VwGH 2012/04/0021

VwGH2012/04/002111.9.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Zirm, über die Beschwerde der X GmbH in Y, vertreten durch Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Europaplatz 7, gegen den Bescheid der Regulierungskommission der Energie-Control Austria für die Regulierung der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft (E-Control) vom 16. Jänner 2012, Zl. R ALB G 03/11, PA 118/12, betreffend Untersagung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 125 Abs. 3 Gaswirtschaftsgesetz 2011 (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §864a;
ABGB §879 Abs1;
ABGB §879;
Energie-RegulierungsbehördenG 2002 §16 Abs1 Z3;
GWG 2011 §125 Abs1;
GWG 2011 §125 Abs5;
GWG 2011 §125 Abs6;
GWG 2011 §127 Abs3;
GWG 2011 §7 Abs1 Z11;
KSchG 1979 §1 Abs1;
KSchG 1979 §6 Abs3;
KSchG 1979 §6;
KSchG 1979 §9;
TKG 2003 §25 Abs6;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen Bescheid der Regulierungskommission der E-Control wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 125 Abs. 5 Gaswirtschaftsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 107 (GWG 2011), iVm § 12 Abs. 1 Z. 4 des Energie-Control-Gesetzes, BGBl. I Nr. 110/2010 idF BGBl. I Nr. 107/2011 (E-ControlG), untersagt, "im geschäftlichen Verkehr mit Endverbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie von ihr geschlossenen Verträgen zugrunde legt, folgende Formulierungen zu verwenden sowie sich auf die folgenden Formulierungen zu berufen, soweit diese unzulässigerweise vereinbart worden sind:

1. 'Auch nach Beendigung des Energieliefervertrages gelten diese AGB weiter, solange der Kunde aus der Bilanzgruppe von gasdiskont.at Energie bezieht.'

2. 'Jeder Vertragspartner kann bei Vorliegen eines wichtigen Grundes den Energieliefervertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist mit sofortiger Wirkung vorzeitig auflösen. Hievon bleiben allfällige sonstige Ansprüche der Vertragsparteien unberührt. Als wichtige Gründe gelten insbesondere (..)

( wesentliche Vertragsverletzungen - insbesondere, Liefer- oder Zahlungsverzug und Nichtherstellung des vertragsgemäßen Zustandes trotz Aufforderung zur Verbesserung unter Setzung einer vierzehntägigen Nachfrist;

( gänzliche oder teilweise Nichtzahlung, Rückbuchung bzw. Nichtanpassung einer vereinbarten oder nicht gasdiskont gemäß Pkt. 9 geforderten Sicherheitsleistung bzw. Vorauszahlung;

( wenn die Bankeinzugsermächtigung nicht gültig erteilt oder widerrufen wird, ohne dass eine angemessene Sicherheit oder Vorauszahlung (maximal 6 monatliche Teilbeträge) geleistet wurde.'

3. 'Bei Zahlungsverzug (insbesondere durch mangelnde Durchführbarkeit oder Rückbelastung von Bankeinzügen) wird gasdiskont den Kunden einmalig mahnen und eine Frist von 14 Tagen zur Ermöglichung eines reibungslosen Lastschrifteneinzugs oder Überweisung des offenen Betrages setzen. Nach Ende dieser Frist wird gasdiskont - sofern die offene Forderung bis dahin nicht zur Gänze beglichen wurde - einen erneuten Lastschrifteneinzug versuchen. Ist dieser nicht durchführbar, so ist gasdiskont zur außerordentlichen sofortigen Kündigung und/oder Deckung offener Kundenforderungen aus allfälligen Sicherheitsleistungen des Kunden berechtigt, worauf der Kunde in der Mahnung ausdrücklich hingewiesen wird. Kündigt gasdiskont den Vertrag nicht, ist gasdiskont berechtigt, die Wiederaufstockung der Sicherheit zur Absicherung künftiger Leistungen aus dem Lieferverhältnis zu verlangen.'"

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe mit Schreiben vom 16. November 2011 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) für die Belieferung mit Erdgas unter der Marke "gasdiskont.at" (Allgemeine Lieferbedingungen) gemäß § 12 Abs. 1 Z. 4 E-Control-G iVm § 125 Abs. 1 GWG 2011 angezeigt. Da die im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten Formulierungen dieser AGB rechtswidrig seien, sei ihre Anwendung zu untersagen.

