verfallenen GmbH Zahlungen an die Bank (10.800 EUR), das Finanzamt (45.000 EUR) und die Gebietskrankenkasse (10.000 EUR) geleistet habe. "(Der Beschwerdeführer) konnte sich aus rechtlichen Gründen der geltend gemachten Haftung nicht entziehen."

Das Finanzamt erließ eine abweisende Berufungsvorentscheidung und führte begründend dazu aus, dass Zahlungen des Gesellschafter-Geschäftsführers für seine GmbH keine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 darstellten, weil der Gesellschafter-Geschäftsführer damit ein Wagnis übernommen habe, das dem eines Unternehmers gleiche. Damit sei die für § 34 EStG 1988 erforderliche Zwangsläufigkeit nicht gegeben.

Der Beschwerdeführer beantragte die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

In der über Antrag des Beschwerdeführers abgehaltenen mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde führte die steuerliche Vertreterin des Beschwerdeführers u.a. aus, dass das Finanzamt hinsichtlich der Steuerschulden der GmbH einen Haftungsbescheid über rund 370.000 EUR ausgestellt und der Beschwerdeführer aufgrund dieses Bescheides im Jahr 2007 45.000 EUR an das Finanzamt bezahlt habe. Weiters habe es für von der GmbH geschuldete Sozialversicherungsbeiträge eine Einigung zwischen der Sozialversicherungsanstalt und dem Beschwerdeführer als Geschäftsführer der GmbH gegeben, aufgrund welcher der Beschwerdeführer im Jahr 2007 10.000 EUR geleistet habe. "Bei diesen öffentlichen Abgaben bzw. Beiträgen handelt es sich um gesetzliche Haftungen des Geschäftsführers einer GmbH."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

Strittig sei, ob die Zahlungen des Beschwerdeführers aufgrund vertraglicher und gesetzlicher Haftungen, die im Zusammenhang mit seiner Funktion als Gesellschafter-Geschäftsführer seiner Gesellschaft stünden, die Voraussetzungen einer außergewöhnlichen Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 erfüllten.

Erwachse eine Belastung aus der Erfüllung einer Rechtspflicht - diese sei naturgemäß zwangsläufig -, müsse bereits die Übernahme der Rechtspflicht das Merkmal der (rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen) Zwangsläufigkeit aufweisen. Das bedeute, dass nicht die aus der vertraglichen Schuldübernahme oder gesetzlichen Haftungspflicht resultierende Rückzahlung die im § 34 EStG geforderten Kriterien erfüllen müsse, sondern das zu dieser Rückzahlung führende, vorgelagerte Verhalten. Aus welchen Gründen dann der Steuerpflichtige in weiterer Zukunft aus der eingegangenen Haftung in Anspruch genommen und letztendlich zur Rückzahlung verpflichtet werde, sei nicht mehr relevant.

Maßgebend sei somit, dass bereits das Eingehen einer Bürgschaft durch den Steuerpflichtigen oder das eine gesetzliche Haftung begründende Verhalten auf Zwangsläufigkeit beruhe.

Die Übernahme einer Bürgschaft, die der Gesellschafter (oder Geschäftsführer) zu Gunsten der Gesellschaft (zB GmbH) eingehe, stelle bei dessen Inanspruchnahme als Bürge keine außergewöhnliche Belastung dar, weil der Gesellschafter mit der Bürgschaftsübernahme in der Regel freiwillig ein Wagnis übernommen habe, das dem eines Unternehmers gleiche. Da das zur Haftung führende Verhalten nicht auf Zwangsläufigkeit beruhe, sei eine außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen. Zudem sei zu beachten, dass § 34 EStG nicht zu dem Zweck geschaffen worden sei, wirtschaftliche Misserfolge, die ja die verschiedensten Ursachen haben könnten, mit einer Ermäßigung der Einkommensteuer zu berücksichtigen und in einem solchen Fall die Steuerlast auf die Allgemeinheit abzuwälzen.

