VwGH 2012/03/0106

VwGH2012/03/010622.10.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des J L in E, vertreten durch Prof. Dipl. Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 22. Mai 2012, Zl E1/22572/2011, betreffend Erlassung eines Waffenverbots, zu Recht erkannt:

Normen

WaffG 1996 §12 Abs1;
WaffG 1996 §12 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

A. Zum angefochtenen Bescheid

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs 1 des Waffengesetzes 1996, BGBl I Nr 12/1997 (WaffG), ein Waffenverbot erlassen.

Begründend wurde festgehalten, dass dem Beschwerdeführer am 16. Juli 1980 von der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg (BH) eine Waffenbesitzkarte für zwei Faustfeuerwaffen ausgestellt worden sei. Am 16. April 1991 sei eine Erweiterung auf fünf Faustfeuerwaffen erfolgt. Am 17. Februar 1998 sei dem Beschwerdeführer von der BH eine Waffenbesitzkarte für sechs genehmigungspflichtige Schusswaffen ausgestellt worden, eine Erweiterung auf zehn Schusswaffen sei am 19. April 2005 erfolgt.

Auf Grund einer Anordnung der Staatsanwaltschaft Korneuburg sei beim Beschwerdeführer am 7. April 2011 durch Beamte der belangten Behörde (Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung) eine Hausdurchsuchung durchgeführt worden. Dabei seien beim Beschwerdeführer Kriegsmaterial, verbotene Waffen sowie genehmigungspflichtige Schusswaffen, für die der Beschwerdeführer keine Genehmigung besessen habe, aufgefunden und sichergestellt worden. Außerdem seien sieben meldepflichtige Schusswaffen der Kategorie C im Besitz des Beschwerdeführers gewesen, wobei jedoch eine Meldung dieser Waffen unterlassen worden wäre. Ferner seien beim Beschwerdeführer 24.150 Stück Munition aufgefunden worden, eine Meldung über die Verwahrung der Munition an die BH sei ebenfalls unterlassen worden. Sämtliche vorgefundene Waffen seien ordnungsgemäß verwahrt gewesen.

In der Folge sei von der Staatsanwaltschaft Korneuburg am 8. August 2011 ein Strafantrag an das Landesgericht Korneuburg gestellt worden. Dem Beschwerdeführer sei zur Last gelegt worden, unbefugt erworbenes Kriegsmaterial besessen zu haben (nämlich eine Maschinenpistole des Typs MP 40 vor dem Jahr 2002, ferner einen Splitterhandgranatenkörper aus Kunststoff mit funktionsfähigem Zünder und zündfähigem Übungszündsatz bis zum 7. April 2011). Weiters sei dem Beschwerdeführer vorgeworfen worden, verbotene Waffen (§ 17 WaffG) unbefugt besessen zu haben, und zwar 1. eine Vorderschaftrepetierflinte ("Pumpgun"), 2. eine halbautomatische Flinte mit abgesägtem Lauf und Schaft, 3. ein nur durch Umlegen eines Sperrhebels an der linken Waffenseite rasch zerlegbares Einzelladegewehr, 4. eine Leuchtpistole mit einem in den Lauf eingesteckten, selbst gefertigten nummernlosen Einstecklauf aus Stahl, wodurch Flinten- und Schrotpatronen verschossen werden können, und 5. wenn auch nur fahrlässig, einen schwarz eloxierten, dreiteiligen Teleskopschlagstock aus Stahl, sohin eine als "Stahlrute" bekannte Waffe. Schließlich sei dem Beschwerdeführer zur Last gelegt worden, Schusswaffen der Kategorie B unbefugt besessen zu haben, nämlich insgesamt 14 (näher bezeichnete) Pistolen und Revolver, ferner ein halbautomatisches Selbstladegewehr sowie eine halbautomatische Selbstladebüchse. Der Beschwerdeführer habe dadurch mehrere Vergehen nach § 50 WaffG begangen.

Bei der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht Korneuburg am 14. September 2011 habe der Beschwerdeführer angegeben, er habe gewusst, dass der über die Berechtigung der Waffenbesitzkarte hinausgehende Waffenbesitz ungesetzlich gewesen sei; auf die Frage des Richters, ob der Beschwerdeführer die Verantwortung für die vorgeworfenen Straftaten übernehmen würde, habe er mit "Ja, keine Frage" geantwortet. Der Richter habe dem Beschwerdeführer in der Folge eine diversionelle Erledigung (Bezahlung von EUR 4.000,-- inklusive Prozesskosten binnen 14 Tagen) vorgeschlagen, daraufhin sei die Hauptverhandlung auf unbestimmte Zeit zur Durchführung der Diversion vertagt worden. Mit Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom 19. Oktober 2011 sei das Strafverfahren gemäß § 198 Abs 2 Z 2 StPO eingestellt worden.