Zu Spruchpunkt 1 (gemeint: Punkt 1 der AGB) führte die belangte Behörde aus, die Geltung von AGB setze einen bestehenden Vertrag voraus. Daher sei eine generelle Vereinbarung der Weitergeltung von AGB ohne aufrechtes Vertragsverhältnis rechtswidrig. Soferne ein Kunde nach Beendigung des Vertrages aus der Bilanzgruppe der Beschwerdeführerin Energie beziehe, seien allfällig entstehende Ansprüche nach allgemeinem zivilrechtlichem Bereicherungsrecht abzuwickeln.

Zu den Spruchpunkten 2 und 3 (gemeint: Punkte 2 und 3 der AGB) führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, in § 127 Abs. 3 GWG 2011 sei ein qualifiziertes Mahnverfahren vor einer physischen Trennung der Netzverbindung normiert. In dieser Bestimmung sei lediglich eine "Vertragsverletzung" erwähnt, sodass nicht nur die Verletzung eines Netzzugangsvertrages, sondern auch eines Liefervertrages umfasst sei. Wäre das qualifizierte Mahnverfahren nur bei einer Verletzung des Netzzugangsvertrages erforderlich, wäre dieses Erfordernis in der an den Netzbetreiber gerichteten Bestimmung des § 127 Abs. 1 GWG 2011 zu regeln gewesen. Wenn Versorger in Allgemeinen Lieferbedingungen die Aussetzung der Belieferung oder die Vertragsauflösung aus wichtigem Grund bei Zahlungsverzug von einem vorhergehenden Verfahren abhängig machten, das den Anforderungen gemäß § 127 Abs. 3 GWG 2011 nicht entspreche, werde diese Bestimmung unterlaufen, da eine physische Trennung vom Netz nur unter Einhaltung des dort geregelten qualifizierten Mahnverfahrens erfolgen könne. Dies würde bedeuten, dass ein Kunde, dessen Liefervertrag durch den Versorger ohne Einhaltung des qualifizierten Mahnverfahrens aufgelöst werde, für einen gewissen Zeitraum, mindestens jedoch einige Wochen, am Netz angeschlossen bleibe, ohne dass er über einen aufrechten Energieliefervertrag verfüge. Der Netzbetreiber könnte erst die Abschaltung vornehmen, wenn er das qualifizierte Mahnverfahren durchgeführt habe. Es könne aber nicht Sache des Netzbetreibers sein, bei Nichtzahlung der Verpflichtungen aus dem Liefervertrag den Kunden zu mahnen. Somit habe eine Abstimmung zwischen Versorger und Netzbetreiber bei einer Vertragsverletzung, welche die Einhaltung des qualifizierten Mahnverfahrens erfordere, beispielsweise bei Zahlungsverzug, zu erfolgen und es sei das qualifizierte Mahnverfahren durch den Gläubiger der ausstehenden Zahlungen durchzuführen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

II.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Gaswirtschaftsgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 107 (GWG 2011), lauten wie folgt:

"Allgemeine Geschäftsbedingungen für die Belieferung mit Erdgas

§ 125. (1) Erdgashändler und Versorger haben Allgemeine Geschäftsbedingungen für die Belieferung mit Erdgas für Kunden, deren Verbrauch nicht mit einem Lastprofilzähler gemessen wird, zu erstellen. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie ihre Änderungen sind der Regulierungsbehörde vor ihrem Inkrafttreten in elektronischer Form anzuzeigen und in geeigneter Form zu veröffentlichen.

(5) Die Regulierungsbehörde kann die Anwendung der gemäß Abs. 1 angezeigten Lieferbedingungen innerhalb von zwei Monaten insoweit untersagen, als diese gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen. Die Zuständigkeiten zur Überprüfung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

(6) Durch die Regelungen der Abs. 1 bis 5 bleiben die Bestimmungen des KSchG und des ABGB unberührt.

Abschaltung der Netzverbindung und Information der Kunden

§ 127.

(3) Der Netzbetreiber ist in Fällen der Vertragsverletzung zur physischen Trennung der Netzverbindung nur berechtigt, wenn dem eine zweimalige Mahnung inklusive jeweils mindestens zweiwöchiger Nachfristsetzung vorangegangen ist. Die zweite Mahnung hat auch eine Information über die Folge einer Abschaltung des Netzzuganges nach Verstreichen der zweiwöchigen Nachfrist sowie über die damit einhergehenden voraussichtlichen Kosten einer allfälligen Abschaltung zu enthalten. Die letzte Mahnung hat mit eingeschriebenem Brief zu erfolgen."