Das Eingehen von Bürgschaften auf Grund der Gesellschafterstellung sowie die Begründung gesetzlicher Organhaftungen durch Ausübung einer Geschäftsführerfunktion stellten ein typisches Unternehmerwagnis dar. Belastungen der Gesellschaftsorgane aus der Verwirklichung dieser Risiken erfüllten nicht den Tatbestand des § 34 EStG 1988, weil der Steuerpflichtige diese Organfunktion aus freien Stücken übernommen habe. Zur gesetzlichen Haftung des Vertreters für Abgaben der Gesellschaft (§ 9 BAO) sei überdies anzumerken, dass es in der Dispositionsfreiheit des Geschäftsführers liege, die Geschäfte der Gesellschaft so zu führen, dass nicht durch eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten ein Abgabenausfall eintrete. Mit Wirksamkeit des Haftungsbescheides für Abgabenschulden der Gesellschaft werde der Geschäftsführer zum Gesamtschuldner dieser Abgaben. Die Bezahlung von Abgaben durch einen Abgabenschuldner erfülle jedoch nicht das Merkmal der Außergewöhnlichkeit (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1989, 86/13/0089).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht darauf verletzt, "Ausgaben, welche ausschließlich aus der beruflichen Sphäre entstanden sind, geltend zu machen", und wirft der belangten Behörde unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, dass sie nicht festgestellt habe, ob die in Rede stehenden Aufwendungen "der beruflichen Sphäre oder der privaten Sphäre zuzuordnen sind".

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Erstattung einer Gegenschrift und Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 4 EStG 1988 sind Betriebsausgaben die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind.

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 30. Mai 2001, 95/13/0288, zu Recht erkannt, dass Zahlungen eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH auf Grund einer Inanspruchnahme als Haftender für Abgabenschulden und Sozialversicherungsbeiträge keine nicht abziehbaren Einlagen in die GmbH darstellen, weil eine solche Haftungsinanspruchnahme auch Geschäftsführer treffen kann, die an der Gesellschaft nicht beteiligt sind. Derartige Zahlungen stellen daher Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten dar, sofern - wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 30. Mai 2001 ebenfalls ausgesprochen hat - nicht eine private (außersteuerliche) Verhaltenskomponente das Band zur beruflichen Veranlassung durchschneidet. Letzteres trifft im Falle eines Gesellschafter-Geschäftsführers jedenfalls auch dann zu, wenn das zur gesetzlichen Haftungsinanspruchnahme führende Fehlverhalten der Gesellschaftersphäre zuzurechnen ist, weil es andernfalls zu einer Ungleichbehandlung von gesetzlichen Haftungen und privaten Haftungsübernahmen käme (vgl. zu letzteren zB das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2013, 2009/13/0071, mwN).

Der Beschwerdeführer war Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH und hat in der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2007 u.a. vorgebracht, dass er im Zusammenhang mit der in Konkurs verfallenen GmbH im Jahr 2007 45.000 EUR an das Finanzamt und 10.000 EUR an die Gebietskrankenkasse gezahlt habe. Ergänzend dazu führte die steuerliche Vertreterin des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde aus, dass das Finanzamt hinsichtlich der Steuerschulden der GmbH einen Haftungsbescheid über rund 370.000 EUR ausgestellt und der Beschwerdeführer aufgrund dieses Bescheides im Jahr 2007 45.000 EUR an das Finanzamt bezahlt habe. Für Sozialversicherungsbeiträge der GmbH habe es eine Einigung zwischen der Sozialversicherungsanstalt und dem Beschwerdeführer als Geschäftsführer der GmbH gegeben, aufgrund welcher der Beschwerdeführer im Jahr 2007 10.000 EUR geleistet habe. Der belangten Behörde lagen somit konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass ein erheblicher Teil der in Rede stehenden Zahlungen Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten darstellen könnten, die, ungeachtet dessen, dass sie vom Beschwerdeführer als "außergewöhnliche Belastung" geltend gemacht wurden, von Amts wegen zu berücksichtigen wären. Tatsächlich hat sich die belangte Behörde mit dieser Problematik - wie zuvor das Finanzamt - nicht auseinandergesetzt. Soweit die belangte Behörde dazu in der Gegenschrift ausführt, dass im Streitfall schon deswegen keine Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten vorliegen könnten, weil der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit seiner Funktion als Gesellschafter-Geschäftsführer "im Streitjahr 2007 und auch in den Vorjahren keine außerbetrieblichen Einkünfte" erhalten habe, ist sie, abgesehen davon, dass dieses Vorbringen für den Verwaltungsgerichtshof mangels Vorlage des die Vorjahre betreffenden Steueraktes nicht überprüfbar ist, darauf zu verweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein wesentlicher Begründungsmangel in der Gegenschrift nicht nachgeholt werden kann.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Gemäß § 59 Abs. 1 VwGG ist Aufwandersatz vom Verwaltungsgerichtshof auf Antrag zuzuerkennen. Mangels eines Kostenantrages war Kostenersatz nicht zuzusprechen.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 22. Mai 2014

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