Auf Grund der Verantwortung des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung und der anschließend durchgeführten Diversion erachte es die belangte Behörde als erwiesen, dass der Beschwerdeführer die ihm im Strafantrag der Staatsanwaltschaft Korneuburg vorgeworfenen Straftaten begangen habe. Gegenstand des Strafverfahrens seien nicht nur die Einziehung der Waffen gemäß § 26 StGB gewesen, sondern die angeführten Vergehen nach dem WaffG 1996.

Eine Diversion setze eine hinreichende Klärung des Sachverhalts durch die Strafverfolgungsbehörde voraus, auf Grund derer ein komprimierter Tatverdacht mit einer hohen Verurteilungswahrscheinlichkeit gegeben ist. Für ein diversionelles Vorgehen sei ein Geständnis nicht vorausgesetzt, sondern es reiche eine (zumindest partielle) Übernahme der Verantwortung durch den Täter aus, wobei schon die Bereitschaft zur diversionellen Vorgangsweise in der Regel eine Verantwortungsübernahme indiziere. Dass der Beschwerdeführer die Diversion als Mittel der Erledigung des gegen ihn geführten Strafverfahrens hingenommen habe, sei ein Indiz dafür, dass er das Unrecht seiner Tat eingesehen habe und bei ihm auch die Bereitschaft vorhanden gewesen sei, eine gewisse Verantwortung hiefür zu übernehmen.

Der Beschwerdeführer habe sich bewusst - wie seinen Angaben bei der Hauptverhandlung entnommen werden könne - und exzessiv über waffenrechtliche Vorschriften hinweggesetzt. Durch seine Waffenbesitzkarte sei er für die Ausübung des Schießsportes zum Besitz von zehn genehmigungspflichtigen Schusswaffen berechtigt gewesen. Darüber hinaus habe er aber 16 genehmigungspflichtige Schusswaffen der Kategorie B unbefugt besessen, außerdem insgesamt fünf verbotene Waffen nach § 17 WaffG und darüber hinaus auch Kriegsmaterial, nämlich (wie bei den Vernehmungen eingeräumt) eine Maschinenpistole und eine funktionsfähige Splitterhandgranate. Ferner seien am Wohnsitz des Beschwerdeführers über 24.000 Stück Munition gelagert gewesen, ohne dass die vorgeschriebene Meldung an die BH getätigt worden sei. Ein derart hoher Bestand, insbesondere an verbotenen (u.a. leicht zerlegbaren) Waffen und an unbefugt besessenen genehmigungspflichtigen Schusswaffen, bringe in Kombination mit dem exorbitant hohen Munitionsvorrat auch bei sachgemäßer Verwahrung der Waffen gewisse Risken, die dem Beschwerdeführer als Inhaber einer Waffenbesitzkarte und als Sportschütze besonders gut bekannt hätten sein müssen. So hätten sich zB mit Insiderwissen ausgestattete Kriminelle mit einem Handstrich in den Besitz einer relativ großen Zahl an verbotenen Waffen und an genehmigungspflichtigen Schusswaffen bringen und zudem auch noch erhebliche Munitionsvorräte erbeuten können. Dieses Risiko sei vom Beschwerdeführer bewusst in Kauf genommen worden bzw habe er dieses vernachlässigt, um seine Leidenschaft für den Besitz von Waffen ungehemmt und unbeeinflusst von rechtlichen Bestimmungen ausleben zu können. Diese Leidenschaft könne von der belangten Behörde unter Berücksichtigung der hohen Zahl der unbefugt im Besitz des Beschwerdeführers gestandenen Waffen beim besten Willen nicht mehr als rational eingestuft werden. Vielmehr habe sich der Eindruck verfestigt, dass der Beschwerdeführer die Kontrolle über seine Sammelleidenschaft bereits verloren und sich so auch in den Besitz von verbotenen Waffen und von Kriegsmaterial gebracht hätte. Diese Faktoren, nämlich das vom Beschwerdeführer durch eine derartige Anhäufung von verbotenen Waffen und von illegalen genehmigungspflichtigen Schusswaffen geschaffene und bewusst vernachlässigte Risiko sowie die als irrational einzustufende Leidenschaft für das Sammeln von Waffen, ohne sich um die Rechtmäßigkeit des Besitzens zu kümmern, hätten bereits eine Qualität erreicht, die das weitere Verhalten des Beschwerdeführers schlechthin unkalkulierbar machten, sodass mit dem konkreten Risiko einer neuerlichen schwerwiegenden waffenrechtlichen Fehlleistung gerechnet werden müsse. Die Möglichkeit eines zukünftigen Missbrauchs einer Waffe und eine dadurch hervorgerufene Gefährdung der vom § 12 Abs 1 WaffG geschützten Rechtsgütern sei somit nicht von der Hand zu weisen. Auf Grund des eindeutig erwiesenen Sachverhalts und dieser Erwägungen habe die belangte Behörde die begründete Besorgnis, dass der Beschwerdeführer durch die missbräuchliche Verwendung von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte, weshalb die Verhängung eines Waffenverbots nach § 12 Abs 1 WaffG erforderlich sei. B. Zum Beschwerdeverfahren