Die maßgeblichen Bestimmungen des Energie-Control-Gesetzes, BGBl. I Nr. 110/2010 idF BGBl. I Nr. 107/2011 (E-ControlG), lauten:

"Errichtung der Regulierungsbehörde

§ 2. (1) Zur Besorgung der Regulierungsaufgaben im Bereich der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft wird unter der Bezeichnung 'Energie-Control Austria für die Regulierung der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft (E-Control)' eine Anstalt öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit eingerichtet.

Organe

§ 5. (1) Organe der E-Control sind:

2. die Regulierungskommission,

Rechtsschutz

§ 9.

(4) Entscheidungen der Regulierungskommission der E-Control unterliegen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Gegen alle Entscheidungen der Regulierungskommission der E-Control kann Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Aufgaben der Regulierungskommission

§ 12. (1) (Verfassungsbestimmung) Die Regulierungskommission der E-Control ist zur bescheidmäßigen Erledigung folgender Aufgaben zuständig:

4. die Untersagung der Anwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Belieferung mit elektrischer Energie und Erdgas gemäß § 80 ElWOG 2010 und § 125 GWG 2011, die gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen;

…"

2. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Nicht-Untersagung der in Rede stehenden Klauseln ihrer AGB verletzt. Sie bringt gegen den angefochtenen Bescheid zunächst vor, die belangte Behörde habe mit der von ihr einleitend verwendeten Formulierung ihre Kompetenzen zur Untersagung von AGB nach § 125 Abs. 5 GWG 2011 überschritten. Damit zeigt die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

§ 125 GWG 2011 verpflichtet Erdgashändler und Versorger die zu erstellenden AGB für die Belieferung mit Erdgas für Kunden, deren Verbrauch nicht mit einem Lastprofilzähler gemessen wird, sowie ihre Änderungen der Regulierungsbehörde vor ihrem Inkrafttreten anzuzeigen (Abs. 1). Die Regulierungsbehörde "kann die Anwendung der gemäß Abs. 1 angezeigten Lieferbedingungen innerhalb von zwei Monaten insoweit untersagen, als diese gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen". Die Zuständigkeiten zur Überprüfung von AGB nach anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

Damit sieht das GWG 2011 - vergleichbar etwa dem Widerspruchsverfahren nach § 25 Abs. 6 Telekommunikationsgesetz 2003 (TKG 2003) - eine aufsichtsbehördliche Prüfung von AGB vor, welche ein zur (in der Regel nachlaufenden) Klauselkontrolle durch die Zivilgerichte komplementäres Instrument darstellt, durch das sichergestellt werden soll, dass die auf dem Markt verwendeten Geschäftsbedingungen gewissen Mindestanforderungen gerecht werden. Dabei obliegt der belangten Behörde, eigenständig eine Würdigung der vorgelegten Geschäftsbedingungen vorzunehmen und deren Vereinbarkeit mit dem in § 125 Abs. 5 GWG 2011 angeführten Maßstab zu prüfen. Es handelt sich um eine präventive Klauselkontrolle, die sich von der von den Zivilgerichten vorzunehmenden Geltungs- oder Inhaltskontrolle gemäß den §§ 864a und 879 ABGB und §§ 6 und 9 KSchG - sieht man von Verbandsklagen im Sinne des zweiten Hauptstücks des KSchG ab - schon insoferne unterscheidet, als im Falle der gerichtlichen Kontrolle in Individualverfahren keine abstrakte, von einem konkreten Vertragsverhältnis losgelöste Beurteilung erfolgt, sondern stets auf alle Umstände des Einzelfalles abzustellen ist. Eine allenfalls erteilte behördliche Genehmigung - bzw. vorliegend nach § 125 Abs. 5 GWG 2011 eine Nicht-Untersagung - hat für eine zivilgerichtliche Geltungs- bzw. Inhaltskontrolle keine Bedeutung (vgl. zu allem zum Widerspruchsverfahren nach § 25 Abs. 6 TKG 2003 bereits das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2005, Zl. 2004/03/0066, mwN auf Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH)).

Ausgehend von einer solchen präventiven Klauselkontrolle steht der belangten Behörde gemäß § 125 Abs. 5 GWG 2011 daher nur die Kompetenz zu, die (weitere) Anwendung der angezeigten AGB pro futuro zu untersagen (vgl. so zur Klauselkontrolle nach § 25 Abs. 6 TKG 2003 das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2012, Zl. 2012/03/0067, mwN).

