Normen
FrPolG 2005 §53 Abs1;
EMRK Art8;
NAG 2005 §43 Abs2;
NAG 2005 §44b Abs1 Z3;
NAG 2005 §44b Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
EMRK Art8;
NAG 2005 §43 Abs2;
NAG 2005 §44b Abs1 Z3;
NAG 2005 §44b Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde gemäß § 43 Abs. 2 und § 44b Abs. 1 Z 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) die mit erstinstanzlichem Bescheid erfolgte Zurückweisung des am 7. Mai 2009 eingebrachten Antrages der Beschwerdeführerin, einer georgischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung.
Zur Begründung verwies die belangte Behörde im Wesentlichen darauf, dass die Beschwerdeführerin am 16. September 2002 illegal eingereist sei und am selben Tag einen Asylantrag gestellt habe. Nach Einstellung des Asylverfahrens habe sie am 26. September 2002 einen neuen Asylantrag eingebracht, der iVm einer Ausweisung erstinstanzlich mit Bescheid vom 16. Juni 2003 abgewiesen worden sei. Die dagegen erhobene Berufung habe der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 17. Dezember 2008 abgewiesen.
Am 7. Mai 2009 habe die Beschwerdeführerin persönlich einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung eingebracht, den sie in der Folge dahin modifiziert habe, dass dieser als Antrag gemäß § 43 Abs. 2 NAG gelten solle.
Die erstinstanzliche Behörde habe mit Schreiben vom 10. September 2009 die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien um eine Stellungnahme ersucht. Diese Behörde habe am 17. September 2009 eine begründete Stellungnahme gemäß § 44b Abs. 2 NAG abgegeben und unter Abwägung des Art. 8 EMRK "die Zulässigkeit von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen bzw. die vorübergehende Unzulässigkeit" festgestellt.
Mit dieser Stellungnahme sei bereits eine Abwägung im Sinn des Art. 8 EMRK durchgeführt worden, an welche Entscheidung die "NAG-Behörden" gebunden seien. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin reiche nicht aus, um "einen maßgeblich geänderten Sachverhalt seit der Stellungnahme der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 17.09.2009 zu konkretisieren". In Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände sei nicht erkennbar, dass in der Zeit ab 17. September 2009 bis "heute" ein maßgeblich geänderter Sachverhalt eingetreten wäre. Die Zurückweisung des Antrages durch die erstinstanzliche Behörde sei somit rechtskonform erfolgt, "zumal" die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien festgestellt habe, dass eine Ausweisung bloß vorübergehend unzulässig sei und gemäß § 44b Abs. 1 letzter Satz NAG aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorgekommen sei.
Der Verfassungsgerichtshof hat die gegen diesen Bescheid an ihn erhobene Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 22. Februar 2011, B 764/10-18, dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten, der über die ergänzte Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:
Der angefochtene Bescheid ist mehrfach mit Rechtswidrigkeit behaftet.
Angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides im April 2010 sind die Bestimmungen des NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2009 maßgeblich. Nachfolgende Zitierungen beziehen sich auf diese Rechtslage.
Soweit die belangte Behörde davon ausgeht, dass mit der Abweisung des Asylantrages eine Ausweisung gegen die Beschwerdeführerin erlassen worden sei, liegt - unschwer erkennbar aus der damals anzuwendenden Rechtslage und dem im Akt erliegenden Erkenntnis des Asylgerichtshofes - eine Aktenwidrigkeit vor. Diese allein würde aber noch nicht zur Aufhebung des Bescheides führen.
Ein Rechtsirrtum der belangten Behörde liegt darin, dass sie die Fälle der Zulässigkeit der Ausweisung der vorübergehenden Unzulässigkeit der Ausweisung gleichsetzte, wie sie dies mit dem Argument "bzw." getan hat. Nur bei Feststellung der bloß vorübergehenden Unzulässigkeit der Ausweisung durch die Fremdenpolizeibehörde wäre überhaupt in Anwendung des § 44b Abs. 1 Z 3 NAG die Zurückweisung des Niederlassungsantrags in Betracht zu ziehen gewesen. Inhaltlich gehen weder die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien in ihrer Stellungnahme noch die erstinstanzliche Behörde noch die belangte Behörde davon aus, dass die Ausweisung der Beschwerdeführerin vorübergehend unzulässig sei, sondern sie halten deren Ausweisung für zulässig. Damit liegt jedoch die Voraussetzung nach § 44b Abs. 1 Z 3 NAG für die Zurückweisung des Antrages nicht vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 2010, 2010/22/0046).
Weiters irrt die belangte Behörde darin, dass sie sich an die Ausführungen in der Stellungnahme der Sicherheitsdirektion gebunden erachtet (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. Juli 2011, 2011/22/0148).
Letztlich kommt es bei der Frage, ob sich der maßgebliche Sachverhalt in relevanter Weise geändert hat, nicht auf den Zeitpunkt der Stellungnahme der Sicherheitsdirektion nach § 44b Abs. 2 NAG an, sondern auf den Zeitraum zwischen einer verfügten Ausweisung und der Entscheidung der Niederlassungsbehörde in erster Instanz (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. September 2011, 2011/22/0070). Dass jedoch vorliegend eine Ausweisung nicht erlassen worden war und somit eine Prüfung, ob sich Umstände im Bereich des Art. 8 EMRK geändert haben, hier fehl am Platz ist, wurde bereits dargelegt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - aufzuheben.
Von der (bloß in eventu) beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG Abstand genommen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 13. November 2012
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