VwGH 2012/22/0154

VwGH2012/22/015419.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerden 1. des I, 2. der R, 3. des L und 4. des R, sämtliche in S, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen die Bescheide der Bundesministerin für Inneres vom 10. Juli 2012, Zl. 322.021/2-III/4/12 (ad. 1., protokolliert zu 2012/22/0154), Zl. 322.021/5-III/4/12 (ad. 2., protokolliert zu 2012/22/0155), Zl. 322.021/6-III/4/12 (ad. 3., protokolliert zu 2012/22/0156) und Zl. 322.021/7-III/4/12 (ad. 4., protokolliert zu 2012/22/0157), jeweils betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

EMRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §41a Abs9 idF 2011/I/038;
NAG 2005 §43 Abs3 idF 2011/I/038;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1 idF 2011/I/038;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2012:2012220154.X00

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit den angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführer (ein Ehepaar und ihre Kinder, Staatsangehörige des Kosovo) auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 43 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) sowie eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" für Dritt- und Viertbeschwerdeführer gemäß § 41a Abs. 9 NAG, hinsichtlich aller Beschwerdeführer gestützt auf § 44b Abs. 1 Z 1 leg. cit. zurück.

Zur Begründung führte die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden im Wesentlichen gleichlautend aus, dass die Beschwerdeführer am 10. Jänner 2005 illegal eingereist seien und am selben Tag Asylanträge gestellt hätten. Diese seien in erster Instanz am 19. Jänner 2005 "negativ entschieden" worden und es sei gegen die gesamte Familie eine asylrechtliche Ausweisung erlassen worden. Die Beschwerden gegen diese Bescheide habe der Asylgerichtshof rechtskräftig mit 1. August 2011 abgewiesen. Seit diesem Zeitpunkt befinde sich die Familie unrechtmäßig in Österreich und es sei der unsichere Aufenthaltsstatus in Österreich bekannt. Am 10. November 2011 seien die Anträge auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" für die Eltern und auf Erteilung von Aufenthaltstiteln "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" für die zwei Söhne gemäß § 41a Abs. 9 NAG eingebracht worden. Diese Anträge seien damit begründet worden, dass die Kinder in Österreich aufgewachsen wären, hier zur Schule gingen und in Österreich gut integriert wären. Der Drittbeschwerdeführer wäre drei Jahre lang in psychologischer Betreuung gewesen. Beide Kinder würden in der Schülerliga Fußball spielen. Die Familie würde gratis im Mehrfamilienhaus der Brüder wohnen und von der Grundversorgung leben. Der Erstbeschwerdeführer habe eine Einstellbestätigung vorgelegt.

Bereits im Asylverfahren - so die belangte Behörde weiter - sei ein ärztlicher Bericht über eine damalige Behandlung des Erstbeschwerdeführers vorgelegt worden. Bereits im Asylverfahren sei auch angegeben worden, dass der Drittbeschwerdeführer unter ständiger psychologischer Betreuung stehe. Im nunmehrigen Verfahren sei eine Bestätigung vom 7. November 2011 vorgelegt worden, in der ein Kinderarzt festgestellt habe, dass der Sohn weitere psychologische Betreuung benötige. In einer Nachreichung zur Berufung sei eine weitere Bestätigung des Beratungszentrums M vorgelegt worden, wo nunmehr auch der Erstbeschwerdeführer regelmäßig eine Beratung in Anspruch nehme.

Umstände, die nach Erlassung des erstinstanzlichen Zurückweisungsbescheides eingetreten seien, hätten jedoch keinen Einfluss auf die Beurteilung, ob die auf § 44b Abs. 1 Z 1 NAG gegründete Entscheidung zu Recht ergangen sei. Es seien nur solche Umstände beachtlich, die schon gegenüber der Erstbehörde vorgebracht worden seien. Es sei auch für die Berufungsbehörde im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG iVm Art. 8 EMRK nicht erkennbar, dass in der Zeit seit der Ausweisung (28. Juli 2011) bis zur Entscheidung der erstinstanzlichen Niederlassungsbehörde (7. März 2012) ein maßgeblich geänderter Sachverhalt eingetreten wäre. Die Zurückweisung der Anträge gemäß § 44b Abs. 1 Z 1 NAG durch die erstinstanzliche Behörde sei daher korrekt gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden - nach deren Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Sowohl § 41a Abs. 9 NAG als auch § 43 Abs. 3 NAG (beide idF BGBl. I Nr. 38/2011) sehen vor, dass im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" bzw. eine Niederlassungsbewilligung nur dann zu erteilen sind, wenn dies gemäß § 11 Abs. 3 NAG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten ist. In beiden Fällen sind gemäß § 44b Abs. 1 NAG diese Anträge als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde (Z 1) und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt. Dies nahmen sowohl die erstinstanzliche Behörde als auch die belangte Behörde an. Diese Annahme stützten sie darauf, dass die asylrechtliche Ausweisung mit 1. August 2011 rechtskräftig geworden sei und die vorliegenden Anträge bereits am 10. November 2011 ohne neues relevantes Tatsachenvorbringen eingebracht worden seien.

Die in den Beschwerden behauptete Vorlage von "zahlreichen Urkunden" im Berufungsverfahren führt nicht zum Erfolg, hat doch die belangte Behörde lediglich die Richtigkeit der in erster Instanz ausgesprochenen Zurückweisung zu prüfen. Maßgeblich sind somit nur solche Umstände, die bis zum erstinstanzlichen Zurückweisungsbescheid eingetreten sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2011, 2011/22/0317).

Die Beschwerden verweisen zwar auf die Vorlage zahlreicher Urkunden im erstinstanzlichen Verfahren, unterlassen es aber konkret darzulegen, im Hinblick auf welche konkreten geänderten Umstände eine neue Beurteilung "zweifelsohne geboten gewesen wäre". Die Hinweise auf Deutschsprachkenntnisse, auf regelmäßige Inanspruchnahme von Beratungen durch den Erstbeschwerdeführer und darauf, dass der Drittbeschwerdeführer entsprechenden Terminen im Beratungszentrum nachkomme, stellen keine relevanten Änderungen gegenüber dem Tatsachensubstrat im wenige Monate zuvor beendeten Asylverfahren dar, die eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK zumindest als möglich scheinen ließe.

Letztlich war die erstinstanzliche Behörde entgegen der Beschwerdeansicht nicht verpflichtet, eine Stellungnahme der Sicherheitsdirektion einzuholen, ist dies doch bei einer auf § 44b Abs. 1 Z 1 NAG gestützten Zurückweisung gesetzlich nicht geboten.

Somit erweist sich die Bestätigung der in erster Instanz erfolgten Zurückweisung der Anträge als rechtmäßig.

Da bereits der Inhalt der Beschwerden erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 19. September 2012

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