Ergänzend sei angemerkt, dass § 125 GWG 2011 dem Erdgashändler und Versorger den Abschluss von Verträgen auf Grundlage der gemäß Abs. 1 leg. cit. erstellten AGB vor Ablauf der in Abs. 5 leg. cit. angeführten Frist auch nicht erlaubt. So heißt es in § 125 Abs. 1 GWG 2011, dass die AGB der Regulierungsbehörde vor ihrem Inkrafttreten anzuzeigen sind. Die Regulierungsbehörde hat nach § 125 Abs. 5 GWG 2011 die Kompetenz, die Anwendung dieser AGB innerhalb von zwei Monaten zu untersagen. Beide Bestimmungen können in ihrem Zusammenhang nur so gelesen werden, dass ein Inkrafttreten und somit eine Anwendung der angezeigten AGB vor einer fristgerechten Entscheidung der Regulierungsbehörde nicht zulässig ist.

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid der Beschwerdeführerin untersagt, "im geschäftlichen Verkehr mit Endverbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie von ihr geschlossenen Verträgen zugrunde legt, folgende Formulierungen zu verwenden", was einer präventiven Klauselkontrolle pro futuro entspricht. Jedoch hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin weiter untersagt, "sich auf die folgenden Formulierungen zu berufen, soweit diese unzulässigerweise vereinbart worden sind". Dieser zweite Teil der Untersagung findet nach dem Obgesagten keine Grundlage in § 125 Abs. 5 GWG 2011. Die Untersagung der Berufung auf Klauseln in bereits abgeschlossenen Verträgen (arg.: "soweit diese unzulässigerweise vereinbart worden sind") ist von der präventiven Klauselkontrolle der belangten Behörde nicht umfasst.

Daher hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid in diesem Umfang mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

3. Die Beschwerdeführerin bringt gegen den angefochtenen Bescheid weiter vor, die Begründung sei derart lücken- und damit mangelhaft, dass der Beschwerdeführerin eine inhaltlich nachvollziehbare Nachprüfung erschwert werde. So führe die belangte Behörde lediglich lapidar an, die im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten Formulierungen seien "rechtswidrig". Aus dem angefochtenen Bescheid ergebe sich aber nicht, worin ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten gelegen sein solle. Der ausgesprochenen Untersagung fehle die tatbestandliche Voraussetzung des § 125 Abs. 5 GWG 2011 eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten. So habe die belangte Behörde sich auf keinen wie immer gearteten Ansatzpunkt für eine Sittenwidrigkeit bezogen. Weiters stelle die von der belangten Behörde angesprochene Bestimmung des § 127 Abs. 3 GWG 2011 ein Gebot und kein gesetzliches Verbot dar.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

3.1. Mit der Vorgabe eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten deckt sich der Untersagungsmaßstab des § 125 Abs. 5 GWG 2011 mit jenem des § 879 Abs. 1 ABGB. § 125 Abs. 6 GWG 2011 enthält die ausdrückliche Bestimmung, dass durch die Regelungen des Abs. 1 bis 5 die Bestimmungen des KSchG und des ABGB unberührt bleiben.

§ 125 Abs. 5 zweiter Satz GWG 2011 spricht davon, dass die Zuständigkeiten zur Überprüfung von AGB nach anderen Rechtsvorschriften unberührt bleiben.

Im Hinblick auf den Untersagungsmaßstab des § 125 Abs. 5 GWG 2011 kann daher auf die zu § 879 Abs. 1 ABGB ergangene ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) verwiesen werden (vgl. zu dieser auch etwa Riedler, Rechtswidrige AGB in Strom- und Gasverträgen, ÖJZ 2009, 639 ff):

Nach ständiger Rechtsprechung des OGH liegt ein "gesetzliches Verbot" im Sinne des § 879 Abs. 1 ABGB nur bei einem Verstoß gegen ein Gesetz im materiellen Sinn vor, welches somit eine generelle Norm sein muss (vgl. etwa den Beschluss des OGH vom 24. September 2008, 2 Ob 11/08v, mit weiteren Nachweisen, sowie Krejci in Rummel3, § 879 Rz. 19 bis 24). Zum Begriff des Verbots im Sinne des § 879 Abs. 1 ABGB hat der OGH in ständiger Rechtsprechung festgehalten, dass die Nichtigkeit des Geschäfts die Folge der Verbotswidrigkeit ist, wenn die Rechtsordnung bestimmte Rechtsgeschäfte verbietet, um die Rechtsfolge derselben zu verhindern. Ein verbotenes Rechtsgeschäft ist allerdings mangels ausdrücklicher Nichtigkeitssanktion im Verbotsgesetz nur dann nichtig, wenn dies der Zweck der Verbotsnorm verlangt (vgl. etwa das Erkenntnis des OGH vom 3. Juni 2009, 7 Ob 248/08h, mwN und Krejci in Rummel3, § 879 Rz. 25 ff).

