VwGH 2010/15/0070

VwGH2010/15/007019.3.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der Verlassenschaft nach RW, vertreten durch die erblasserische Witwe GW in A, diese vertreten durch die Feldhofer Wirtschaftstreuhand GmbH in 3300 Amstetten, Arthur Krupp Straße 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 8. März 2010, Zl. RV/0917-W/05, betreffend Einkommensteuer 1997 bis 2000, zu Recht erkannt:

Normen

EStG §19;
EStG §4 Abs3;
EStG §19;
EStG §4 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der vor Einbringung der Beschwerde durch die Verlassenschaft verstorbene Richard W (in der Folge: Beschwerdeführer) im Instanzenzug zur Einkommensteuer 1997 bis 2000 veranlagt.

Der Beschwerdeführer war in den genannten Jahren Alleingesellschafter und Geschäftsführer der R GmbH und bezog aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

Im Zuge einer Außenprüfung der Gesellschaft wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer in den Jahren 1997 bis 2000 höhere Beträge ausbezahlt worden seien, als in der "Lohnverrechnung" und der Gewinn- und Verlustrechnung aufschienen. Der Differenzbetrag zwischen den ausbezahlten Beträgen und den letztendlich verbuchten Beträgen sei von der Gesellschaft als Darlehen an den Beschwerdeführer behandelt worden. Die rückwirkende Kürzung der Bezüge sei nicht anzuerkennen. Die "Mehrauszahlungen" seien bei den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit zu erfassen. Mangels Darlehensanerkennung sei der angesetzte Vorteil aus der Nichtbezahlung von Zinsen zu berichtigen und die Einkünfte aus selbständiger Arbeit wie folgt neu festzusetzen:

 

1997

1998

1999

2000

ausbezahltbisher angesetzt

1,330.000,00

- 770.000,00

795.000,00- 770.000,00

1,050.000,00

- 490.000,00

730.000,00

- 490.000,00

Erhöhung der

Einkünfte

560.000,00

25.000,00

560.000,00

240.000,00

bisherige Zinsen

   

- 82.500,00

Einkünfte bisher

671.301,68

629.329,58

367.424,60

479.449,76

Einkünfte neu

1,231.301,68

654.329,58

927.424,60

636.949,76

Das Finanzamt schloss sich der Ansicht des Prüfers an und erließ nach Wiederaufnahme der Verfahren entsprechend geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1997 bis 2000.

In seiner dagegen erhobenen Berufung sprach der Beschwerdeführer von einer "sich ändernden wirtschaftlichen Ertragslage der Gesellschaft", die im Jahr 1997 zu einer Anpassung des Geschäftsführerbezuges geführt habe, was der steuerlichen Vertretung mit Fax vom 29. Juli 1997 folgendermaßen mitgeteilt worden sei:

"… Bezüglich meinem Gehalt: Jetziger Gehalt wird aufgeteilt (1/3 Fixum, 2/3 gewinnabhängig, 50% für mich, 50% für die Firma), aber nur alle zwei Jahre anpassen. Aber dafür kann ich mir in der Zwischenzeit die Differenz als Darlehen rausnehmen. Gilt aber befristet auf 5 Jahre. Dann müssen wir weitersehen. Ich nehme es zu den Akten, falls es nicht geht, bitte anrufen. …"

Zum teilweisen Ausgleich für die vorherzusehende Herabsetzung des Geschäftsführerbezuges - auf Grund der Zukunftsaussichten seien Gehaltseinbußen wahrscheinlich gewesen - sei beschlossen worden, dass sich der Beschwerdeführer die Differenz zu seinem vorhergehenden Bezug als rückzahlbares Darlehen bei der Gesellschaft ausleihen könne. Die genannte Vereinbarung sei über die "ganzen Jahre gelebt, entsprechend ausgeführt, jährlich berechnet und auch entsprechend in den Büchern vermerkt" worden.

Erstmals im Frühjahr 1998 sei eine Neuberechnung des Geschäftsführerbezuges auf Basis des Unternehmensergebnisses 1996 und der Rohbilanz 1997 durchgeführt worden. Von diesem Ergebnis habe man den Durchschnitt errechnet und diesem Durchschnittsergebnis sodann 50% als erfolgsabhängiger Bestandteil zum Fixum hinzugerechnet. Dieser Betrag sei als "gesamt zustehender Geschäftsführerbezug für die zu diesem Zeitpunkt noch nicht bilanzierten zwei Jahre (1997 und 1998) ausgewiesen" worden. Nach derselben Systematik seien die Berechnungen in den Jahren 2000 und 2002 erfolgt.

Im Frühjahr 2002 habe sich insofern eine geänderte Situation ergeben, als sich auf Grund der negativen Geschäftsentwicklung ein negativer Betrag errechnet habe. Es sei entschieden worden, dem Unternehmen neue Mittel zuzuführen, indem das ausstehende Stammkapital einbezahlt, das Stammkapital erhöht und das "Geschäftsführer-Darlehen" vor Ablauf der 5-Jahres-Frist zurückbezahlt worden sei.