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde (nunmehr: Landespolizeidirektion Niederösterreich) legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattet eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

C. Erwägungen

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 12 Abs 1 WaffG hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

Die Verhängung eines Waffenverbotes dient der Verhütung von Gefährdung der in § 12 Abs 1 WaffG bezeichneten Art; dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger Gebrauch gemacht werden könnte. Hierbei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs 1 WaffG setzt lediglich voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde nach § 12 Abs 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegenstünde. Wesentlich ist, dass dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist (vgl VwGH 20. Juni 2012, 2012/03/0064, mwH).

Zur Frage, inwieweit der unbefugte Besitz von Waffen und Kriegsmaterial ein Verbot rechtfertigen kann, ist gemäß § 43 Abs 2 VwGG auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 2003, 2001/20/0213, zu verweisen. Die bloße Tatsache eines allenfalls auch vorsätzlichen Verstoßes gegen Waffenrecht rechtfertigt danach nicht losgelöst von der Art des Verstoßes und den Umständen des Einzelfalls die Verhängung eines Waffenverbots. Wie in dem eben zitierten Erkenntnis festgehalten, kann aber ein Waffenverbot beispielsweise zu verhängen sein, wenn die festgestellten Verstöße auf einer kaum noch als rational einzustufenden Leidenschaft für den Besitz von Waffen beruhen oder wenn in Bezug auf Kriegsmaterial auch die Gefahr seiner unkontrollierten Weitergabe besteht.

2. Auf dem Boden dieser Rechtslage ist entgegen der Beschwerde das Ergebnis der behördlichen Beurteilung, dass im vorliegenden Fall ein besonderer - zum unerlaubten Waffenbesitz hinzutretender - Umstand vorliegt, der die Erlassung des angefochtenen Waffenverbots rechtfertigt, nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Nach den insofern unstrittigen Feststellungen wurde dem Beschwerdeführer seit dem Jahr 1991 im Zeitraum von etwa 15 Jahren der Berechtigungsumfang seiner Waffenbesitzkarte dreimal erweitert. Trotz dieser Erweiterungen hat der Beschwerdeführer (ebenfalls unbestritten) eine über diesen Berechtigungsumfang weit hinausgehende Anzahl von Waffen - darunter auch verbotene Waffen und Kriegsmaterial - in seinen Besitz gebracht. Daraus lässt sich ableiten, dass der Beschwerdeführer offensichtlich bestrebt war, seinem Sammeln von Waffen durch Erweiterung der Berechtigung seiner Waffenbesitzkarte Rechnung zu tragen, aber diesen Berechtigungsumfang trotz wiederholter Erweiterung erheblich überschritten und zudem auch verbotene Waffen und Kriegsmaterial (unstrittig jedenfalls bezüglich der genannten Maschinenpistole) in seinen Besitz gebracht hat. Dies zeigt, dass der Beschwerdeführer - um Waffen zu sammeln - gehäuft Gesetzesverletzungen in Kauf nahm und seiner - durch die wiederholte Erweiterung des Berechtigungsumfanges seiner Waffenbesitzkarte zum Ausdruck kommenden - Einsicht, dass ein solches Sammeln nur im Umfang der ihm erteilten Berechtigung zulässig ist, nicht entsprechen konnte. Angesichts der beträchtlichen Menge von derart unerlaubt in seinem Besitz stehenden (zum Teil verbotenen) Waffen kann eine kaum noch als rational einzustufenden Leidenschaft des Beschwerdeführers zum Besitz von Waffen angenommen werden.

Mit seinem Hinweis darauf, dass er die in seinem Besitz stehenden Waffen ordnungsgemäß verwahrte, vermag der Beschwerdeführer am Vorgesagten nichts zu ändern. Unerheblich ist auch, ob der Beschwerdeführer die Behörde - worauf die Beschwerde mit Blick auf § 41 WaffG Bezug nimmt - von der Verwahrung von Schusswaffen oder Munition im großen Umfang in Kenntnis zu setzen hatte. Gleiches gilt für die in der Beschwerde unter dem Blickwinkel der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften relevierte Frage, ob die Splitterhandgranate in seinem Besitz tatsächlich funktionsfähig gewesen sei.

3. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sei gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 22. Oktober 2012

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