Von einem Verbot ist schon dann auszugehen, wenn der Gesetzesbestimmung zwingender Charakter zukommt, sie daher durch eine ihr entgegenstehende Vereinbarung nicht aufgehoben oder abgeändert werden kann. Ordnet das Gesetz nicht ausdrücklich an, dass ihm widersprechende Geschäfte nichtig sein sollen, so ist entscheidend, ob der Verbotszweck die Ungültigkeit verlangt oder ob sich die verletzte Norm mit der Verhängung anderer Rechtsfolgen etwa mit einer Bestrafung begnügt (vgl. etwa das Urteil des OGH vom 19. März 2013, 9 ObA 133/12t, mit Verweis auf OGH vom 25. September 1979, 5 Ob 607/79 u.a.).

Als gesetzliches Verbot kommt, da die angezeigten AGB auch auf Rechtsgeschäfte im Sinne des § 1 Abs. 1 KSchG Anwendung finden, das Transparenzgebot des § 6 Abs. 3 KSchG in Frage (vgl. so zur Verwendung von AGBs nach § 16 Abs. 1 Z. 3 Energie-Regulierungsbehördengesetz das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2013, Zl. 2010/05/0079, mwN; vgl. zur Transparenz für den Verbraucher nach der Richtlinie 2003/55/EG über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 21. März 2013 in der Rechtssache C-92/11 , RWE Vertrieb AG gegen Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V.)

Zur Sittenwidrigkeit nach § 879 Abs. 1 ABGB führt der OGH aus, Sittenwidrigkeit nach § 879 Abs. 1 ABGB kann, falls ein gesetzliches Verbot fehlt, dann angenommen werden, wenn die Interessenabwägung eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen oder bei Interessenkollisionen ein grobes Missverhältnis zwischen den durch die Handlung verletzten und den durch die sie geförderten Interessen ergibt (vgl. das Erkenntnis des OGH vom 24. Juni 2010, 6 Ob 54/10z, mwN). Ein Geschäft ist sittenwidrig, wenn es ohne gegen ein positives inländisches Gesetz zu verstoßen, offenbar rechtswidrig ist, also ungeschriebenes Recht - insbesondere allgemeine und oberste Rechtsgrundsätze - verletzt. Sittenwidrigkeit liegt insbesondere dann vor, wenn der Vertrag eine krasse einseitige Benachteiligung eines Vertragspartners enthält. Im Hinblick auf den Grundsatz der Privatautonomie wird die Rechtswidrigkeit wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten nur dann bejaht, wenn die Interessenabwägung eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen ergibt oder wenn bei einer Interessenkollision ein grobes Missverhältnis zwischen den durch die Handlung verletzten und den durch sie geförderten Interessen besteht (vgl. das Erkenntnis des OGH vom 28. Jänner 2009, 1 Ob 145/08t, mwN und Krejci in Rummel3, § 879, Rz. 48 ff).

3.2. Die belangte Behörde hat die Untersagung der Anwendung der hier strittigen AGB ausdrücklich auf die Auffassung gestützt, diese seien "rechtswidrig" und hat sich nicht mit der Frage beschäftigt, inwieweit den untersagten AGB ein gesetzliches Verbot oder eine Sittenwidrigkeit im obigen Sinne entgegen stünde.

Soweit die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift in Reaktion auf das Beschwerdevorbringen Ausführungen zur Sittenwidrigkeit bzw. dem Vorliegen eines gesetzlichen Verbotes iSd § 125 Abs. 5 GWG 2011 nachreicht, ist darauf hinzuweisen, dass der Verfahrensmangel des Fehlens einer Begründung im angefochtenen Bescheid auch durch Ausführungen in der Gegenschrift nicht mehr behoben werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2008, Zl. 2007/11/0203, mwN).