Da gewinnabhängige Gehaltsbestandteile nicht im Vorhinein berechnet werden könnten, ergebe sich "die Problematik wie (die endgültige Feststellung kann ja erst nach Ablauf des Jahres erfolgen) dieser bereits während des Jahres zu akontieren" sei. Diese Akontierung könne nur durch Schätzung erfolgen. Die monatlich abgerechneten Beträge hätten nur Akonto-Charakter gehabt. Eine "Festlegung der ausbezahlten Akonto-Beträge als angemessenen GF-Bezug (sei) nicht richtig und systemkonform".

Aus der Bezeichnung der (laufenden monatlichen) Überweisungen als "Gehalt" könne nicht geschlossen werden, dass es sich dabei um den vereinbarten Gesamtbezug gehandelt habe. Da die Anpassung des Geschäftsführerbezuges "strukturiert, nach Regeln und linear" erfolgt sei, sei eine "willkürliche Steueroptimierung im Einzelfall" gegenständlich auszuschließen. Auch erfüllten die vereinbarten Geschäftsführerbezüge alle Kriterien, die die einschlägigen Steuerrichtlinien an die Angemessenheit der Entlohnung stellten.

Nach Einholung einer Stellungnahme des Prüfers zur Berufung, auf die der Beschwerdeführer replizierte, wies die belangte Behörde die Berufung ab.

Begründend wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, der Beschwerdeführer erhalte für seine Geschäftsführertätigkeit von der Gesellschaft monatliche Bezüge (14 Gehälter) ausbezahlt. Eine schriftliche Vereinbarung über die Höhe des Geschäftsführerbezuges bzw. ein schriftlicher Dienstvertrag liege nicht vor. Als Folge der Faxmitteilung vom 29. Juli 1997 seien die laufend ausbezahlten Geschäftsführerbezüge anlässlich der Bilanzerstellung der Gesellschaft nachträglich reduziert und die Differenz zwischen dem laufend ausbezahlten und dem bei Bilanzerstellung ermittelten Geschäftsführerbezug dem "Darlehenskonto" des Beschwerdeführers angelastet worden. Im Einzelnen seien im Jahr 1997 bis Februar 1998 monatlich 95.000 S, ab März 1998 bis Jänner 1999 monatlich 55.000 S, bis Juli 2000 monatlich 75.000 S und schließlich bis Dezember 2002 monatlich 35.000 S ausbezahlt worden. Die einzelnen Zahlungen seien aufwandsmäßig bei der Gesellschaft auf dem Konto "Geschäftsführergehälter" erfasst worden. Am 29. Mai 2002 habe der Beschwerdeführer den Betrag von 143.568,02 EUR mit dem Zahlungszweck "Abdeckung Verrechnungskonto" auf das Bankkonto der Gesellschaft eingezahlt und damit das Darlehenskonto bei der Gesellschaft ausgeglichen.

In rechtlicher Hinsicht schloss sich die belangte Behörde der Ansicht des Finanzamtes an. Die behauptete Darlehensvereinbarung, wie sie in der Faxmitteilung vom 29. Juli 1997 offensichtlich geworden sei, weise keinen eindeutigen und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt auf und wäre mit einem fremden Dritten nicht so geschlossen worden. Es fehlten wesentliche Angaben, wie bspw. die bisherige Höhe des Geschäftsführerbezuges, die betragsmäßige Höhe des Fixums, der Geltungszeitpunkt, Angaben, von welchem "Gewinnbegriff" auszugehen sei, wie bei Verlusten der Gesellschaft vorzugehen sei, Modalitäten bei vorzeitiger Auflösung des Dienstvertrages, Angaben zur konkreten Tilgung der einzelnen "Darlehen" und zum Zinssatz. Eine erstmalige Darlegung der Berechnungsmethode sei erst im Zuge der 2003 erfolgten Außenprüfung erfolgt, wobei die Berechnungsmethode nicht mit eindeutiger Sicherheit aus der gegenständlichen Faxmitteilung abgeleitet werden könnte. Auch sei die Hingabe eines Darlehens im Ausmaß von etwa 1,6 Mio. S über einen Zeitraum von vier Jahren, ohne dass darüber eine schriftliche Urkunde mit den wesentlichen Darlehenskonditionen erstellt worden wäre, als fremdunüblich zu beurteilen. Im Zeitpunkt der Auszahlung und des Zuflusses des Geschäftsführerbezuges sei äußerst unklar gewesen, welche Auszahlungen als "Bezüge" und welche als "Darlehen" zu beurteilen seien. Ein gesellschaftsfremder Geschäftsführer hätte eine derartige, mit Unsicherheiten behaftete Vereinbarung nicht abgeschlossen. Die dem Beschwerdeführer ausbezahlten und ihm zugeflossenen Beträge stellten Gehaltsbestandteile und keine ihm gewährten Darlehen dar.

Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, dass der mit der Gesellschaft abgeschlossene Darlehensvertrag anerkannt wird und die Darlehensbeträge seinen Einkünften aus selbständiger Tätigkeit nicht hinzugerechnet werden.

In Ausführung dieses Beschwerdepunktes befasst sich die Beschwerde mit jenen Kriterien, welche für die Anerkennung von Verträgen zwischen dem Gesellschafter einer GmbH und der GmbH von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelt wurden (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 26. April 2012, 2008/15/0315).

Die belangte Behörde habe niemals den wahren wirtschaftlichen Gehalt der Vorgangsweisen, sondern nur die äußere Erscheinungsform bemängelt, trotzdem die "Vereinbarung" tatsächlich gelebt worden sei. Auch sei kein Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts festgestellt worden. Alleine die Nichterfüllung der Kriterien bezogen auf einen eng gefassten Fremdvergleich habe zur gegenständlichen Entscheidung geführt. Vereinbarungen unter Fremden hätten zwangsläufig individuelle und unstandardisierte Ausgangsbasen. Diese unterlägen im täglichen Leben vorhandenen Situationszwängen, allgemeinem Verhandlungsgeschick, unterschiedlichen Informations- und Wissensständen, Notsituationen, Emotionen, Situationen ohne Alternativen, usw. Die belangte Behörde habe nicht berücksichtigt, dass Vereinbarungen unter Fremden, welche seit längerem eine Geschäftsbeziehung unterhielten und entsprechendes Vertrauen auf ihr gegenseitiges Verhalten entwickelt hätten, anders gestaltet seien als Vereinbarungen zwischen Personen, die einander unbekannt seien. Das Kriterium eines "jeden Zweifel ausschließenden Inhalts" sei angesichts einer komplexen und sich bewegenden Rechtsstruktur nahezu unerfüllbar. Vereinbarungen könnten kaum so formuliert werden, dass jeder inhaltliche Zweifel abgedeckt werde. Dadurch bedingt hätten Vereinbarungen unter Fremden eine hohe Bandbreite an Vereinbarungsergebnissen, sei es formell (z.B. mündlich, mit Handschlag) oder inhaltlich (z.B. punktationsartige Festlegung).

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde über die Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer ermittelte seine Einkünfte als Gesellschafter-Geschäftsführer gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988.

Bei der Ermittlung des Gewinnes durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 kommt es grundsätzlich auf den Zu- und Abfluss an. Nach § 19 EStG 1988 sind Einnahmen in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 2000, 99/13/0193).

Akontozahlungen, die der Steuerpflichtige erhält, fließen nicht erst mit ihrer tatsächlichen Verrechnung, sondern bereits mit ihrer Bezahlung zu. Hiebei liegt es im Wesen einer Akontozahlung, dass der Empfänger die Verfügungsmacht über den Betrag und der Zahlende dafür eine vermögenswerte Forderung auf Erfüllung und, falls die Erfüllung nicht oder nicht ordnungsgemäß erfolgt, auf (teilweise) Rückerstattung der Akontozahlung erhält (vgl. das einen Rechtsanwalt betreffende hg. Erkenntnis vom 24. September 1986, 84/13/0214).

Werden - wie im Beschwerdefall - laufend Akontozahlungen auf Geschäftsführerbezüge gewährt, welche erst zu einem späteren Zeitpunkt (bei Feststellung des Jahresgewinnes) in ihrer genauen Höhe ermittelt werden sollen, kommt den laufenden Zahlungen Darlehenscharakter nicht zu. Den laufenden Zahlungen der Gesellschaft stehen die laufend vom Geschäftsführer der Gesellschaft erbrachten Dienstleistungen gegenüber. Eine von der Leistungserbringung bzw. dem Leistungserfolg unabhängige Überlassung von Kapital liegt nicht vor. Die Anlastung von Zinsen im Jahr 2000 und die im Jahr 2002 erfolgte Rückzahlung ändern daran nichts. Denn es liegt - wie schon ausgeführt - im Wesen von Akontozahlungen, dass im Fall von Überzahlungen ein entsprechender (allenfalls verzinslicher) Rückzahlungsanspruch entstehen kann.

Auch bei Bestehen der vom Beschwerdeführer behaupteten Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Geschäftsführerentlohnung stellten die laufend gewährten Akontierungen somit Geschäftsführerbezug und nicht ein dem Geschäftsführer gewährtes Darlehen dar. Die belangte Behörde durfte daher von einem Zufließen von Geschäftsführerbezügen ausgehen.

Ob die im Jahr 2002 erfolgte Einzahlung des Beschwerdeführers auf sein Verrechnungskonto (wie von der belangten Behörde offenbar angenommen) gesellschaftsrechtlich veranlasst war (diesfalls Einlage) oder durch die behauptete Vereinbarung eines erfolgsabhängigen Bezugs (diesfalls Betriebsausgabe des Gesellschafter-Geschäftsführers), braucht im Beschwerdefall, der die Jahre 1997 bis 2000 betrifft, nicht beurteilt zu werden.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 19. März 2013

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