Zum Argument in der Gegenschrift, § 127 Abs. 3 GWG 2011 lasse sich zwanglos als gesetzliches Verbot verstehen, ist darauf hinzuweisen, dass § 127 Abs. 3 GWG 2011 zum Schutz des Endverbrauchers (§ 7 Abs. 1 Z. 11 GWG 2011) vor der physischen Trennung der Netzverbindung zwingend ein qualifiziertes Mahnverfahren vorsieht und diese Vorgabe auch durch eine ihr entgegenstehende Vereinbarung nicht aufgehoben oder abgeändert werden kann. Der zwingende Charakter des qualifizierten Mahnverfahrens ergibt sich bereits aus den Erläuterungen zu § 127 Abs. 3 GWG 2011, wonach zum Schutze aller Kunden sichergestellt werden soll, dass jeder physischen Trennung der Netzverbindung ein klar geregeltes Prozedere vorangeht (RV 1081 BlgNR XXIV. GP, 40). Schon daran ist zu erkennen, dass der Gesetzgeber von diesem qualifizierten Mahnverfahren abweichende vertragliche Regelungen nicht zulassen wollte. Es handelt sich daher bei § 127 Abs. 3 GWG 2011 um ein gesetzliches Verbot, das eine Untersagung nach § 125 Abs. 5 GWG 2011 rechtfertigen könnte.

Jedoch begründete die belangte Behörde die Untersagung der Punkte 2 und 3 der AGB im Wesentlichen damit, dass mit diesen Klauseln § 127 Abs. 3 GWG 2011 "unterlaufen" werde, weil es nicht Sache des Netzbetreibers sei, den Kunden zu mahnen.

Die untersagten Klauseln der AGB betreffen aber die vorzeitige Auflösung des Vertrages und nicht die physische Trennung der Netzverbindung. Wie aus der - von der belangten Behörde aus anderen Gründen untersagten - Klausel des Punktes 1 der AGB deutlich wird, gehen die angezeigten AGB vielmehr davon aus, dass ein Kunde auch nach Beendigung des Energieliefervertrages aus der Bilanzgruppe der Beschwerdeführerin Energie beziehen kann und somit keine physische Trennung vom Netz erfolgt. In diesem Sinne führt auch die Beschwerdeführerin zu dieser Klausel an, für den Kunden ergebe sich keine ihn benachteiligende Änderung, sofern er faktisch weiter Energie beziehe und (wie in dieser Klausel vorgesehen) hierfür die Grundlagen des bisherigen Vertragsverhältnisses gelten würden. Somit wird im angefochtenen Bescheid nicht dargetan, dass in Anwendung der angesprochenen Klauseln Punkte 2 und 3 der AGB abweichend vom gesetzlichen Verbot des § 127 Abs. 3 GWG 2011 eine physische Trennung der Netzverbindung ohne ein qualifiziertes Mahnverfahren vertraglich vereinbart werden solle.

Auch für die Beurteilung, inwieweit die untersagten Punkte 2 und 3 der AGB ein als sittenwidrig einzustufendes Missverhältnis zwischen den Interessen der Beschwerdeführerin und der Endverbraucher begründeten bzw. zu einer gröblichen Benachteiligung der Endverbraucher führen könnten, fehlen im angefochtenen Bescheid ausreichende Feststellungen.

Dies gilt auch für den untersagten Punkt 1 der AGB: Selbst wenn man die Bescheidbegründung dahin verstünde, die untersagte Weitergeltung von AGB ohne aufrechtes Vertragsverhältnis sei an sich sittenwidrig, so fehlen dem angefochtenen Bescheid vor dem Hintergrund der oben dargestellten Rechtslage ausreichende Feststellungen zur Frage, warum diese Weitergeltung an sich (ohne dass auf die jeweiligen Inhalte der weiter geltenden AGB eingegangen würde) eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen der in § 125 GWG 2011 angeführten Endverbraucher bzw. eine krasse einseitige Benachteiligung dieser Endverbraucher bewirkte.

3.3. Insgesamt hat die belangte Behörde aufbauend auf ihre Auffassung, die im angefochtenen Bescheid angeführten Bestimmungen der AGB seien "rechtswidrig" und bereits deswegen gemäß § 125 Abs. 5 GWG 2011 zu untersagen gewesen, keine ausreichenden Feststellungen getroffen, warum diese Bestimmungen - gerade im Hinblick auf die von den AGB betroffenen Endverbraucher (vgl. § 7 Abs. 1 Z. 11 GWG 2011) - gegen ein gesetzliches Verbot bzw. gegen die guten Sitten verstoßen würden.

4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

5. Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 11. September 2013

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